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Festtage des Films

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Der Erfolg der von der Oesterreichischen Gesellschaft für Filmwissenschaft und Filmwirtschaft in Wien veranstalteten II. Internationalen Filmwissenschaftlichen Woche — die erste 1954 — mag dadurch gekennzeichnet sein, daß schon während, insbesondere aber beim Abschluß der Tagung, aus- und inländische Teilnehmer die neuerliche Wiederholung fast als Selbstverständlichkeit angesehen und verlangt haben. Darum seien gleich eingangs zwei Wünsche für das nächste Mal angemerkt. Vorträge und Filmvorführungen — die vielen, gut ausgewählten Filme als Beispiele zu den behandelten Themen waren ein wesentlicher und wertvoller Teil der ganzen Tagung — ließen in ihrer Fülle für die Diskussion über das Gehörte und Gesehene und, was die auswärtigen Teilnehmer angeht — es waren zwölf Länder, darunter die USA und Japan, vertreten —, auch zu einem Umsehen in der Festwochenstadt Wien viel zu wenig Zeit; das konnte man immer wieder hören. Zum andern hätten aus unserer Stadt selbst noch so manche Film- und Musikfreunde, Lehrer, Volksbildner, Filmfachleute zumindest einzelne Veranstaltungen der Tagung, vor allem die hochinteressanten abendlichen Filmvorführungen im Auditorium Maximum, die wohl von vornherein nicht nur für den engeren Kreis der Tagungsteilnehmer gedacht waren, gerne besucht, wären sie rechtzeitig in den Besitz eines Gesamtprogramms mit genauen Zeitangaben gekommen. Die regelmäßig ausgegebenen Zwei-Tage-Programme mit ihren ausgezeichneten Angaben und Hinweisen konnten diesen Umstand nicht vollauf wettmachen, der sich wohl aus Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Filme (verspätetes Eintreffen usw.) ergeben hatte.

Im Mozart-Jahr'war als erste Themengruppe der Woche „Film und Musik“ angesetzt worden, eine außerordentlich glückliche Wahl, wie das stete Interesse der Teilnehmer daran bewies. Ist doch dieser Fragenkomplex in solcher Ausführlichkeit noch kaum auf einer Filmtagung zur Behandlung gestanden. Schon die Eröffnungssitzung im neuen Filmsaal der Albertina, der sich für eine solche Veranstaltung in verschiedener Hinsicht als überaus empfehlenswert erwies, brachte neben dem schönen öster-chischen Streifen „Salzburger Impressionen“ (H. Wagula) einige Trickfilme, in denen Musik, Bewegung und Farbe zu einem prächtigen Zusammenspiel verschmelzen (N. McLarens. Kanada), tags-darauf abends wurde die moderne eindrucksvolle Filmoper „Das Medium“ von Menotti gezeigt, deren Handlung freilich manchen als abwegig erscheinen mag. Daran reihten sich Musikfilme verschiedener Länder (Internationale Schau des Musikfilms!): „Der ewige Kreis“ (Kurzfilm, Menzel—H. Kreuzberg), der geradezu anheimelnde japanische Film „Hier ist ein Brunnen“ (Geschichte eines Volksorchesters), „Dali-bor“ (Tschechoslowakei), „Die Lerche“ (rumänischer Dokumentarfilm), „Ludwig van Beethoven“ (Dokumentarfilm, DDR), auch der bekannte Film „Ein Amerikaner in Paris“ als besonderes Beispiel für ein Filmmusical u. a. m. Hans Majewsky, Hamburg, bekannt vor allem durch seine Filmmusik zu „Weg ohne Umkehr“, vertrat in eingehender Darlegung und mit Musikbeispielen die „Eigengesetzlichkeit der Filmmusik“, die nicht bloß illustrierend und kommentierend, sondern mit eigenem Ausdruck (kontrapunktierend) das Filmgeschehen zu ergänzen habe. In weiteren Referaten wurde die Filmoper und das Filmmusical von F. Miller, Augsburg, Prof. Kolm-Veltee und H. Winge behandelt; beide, vor allem aber wohl das letztere, stehen in der Gunst eines musikliebenden (und tanzfreudigen) Publikums. Prof. Dr. Borge sprach zu „Debussy-Filmen“, Hofrat Prof. Dr. Gregor über das Zeit-Raum-Problem im Musikfilm, Dr. Helberger führte sein Heliophon vor. Ein besonders ansprechender Vortrag für mehr technisch Interessierte war der Dr. h. c. H. Vogts, eines der drei Triergon-Männer, über seine Erinnerungen an die Erfindung des Tonfilms, wobei er die Verstärkerröhre des österreichischen Physikers Lieben als wichtige Voraussetzung erwähnte und zum Erstaunen aller Zuhörer den Tonfilm „Ein Tag auf dem Dorfe“ (1923!) in tontechnisch durchaus guter Qualität vorführte. Doch diese deutsche Erfindung eroberte erst ein halbes Jahrhundert später über Amerika die Welt.

