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Fu-Sdienfu — Chinese aus Tirol

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Dreimal hat das Christentum der katholischen Kirche in China begonnen. Dreimal wurde es zerschlagen. 1368 brachen die mehr als 100 Jahre lang vorgetragenen heroischen Mis-sionierungsversuche der Franziskaner und Dominikaner unter den Schlägen der nationalen Ming-Dynastie zusammen. 1582 begannen Missionäre, wie Ricci, Schall, Verbiest, bis zu dem Wiener Gottfried von Laimbeckhoven, in kluger Anpassung das chinesische Volk für die Religion aus dem großen Westen zu gewinnen. Methodische Streitfragen unter den Missionären der verschiedenen Orden, Intoleranz chinesischer Intelligenz, religiöser Zerfall in Europa, machten das chinesische Missionsfeld Ende des 18. Jahrhunderts zu einem Trümmerfeld. Langsam gelang der Wiederaufbau, wegen der hemmenden Ritengesetze aber fast nur unter der Landbevölkerung. Erst gegen Ende dieser dritten Epoche und nur langsam wurde die Intelligenz stärker erfaßt. Durch Schaffung eines einheimischen Episkopats, Ausbau des Schulwesens, Hebung der Bildung chinesischer Priester, Formierung einer echten Laienelite war die Mission dabei, sich im chinesischen Volkskörper zu verwurzeln. Da traf sie der tödliche Schlag des Kommunismus, der seit 1949 nichts unversucht läßt, die letzten Wurzeln des Christentums aus den 3,25 Millionen Katholiken auszurotten. Drei Anfänge, drei Niederlagen. Bedenkt man die ungeheure Strahlungskraft eines Konfuzius, Laotse und Buddha von China aus nach Japan, Korea, Ozeanien, Hinterindien und in den Raum nördlich der chinesischen Mauer; sieht man, daß das 700-Mil-lionen-Volk der Chinesen zum „entseeltesten Roboterstaat der Welt geworden“ ist (Arthur Köstler — Von Heiligen und Automaten, Scherz-Verlag, 196i, Seite 349), dann versteht man die- letzten geschichtstheolßgi-sehefti' HintereVfrnde diesrt'ir.ainf ensi ufid iidteses-l^Niedlerlagen; :BensrD}tßtai bruch des Christentums in China wäre ein Sieg in ganz Ostasien, wäre Sicherung des Christentums der 2000 Jahre alten christlichen Kultur des Westens, wäre Verschmelzung dieses Christentums mit den besten Werten des Ostens zu fruchtbarer Synthese.

Darf man in solche Dimensionen die schlichte Gestalt des Chinamissionärs P. Josef Freinademetz SVD, des Bauernsohnes aus Badia, Südtirol, projizieren? Ist es nicht Größenwahn, solches auch nur zu versuchen? Ohne nur im geringsten bestrebt sein zu wollen, diesen Missionär des ausgehenden 19. Jahrhunderts in die Linie der Großen der Chinamission des 17. und 18. Jahrhunderts hineinzustellen, möchte ein solcher Versuch aber doch nicht unnütz erscheinen, findet man doch in dieser missionärischen Persönlichkeit jene Züge in Reinkultur, die das Bild des heutigen Missionärs ganz allgemein gültig und glaubwürdig machen.

Die Lebensdaten: geboren am 15. April 1852; Priesterweihe 25. Juli

1875 durch Fürstbischof Vinzenz Gasser in Brixen; Kaplan in St. Martin-Gadertal; bischöfliche Erlaubnis zum Eintritt in das neugegründete erste Missionshaus der Gesellschaft des Göttlichen Wortes zu Steyl, Holland, am 4. August 1878; Entsendung in die Chinamission am 2. März 1879; Übernahme der Süd-Schantung-Mission durch Steyler Missionäre im Jänner 1882; Provinzial der Steyler Missionäre in Süd-Schantung, 1900; Tod am 28. Jänner 1908. Freinademetz hat Europa nie wiedergesehen. Er verließ China nur zu einem kurzen, dreiwöchigen Erholungsaufenthalt in Japan.

