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Frühling im Künstlerhaus

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Der Streit der Kunstrichtungen, der jetzt in Wien entbrannt ist, wäre so unersprießlich nicht, würde er nur in dievalereskerem Tone geführt werden denn er wird die verschiedenen Künstlervereinigungen und Ausstellungsverbände zu vermehrten und verbesserten Leistungen und ihre Juroren hoffentlich zur Strenge zwingen. Bessere Ausstellungen mögen also unter Umständen die erfreulichen Folgen eines anfänglich wenig erfreulichen Kunststreites sein.

Die Frühjahrsausstellung des Künstler-hauses ist lockerer und lebendiger, als sie es vor einem Jahr vrar, ihre Neigung, der gemäßigten Moderne gewisse Rechte einzuräumen, ist unverkennbar; auch hat man diesmal darauf geachtet, den Anschein der Gleichförmigkeit zu vermeiden, dafür gesorgt, daß gute Bilder an gute Plätze kamen und den Anteil des gerade noch Ausstellbaren sehr vermindert. Groß ist er immer noch. Aber es sind Bilder da — und nicht einmal sehr wenige —, die aus dem Rahmen des Konventionellen frisch und fröhlich heraustreten: die Gouachen Herbert P a ß', denen man nur etwas Konzentriertheit wünschen möchte, die beiden Landschaften von Siegfried Fischer, in denen Leidenschaft und Beherrschtheit sich kraftvoll durchdringen; der geheimnisvolldüstere „Bahnübergang“ gehört zum Besten der Ausstellung. Erich Miller-Hauenfels zeigt reizvolle Landschaften und ein nobles Damenbildnis, Max Frey schöne, helle Aquarelle.Der Halbakt Paul Mei ß ne r s läßt das bedeutende Können dieses Malers von seiner besten Seite sehen; sein männliches Porträt hingegen ist zwar kräftig, doch ein wenig theatralisch. Wilhelm Kaufmann hat sicherlich malerisches Temperament, aber man wird den Eindruck nicht los, als verschwende er es, statt es in einem Punkte zu sammeln; gleichwohl sind die Fortschritte, die er macht, nicht zu übersehen. Zu erwähnen sind die Landschaften Emil Beischlägers, Wolfgang Schönthars und der „Blick auf Floridsdorf“ von Heinrich Krause. Unter den Plastiken fallen die „Phryne“ Ferdinand Opitz' und ein Mädchentorso aus der Hand Josef Riedls besonders auf.

Den ganzen ersten Stock des Künstlerhauses nimmt die „Gedächtnisausstellung für Walther G a m e r i t h“, einen im Vorjahr verstorbenen Künstler, ein, Sie bereitet dem Besucher Uber-raschungen: er betritt zunächst zwei Räume, in denen Photos aus dem Nachlaß Gameriths hängen, große und sehr ruhige Naturstudien, die auf fast abstrakte Art organische Formen und Bewegungen festhalten, Linien, die von Wellen auf einen Strand, von einem Spinnennetz zwischen Zweige oder vom Frost auf beschlagene Fenster gezeichet wurden — man könnte diese Lichtbildkollektion fast einen Katalog von Naturformen zum Gebrauch für moderne Maler nennen. Dann kommen Bilder, die bisweilen zart und atmosphärisch, öfter aber im doppelten Sinne des Wortes farblos sind — aber schließlich steht der Besucher vor Gameriths Zeichnungen, Und vor welchen Zeichnungen! Heftige und tief erregte Skizzen erschütternder innerer Gesichte, in hartem Duktus und zerbrechenden Bögen hingeschrieben — nicht expressionistisch, aber in höchstem Maße ausdrucksvoll. Hier ist zu erkennen, was für ein Künstler in Walther Ga-merith zu früh gestorben ist. Daß er gleichsam erst jetzt als großer Graphiker entdeckt werden kann, ist traurig, wenn auch In der Chronik der österreichischen Malerei leider nichts Außergewöhnliches.

Die Bibliothek der Akademie am SchM-lerplatz verschafft dem Ausstellungsbesucher mU einer kleinen Kollektion von Aquarellen Thomas Enders (1793—1875) viel Vergnügen und Einblick in ein fast anekdotenhaftes Kapitel der Kultur- und Kunstgeschichte des vergangenen Jahrhunderts: Thomas Ender war zwischen 1817 und 1818, in jungen Jahren also noch, der Begleiter einer naturwissenschaftlichen Expedition, die ihrerseits der Bahersogin. Uopoldin auf ihrer Brautfahrt zu dem späteren Kaiser von Brasilien Dom Pedro als Gefolge beigegeben wurde. Im Laufe dieses biedermeierlichen Abenteuers, in dem sich Politik und Romantik, naturwissenschaftlicher Forschungsdrang und Kunst wunderlich mischten, malte der unermüdliche Ender fast 800 Aquarelle, in denen er seine Reiseeindrücke festhielt, vor allem aber eine genaue Schilderung des neuen Landes lieferte, in welches die Tochter Franz' I. so unvermittelt versetzt wurde. Allein die Geschichte ihrer Entstehung würde diese Aquarellblätter interessant machen; sie besitzen aber außerdem in ihrer Mehrzahl noch be trächtlichen künstlerischen Wert, sie sind frisch, oft von einer bewunderungswürdig feinen Farbigkeit. Von den besten unter ihnen darf man ohne Übertreibung behaupten, daß sie nahe an die Blätter Rudolfs v. Alt heranreichen.

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