Die im Rahmen der dritten Themengruppe gehaltenen Vorträge „Probleme und Tatsachen der Filmwirkung“ (Prof. Dr. F. Stückrath, Hamburg), „Die Forderungen des Erziehers an den Jugendfilm“ (Dr. W. Brudny, München) und die Vorführung neuartiger Jugendfilme des Institutes für Film und Bild in München (Referent Dr. S. Mohrhof) bedeuteten begreiflicherweise für Filmpädagogen und Jugendbildner einen Höhepunkt der Tagung. Vorher sprach noch Prof. H. Mutzenbecher, Saarbrücken, über „Film, Vermassung und Kulturverfall“, berief sich auf seine jahrelange Tätigkeit als Vorsitzender der dortigen Filmprüfungskommission und legte eingehend dar, daß der Staat mehr noch als beim Theater — denn die Besucherzahl des Films sei ja zehnmal größer — zwar nicht autoritär, aber doch ordnend und fördernd die schädlichen Wirkungen des Films durch positive Maßnahmen bekämpfen müsse; insbesondere seien eigene Jugendfilme vonnöten. S. R. Dr. Warhanek vom Unterrichtsministerium konnte in der Wechselrede auf die diesbezüglichen hiesigen Bemühungen hinweisen. In den schon genannten deutschen Referaten wurden die mit Hilfe von Testuntersuchungen gewonnenen Erfahrungen über die Filmwirkungen auf verschiedene Altersstufen von Kindern und Jugendlichen erläutert; sie bestätigen so manche schon bekannten Tatsachen und klären die an Jugendfilme zu stellenden Forderungen. Der eingeschränkt gegebene Hinweis auf die vielgenannten M.-Field-Filme führte auch in der Wechselrede zum Teil zur Aeußerung pädagogischer Bedenken. Leider gebe es im deutschen Sprachraum noch fast keine „Jugendfilme“, es sei auch gar nicht leicht, dafür passende Vorschläge zu bekommen. — Größtes Interesse erregten die als erste Versuche bezeichneten Filme: „Der Held“, der Bursche, der etwas gelten will (auch vor den Mädchen), sich zuviel zutraut und fast abstürzt; „Flegeljahre“, mit ausgezeichneten Beobachtungen, aber nur zur Vorführung vor Eltern und Erziehern bestimmt; und „Erste Begegnung“, mit zehn Episoden, die so oder ähnlich jeder Bursch und jedes Mädel einmal selbst mitmacht, sehr gut gebracht. Die letzten zwei Teile (die erste Jugendliebe) sind nicht ganz zu Ende geführt: hier hat die Diskussion, die auch sonst in der Erziehung zum guten Film voransteht, einzusetzen. Ohne eine solche wird dieser für Sechzehnjährige bestimmte Streifen nicht gezeigt. Es ist die Aufgabe des geschulten Diskussionsleiters, die ethische Forderung und moralische Anwendung im Gespräch mit den Jugendlichen zu erarbeiten ( Auch die Wechselrede der Tagungsteilnehmer über diese Filme war lebhaft, manche fragten, wann etwa auch sie diese Streifen, wenigstens versuchsweise, verwenden könnten.

Nun zur Themengruppe Filmwirtschaft: Die „Marktforschung im Dienste des Films“ besprach Prof. Dr. K. Skowronnek; bekanntlich leistet auf diesem Gebiet eine Arbeitsgruppe der Gesellschaft für Filmwissenschaft und Filmwirtschaft (Leiter Min.-Rar R. Steyskal) seit einigen Jahren praktisch anerkannte Arbeit über Einsatz und Publikumswirkung der Filme. Generaldirektor Dr. Kaibus, Bad Homburg, langjähriger Mitarbeiter der Ufa und Direktor der deutschen Columbia, untersuchte die Möglichkeiten einer europäischen Filmwirtschaft, die aus verschiedenen Aspekten her wohl anzustreben, aber erst nach Eintritt verschiedener Voraussetzungen zu verwirklichen sein dürfte. Er betonte, daß neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten doch auch die filmkulturellen nicht zu übersehen seien; so seien heute die meisten Coproduk-tionen (auf deutschem Gebiet zumindest) nur eine äußere Form, und die Synchronisation von Filmen werde wohl in Zukunft aufhören (eher mehrere Fassungen).

Es muß noch von der am Anfang der Tagung eröffneten Ausstellung „10 Jahre österreichischer Film“ gesprochen werden (Wiener Kunsthalle, Zedlitzgasse). Sie brachte in guter Auswahl Uebersichten, Zahlen, Bilder zur Entwicklung des österreichischen Films, und zwar auch das Wichtigste schon von den Anfängen des Films über die Zeit Sascha Kolowrats bis zum zweiten Weltkrieg. Neben dem Spielfilm waren auch die Sparten Kultur-, Unterrichts-, wissenschaftlicher und Werbefilm vertreten, ebenso die Filmklasse der Akademie und das voriges Jahr gegründete Oesterreichische Filmarchiv, dessen Anschluß an den Internationalen Verband der Filmarchive die Beschaffung vieler älterer Filme für die Tagung zu danken ist. Die gleichzeitig stattgefundene „Festwoche des österreichischen Films“ gab die seltene Gelegenheit, bedeutende ältere Filme wie etwa „Premiere“, „Der Prozeß“, „Eroica“. „Wiener Mädeln“, „Ich und meine Frau“, „1. April 2000“ u. a. m. wieder zu sehen. Es war bei vielen eine rechte Freudel

Alles in allem: der Oesterreichischen Gesellschaft für Filmwissenschaft und Filmwirtschaft, insbesondere ihrem Generalsekretär, der die Hauptlast der Arbeiten !zu tragen hatte, sei im Namen des Films aufrichtiger Dank gezollt.

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