Freinademetz schrieb in späteren Jahren einmal: „Der Mensch ist ein Kind seiner Umgebung.“ Das gilt sichtbar von ihm selbst. Die natürliche Umwelt seiner Kindheit, die friedliche Landschaft, die schlichten Wohnverhältnisse, die kräftige Bauernkost prägten den Beginn dieses hingegebenen Lebens. Die Religion, und damit die von Gott erhaltene Verantwortung für andere, für alle, durchwebte die Tage der Kindheit und Jugend. Der Vater vererbte ihm Kraft und Zähigkeit, die Mutter Güte und Liebe. Hochstehende Männer formten den Geist des begabten Sohnes der Berge. Sein Sprachtalent, sein zäher Fleiß ließen ihn stets unter den Besten der Klasse sein. Der Forscher und Missionsfreund Dr. Johannes Mitterrutz-ner regte seine Liebe zu den Missionen ohne Bruch, ein tragfähiges Fundament für schweren Missionseinsatz. In seinen theologischen Studien war er immer „Erste Klasse mit Vorzug“. Tiefe Frömmigkeit und gründliche Wissenschaft trugen sein missionärisches Priestertum. Schon in der Studienzeit rühmte man an ihm den Zug zur Milde und Nachsicht, edles Menschentum, Vielseitigkeit und Weitblick der Bildung. Missionsberufe werden nicht auf Enttäuschungen aufgebaut, nicht auf Versagen, nicht auf dem gefährlichen Gedankenspiel: „Für den Urwald reichte es noch.“ Nur die Besten können Missionäre werden. Frcjnsdemetz entwickelte sich eeradan. Seine Jugend war ein Wachsen linig hin zu seinem Missionseinsatz. Daher konnte der liebende Sohn seinen Eltern in fast harter Konsequenz schreiben: „Wenn Ihr mir die Erlaubnis, in die Heidenmission zu gehen, gebt, so bin ich sehr zufrieden. Andernfalls aber müßte ich trotzdem gehen, auch wenn ich wüßte, daß ich nur eine einzige Seele retten könnte.“ Diese Folgerichtigkeit des gemütvollen Berglers stand nicht im Gegensatz zu der nüchternen, aber unbeugsamen, zielstrebigen Art des Niederrheiners Arnold Janssen, des Gründers des Steyler Missionswerkes. Als beide vor der „Leuchte des Vatikanischen Konzils“, Fürstbischof Vinzenz G a s s e r von Brixen, erschienen, um den Missionseinsatz des Kaplans Freinademetz zu erbitten, sprach der Bischof Worte, die eines katholischen Bischofs einzig würdig sind, Worte, die angesichts der Not der nichtchristlichen Welt, angesichts des Zweiten Vatikanischen Konzils wie ein Programm anmuten: „Der B r i x e n e r Bischof sagt nein, aber der katholische Bischof sagt j a. Nehmen Sie meinen Sohn Freinademetz und machen Sie einen tüchtigen Missionär aus ihm! Ja, ich gebe Ihnen denselben, aber damit gebe ich Ihnen die Perle meiner Diözese.“

Es berührt so sympathisch, wenn der junge Freinademetz kurz vor der Abreise nach China schreibt: „Man vergesse nicht, daß auch der Missionär ist wie ein anderer Mensch, daß er in der Brust ein fühlendes Herz trägt, das menschlich denkt und menschlich fühlt...“ So in jeder Hinsicht glänzend vorbereitet, konnte er in China allen alles werden. Die Gelehrten neideten ihm die Beherrschung der Sprache: „Er spricht ja unsere Sprache besser als wir selbst.“ Im Äußeren glich er, mit Chinesenbart, Schnurrbart, Zopf und völlig chinesischer. Kleidung, ganz jenen, unter denen er wirkte. Mit ihm auf Missionsreisen zu gehen war nicht leicht, denn er war absolut anspruchslos, begnügte sich mit dem, was die Chinesen ihm boten.

