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Flötenzauber gegen Laserstrahlen

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Was sich als Sensation ankündigte: Verdrängung traditioneller Dekors und Ersatz durch neue optische Mittel, mußte sich jetzt erst — in der Premiere der neuinszenierten „Zauberflöte“ — als eine Sensation beweisen: Nur das künstlerische Ergebnis kann und darf entscheiden, welcher Weg der bessere ist und er wird dann der bessere sein, wenn er dem Werk in maximaler Weise dienlich ist! Uber den Einsatz von Laserstrahlen — der bei dieser Premiere erstmals auf einer Opernbühne Realität wurde — ist in letzter Zeit viel geschrieben worden, darunter sehr viel Unfug, beispielsweise die Behauptung, Strahlen dieser Art würden den Mitwirkenden schaden können, es soll hier aber noch einmal kurz darauf hingewiesen sein, daß der Siemens-Bühnenlaser „BL 70“ ein Doppellaser-Lichteffektgenerator ist, der unmittelbar zum Erzeugen abstrakter Lichtfigurationen und deren Projektion für die Bühnenbildgestaltung eingesetzt wird und farbige — stehende oder bewegte — abstrakte Strukturen erzeugt, die einen betont räumlichen Eindruck vermitteln. So ist es den Szenikern in dieser Münchner ..Zauberflöte“ 1970 erstmals gelungen, die Elemente Feuer und Wasser in der berühmten „Feuer- und Wasserprobe“ nicht nur in Färb-, sondern auch in Struktur-Symbole zu übersetzen und es steht außer Zweifel, daß Staatsintendant Rennert in dieser erstmaligen Zusammenarbeit einer künstlerischen Institution vom Range der Bayerischen Staatsoper mit den technischen Forschungslaboratorien eines industriellen Spitzenunternehmens eine Pioniertat vollbracht hat, nicht so sehr hinsichtlich der drei relativ kurzen Einblendungen in dieser Inszenierung, sondern im Hinblick auf die Zukunft des Musiktheaters schlechthin.

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Was sich als Sensation ankündigte: Verdrängung traditioneller Dekors und Ersatz durch neue optische Mittel, mußte sich jetzt erst — in der Premiere der neuinszenierten „Zauberflöte“ — als eine Sensation beweisen: Nur das künstlerische Ergebnis kann und darf entscheiden, welcher Weg der bessere ist und er wird dann der bessere sein, wenn er dem Werk in maximaler Weise dienlich ist! Uber den Einsatz von Laserstrahlen — der bei dieser Premiere erstmals auf einer Opernbühne Realität wurde — ist in letzter Zeit viel geschrieben worden, darunter sehr viel Unfug, beispielsweise die Behauptung, Strahlen dieser Art würden den Mitwirkenden schaden können, es soll hier aber noch einmal kurz darauf hingewiesen sein, daß der Siemens-Bühnenlaser „BL 70“ ein Doppellaser-Lichteffektgenerator ist, der unmittelbar zum Erzeugen abstrakter Lichtfigurationen und deren Projektion für die Bühnenbildgestaltung eingesetzt wird und farbige — stehende oder bewegte — abstrakte Strukturen erzeugt, die einen betont räumlichen Eindruck vermitteln. So ist es den Szenikern in dieser Münchner ..Zauberflöte“ 1970 erstmals gelungen, die Elemente Feuer und Wasser in der berühmten „Feuer- und Wasserprobe“ nicht nur in Färb-, sondern auch in Struktur-Symbole zu übersetzen und es steht außer Zweifel, daß Staatsintendant Rennert in dieser erstmaligen Zusammenarbeit einer künstlerischen Institution vom Range der Bayerischen Staatsoper mit den technischen Forschungslaboratorien eines industriellen Spitzenunternehmens eine Pioniertat vollbracht hat, nicht so sehr hinsichtlich der drei relativ kurzen Einblendungen in dieser Inszenierung, sondern im Hinblick auf die Zukunft des Musiktheaters schlechthin.

