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Adolf Hölzel: Im Wiener Leopold Museum ist ein zu Unrecht vergessener Pionier der modernen Malerei zu entdecken.

Würde man eine Umfrage starten, wer denn maßgeblich an der Entwicklung der ungegenständlichen Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts beteiligt gewesen ist, so würde gewiss der überwiegende Teil der Antwortenden dabei Wassily Kandinsky anführen. In der Tat hat dieser es geschafft, seinen Namen zu einer Marke zu machen, die untrennbar mit dieser revolutionären Kunstauffassung verbunden ist. Tatsächlich war aber noch ein anderer in ganz entscheidendem Ausmaß an diesem Übergang vom durch die Dominanz der Zeichnung eben festumrissenen Gegenstand zu einer von der Farbe herkommenden, gegenstandsauflösenden Malerei beteiligt: Adolf Hölzel, ein weitgehend Unbekannter, obwohl seine Komposition in Rot aus dem Jahr 1905 als so etwas wie der Vorläufer der Versuche von Kandinsky gelten kann und obwohl er als Lehrer und in theoretischen Schriften über den Umgang mit dem Pinsel hinaus klärend gewirkt hat.

Der Name Hölzel verbindet sich hierzulande vor allem mit jenen Atlanten, in denen viele während ihrer Schulzeit versucht haben, sich auf dieser Welt zurecht zu finden. Adolf Hölzel, 1853 im mährischen Olmütz geboren, entstammt dieser Verlegerfamilie, seine Orientierungshilfen, um sich einen Weg durch die Welt zu bahnen, schenkte er uns allerdings in seiner Malerei. Dabei sah es zunächst gar nicht danach aus, denn er absolvierte zunächst eine Schriftsetzerlehre in Gotha, wohl um in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Nach der Übersiedlung der Familie nach Wien studierte Hölzel dann aber zunächst an der hiesigen Akademie der bildenden Künste Malerei, später an jener in München. Nach dem Abschluss 1882 konnte er, dank der väterlichen finanziellen Unterstützung, als freier Maler in München leben.

Wien, München, Paris

Die Kunst von Hölzel praktiziert mehrere Stile. Eine Studienreise nach Paris begeistert ihn für die Impressionisten, seine Malweise ändert sich, zudem übersiedelt er nach Dachau, dort entsteht, ähnlich dem französischen Vorbild von Barbizon, eine Malerkolonie. Sehr bald entfernt er sich in seinen Dachauer Landschaften von der impressionistischen Verflüchtigung ins Atmosphärische, er fasst seine Eindrücke in flächige, in Form und Farbe kompakte Gebilde zusammen. Vielfache Liniengeflechte, wie sie sich aus dem bevorzugten Motiv des Waldes ergeben, verbinden ihn mit zwei durchaus disparaten Strömungen. Einmal mit dem Jugendstil, deren Vertreter Hölzel aus seiner Wiener Zeit kannte und mit denen er durch Ausstellungen in der Wiener Galerie Miethke und in der Secession freundschaftlichen Umgang pflegt. Daneben gibt es aber auch eine Affinität zu den französischen "Nabis", den "Propheten", wie sie sich selbst bezeichnet haben. Hölzel trifft 1907 mit Paul Sérusier, einem von deren Hauptvertreter, zusammen, die ab diesem Zeitpunkt immer wieder auftauchenden religiösen Themen unterstreichen diese Verbindungslinie.

Aus der flächigen Bildauffassung dieser beiden künstlerischen Vorgangsweisen entwickelt Hölzel dann sein erstes "abstraktes" Bild, die Komposition in Rot I, auf dem Farbe und Form gleichwertig behandelt werden. Hölzel schreibt über seine neuen malerischen Absichten: "Wie ich sonst den Gegenstand aus der Linie oder Form entwickeln lassen werde, so sind es nun nicht mehr Gegenstandsformen, sondern eine Grundfarbe als durchgehende und gut silhouettierende Masse.

Über diese Farbformen und in harmonischen Zusammenhang mit ihnen entwickelt sich dann gewissermaßen unbekümmert um die Farbformen die Form des notwendigen Gegenständlichen, das einer durch die Grundfarbflecke gegebenen Phantasieanregung entspringt, also nicht von vornherein gedacht ist, sondern aus dem Vorhandenen wird." In der Folge lösen sich in vielen seiner Arbeiten die "natürlichen" Silhouetten auf, Farbflächen können an für das Auge zunächst ungewöhnlichen Stellen enden oder beginnen. Der Künstler kopiert nicht, sondern er interpretiert die Natur und nimmt die Anstrengungen der betrachtenden Augen mit auf diesen Weg.

Anstrengung der Augen

Mit diesem Schritt treten die Arbeiten von Adolf Hölzel in einen sehr grundsätzlichen Disput über die Beziehung des Menschen zur Welt ein. Er analysiert die Grundlagen der visuellen Wahrnehmung, die Leuchtkraft der Farben etwa erzeugt - jenseits jeder thematischen Festlegung - bereits eine spezifische Stimmung, mit der man auf die Welt zuget. Das knallige Rot eines Rosenstrauches betrifft viele Betrachter auf angenehme Weise, nicht weil damit ein Begriff verbunden ist oder gar eine symbolische Verbindung zu unseren Vorstellungen von Liebe gegeben wäre; die Betroffenheit ergibt sich unmittelbar aus der Farbwirkung - nicht zuletzt aufgrund der Komplementärfarbwirkung der roten Blüten zum Grün der Stängel und Blätter -, alles andere kommt erst später hinzu.

Die Schau im Leopold Museum präsentiert einen wichtigen Ahnherrn der spezifischen Weltsicht des 20. Jahrhunderts, der zu Unrecht fast vergessen ist. Dass man dabei dessen malerischen Werdegang nachvollziehen kann und durch dazwischen gehängte Arbeiten einiger wichtiger Weggefährten einen umfassenderen Eindruck gewinnt, macht einen Rundgang nur noch wertvoller.

Adolf Hölzel

Pionier der Abstraktion

Leopold Museum

Museumsplatz 1, 1070 Wien

Bis 27. 8. tägl. 10-18, Do 10-21 Uhr

www.leopoldmuseum.org

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