Und es waren die ärmsten Schichten der Bevölkerung, unter denen man arbeiten konnte, und das in einem Land, in dem ohnedies die Bevölkerung nicht reich war. Zu Anfang sah er als Wandermissionär oft monatelang keinen Mitbruder, zog von Dorf zu Dorf, war zufrieden mit der Unterkunft in den kleinen, stickigen, von Ungeziefer starrenden Lehmhäusern kleiner chinesischer Bauern. Sein missionarisches Leben war ein fast ständiger Wechsel. Zahllos sind die Gemeinden, die ihm ihren Ursprung verdanken. Kaum war eine Gründung so weit, daß ein anderer sie weiterführen konnte, zog Freinademetz in eine neue Gemeinde. Er säte, ohne die Früchte zu ernten. Wo er eingesetzt wurde, leistete er ganze Arbeit. Zeitweise oblag ihm die Leitung der Ka-techistenschule, in der jene unentbehrlichen Helfer des Missionärs herangebildet wurden, von denen Pius XII. einmal sagt: „Ein Missionär mit sechs Katechisten leistet mehr als sieben Missionäre.“ Schon sehr früh hatte der erste Missionsbischof von Süd-Schantung, Johann Baptist von Anzer SVD, ein kleines Priesterseminar gegründet — 1884. Den letzten Schliff der ersten chinesischen Diakone vor der Priesterweihe leistete Pater Freinademetz, der so tief mit der Seele dieses Volkes verbunden war. Er schrieb für die Seminaristen eine feine, tief fromme Meßerklärung und eine Erklärung des Breviers. Er selbst ging mit ihnen nach ihrer Priesterweihe hinaus auf das Missionsfeld, um sie in die Arbeit einzuführen, und war ihnen ein guter Vater in ihrem harten Einsatz. Kein Wunder, wenn eine solche Persönlichkeit Widerspruch erfuhr. Nicht von Christen oder von Missionären. Von diesen wurde er die „Mutter der Mission“ genannt. Aber mehrere Male entging er nur mit knapper Not der Wut aufgehetzter heidnischer Scharen. Die Boxerwirren sahen ihn mutig inmitten seiner Herde am. Ursprugsort der Mission.

Als sagte et: „Wenn ich n^hffliflJfcvHÖg weiden ' könnte und nochmals--.einen Beruf zu wählen hätte, würde ich sofort, ohne zu zögern, wieder Missionär von Süd-Schantung werden.“ „Für zwei Gnaden kann ich Gott nie genug danken: Für die Gnade des Priesterberufes und für die Gnade des Missionsberufes.“ In seinem praktischen Missionärsleben lebte er den Grundsatz echter Anpassung, ein Grundsatz, der den heutigen Missionär prägen muß: „Die Heiden werden nur durch die Gnade Gottes und, fügen wir hinzu, durch unsere Liebe bekehrt. Die Sprache der Liebe ist die einzige Fremdsprache, welche die Heiden beherrschen.“

Wie standen jene zu ihm, denen er sein Leben schenkte? Kardinal Thomas Tien, den er als zehnjährigen Buben in die Kirche aufnahm und dann auf den Weg zum Priestertum führte, sagte von ihm: „Es ist, als ob andere Missionäre einzelne missionärische Qualitäten selbst in heroischem Maß besaßen und einsetzten in ihre Aufgabe. Aber Pater Freinademetz hatte sie alle und vollkommen. Bei aller persönlichen Schlichtheit: ein vollkommener Mensch. „Wir Chinesen verglichen ihn gerne mit unserem alten weisen Konfuzius.“

Chinesische Christen waren es, die bald nach seinem Tod die tiefe Verehrung für Pater Freinademetz nicht still für sich behalten wollten, sondern darauf drängten, in Rom vorzusprechen, den Diener Gottes in das Verzeichnis der Heiligen aufnehmen zu können. Der Prozeß für die Seligsprechung ist gut vorangekommen. Ohne das Geschehen überschätzen zu wollen, darf erwähnt werden, daß beim öffentlichen Konsistorium vom 22. März dieses Jahres in St. Peter zu Rom der Generalpromotor der Ritenkongregation dem Heiligen Vater in feierlicher Form die Bitte vorgetragen hat, den Seligsprechungsprozeß des Paters Freinademetz und des berühmten Paters Damian de Veuster, des Apostels der Aussätzigen auf Molokai, zu Ende führen zu wollen. Möchte die große missionärische Persönlichkeit des Südtirolers Freinademetz der Kirche bald als Seliger geschenkt werden. Sie wird gerade in ihrer schlichten dienenden Art unserer Zeit Wesentliches zu sagen haben.

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