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Die Falle, die dem Regisseur Günther Rennert und dem Bühnenbildner Josef Svoboda dabei gestellt wurde, liegt selbstverständlich in der Tatsache begründet, daß die ganze Konzeption — will sie ohne größeren Stilbruch über die Runden kommen — auf diese technische Errungenschaft ausgerichtet werden mußte. Die letzte Rennert-Inszenie-rung der „Zaubernöte“ fand an der New Yorker Met statt. Bühnenbildner war kein Geringerer als Marc Chagall. Immer wenn ein neues Bühnengemälde Chagalls erschien, setzte lang anhaltender Beifall ein: Das Bühnenbild führte sein Eigenleben. Eben diese Gefahr bestand jetzt in Sachen Laser-Effekt, die Gefahr, daß ein Teil des Publikums bis in das letzte Drittel des zweiten Aufzugs hinein nur auf „Feuer“ und „Wasser“ warten würde. Aber Rennert fand in enger Zusammenarbeit mit Svoboda, aber auch mit dem Kostümbildner Erich Kondrak und der Maskenbildnerin Annelies Cor-rodi Lösungen, die von Anfang an sehr stark vom Licht her bestimmt wurden (bereits der Wald aus bunten, senkrechten Stäben zielt auf die Laserstrahlen) und so kam es zu keinem „handfesten“ Bruch. Das will nicht bedeuten, daß die Problematik der „Zauberflöte“ endlich einmal als gelöst zu bezeichnen wäre, dazu sind die Widersprüche von komplexer Form und naiver Aussage zu gravierend, die Stilebenen zu sehr ein mixtum compositum aus „Wiener Vorstadt“ und theatrum mundi. Die „Königin der Nacht“ im Gegenlicht, schattenhaft, erscheinen zu lassen, ist sinnvoll, aber man sollte nicht Zuschauer ihres Ein- und Ausfahrens sein, auch bei den drei Knaben wirkt das Maschinelle der Auftritte nicht überzeugend und was soll der Dialekt, den die verkleidete Papagena in ihrem Auftritt „a la Nestroy“ spricht, in einer Inszenierung, die sich Schikaneder so ganz und gar abgewandt zeigt?

Rafael Kubelik machte bereits in den ersten Tutti-Akkorden des Orchesters deutlich, daß auch er von Schikaneder abzuweichen trachtet, daß diese letzte Mozart-Oper in der Nachbarschaft des Requiem steht und die Form des Singspiels nicht als verbindlich anzusehen ist. In Sa-raetros Reich herrscht Oratorisches, während die bunte Welt des Papa-geno gekennzeichnet ist von einer verspielten, weisen Heiterkeit, in Goldstaub getaucht von den drei Engeln, welche in Gestalt der Wiener Sängerknaben noch einmal so etwas wie die Konturen einer verlöschenden Rokokowelt finden. Aber Kubelik strapaziert das „Bedeutungsvolle“ nicht über Gebühr, er nimmt teilweise überraschend zügige Tempi, unterstreicht in den Auftritten Papa-genos das Tänzerische, läßt nichts verschleppen und ist bis zum Ende von einer eminenten Spannkraft.Das Bayerische Staatsorchester ist ihm dabei ein wahrhaft nobles Instrumentarium.

Das Aufgebot an gesanglicher Qualität ist erstaunlich, man denke nur an die drei Damen, die durch Ciaire Watson, Charlotte Berthold und Brigitte Fassbaender eine ungeahnte Aufwertung erfahren, wobei das glänzende Aussehen der Stimmführung nicht nachsteht. Es gibt nur zwei „wunde Punkte“ innerhalb dieser Stimmenelite: Rita Shane und Adolf Dallapozza. Rita Shane hat durchaus das Material, um den dramatischen Passagen der Königin der Nacht Ausdruck zu verleihen, aber mit der Treffsicherheit in den Koloraturen ist das augenblicklich noch wie beim Roulette und Dallapozzas Tamino trägt die ganze Problematik des Mozart-Tenors im Kehlkopf: Die Stimme wird in der Höhe eng, sie wirkt rasch überfordert, und ist nicht nuancenreich genug. Schade, denn er ist so sympathisch, daß man Pamina gut verstehen kann. Diese Pamina ist Edith Mathis, eine zauberhafte Erscheinung mit einer der schönsten, reinsten Stimmen, die derzeit auf internationalen Bühnen erklingen und sie besteht mit ihrem Tamino nicht nur die Feuer- und Wasserprobe, sondern auch die damit verbundene „Laserprobe“ glänzend. Sarastro wird von Franz Crass mit außerordentlichem Klangvolumen ausgestattet, kein Wunder, wenn man einen Dietrich Fischer-Dieskau als Sprecher hat, dessen Artikulation immer wieder begeistert. Der Papageno aller Papagenos ist nach wie vor Hermann Frey, stimmlich wie schauspielerisch gleichermaßen faszinierend. Bleiben Moni-que Lobasa als Papagena und Gerhard Unger als Monostatos, die sich gut behaupten können, sowie Friedrich Lenz, Max Proebstl, Horst Hoffmann und Karl Christian Kohn (die von Wolfgang Baumgart einstudierten Chöre nicht zu vergessen!). Trotz mancher ungelöster Details im Szenischen hinterließ diese erste Münchner Festspielpremiere 1970, zu der Gäste und Pressevertreter aus dem In- und Ausland geströmt waren, einen starken Gesamteindruck. Die wenigen Buhrufer befanden sich auf verlorenem Posten, der Beifall steigerte sich zu endlosen Ovationen.

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