Gefährliche Erinnerung

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Das Wiener Dom- und Diözesanmuseum zeigt Wesentliches aus der Sammlung Otto Mauer.

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Das Wiener Dom- und Diözesanmuseum zeigt Wesentliches aus der Sammlung Otto Mauer.

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Ist es denn eigentlich selbstverständlich, daß Kirche und Kunst in einem guten Verhältnis zueinander stehen? Daß die Kirche der Kunst bedarf, daß sie die Kunst benützt und sie fördert, und daß die Kunst in der Kirche eine Heimat hat?" Die hier gestellte Frage scheint brennend aktuell zu sein. Dennoch: Sie wurde in dieser Formulierung bereits 1966 gestellt - von Otto Mauer bei einem Vortrag in Graz. Die Entwicklung des Verhältnisses von Kirche und Kunst seit damals macht obige Frage aufs neue wichtig.

Daß das Wiener Dom- und Diözesanmuseum im Herbst 1999 des Priester-Intellektuellen und Brückenbauers zur Kunst, Otto Mauer (1907-73), gedenkt, ist im Lichte dieses Kontextes schon längst notwendig. Msgr. Otto Mauers Sammlung ging nach seinem plötzlichen Tod zunächst auf seinen Weggefährten, Prälat Karl Strobl (1908-84), den Gründer der Katholischen Hochschulgemeinde und Mentor von "Geist & Form" (so hieß die bis Ende der achtziger Jahre alle drei Jahre veranstaltete, relevanteste Schau junger bildender Kunst in Österreich) über. Etwa 3.000 Blätter mit Werken der österreichischen klassischen Moderne und Avantgarde der fünfziger und sechziger Jahre hatte Otto Mauer zusammengetragen oder als Geschenk von Künstlerfreunden erhalten.

Nach jahrelangem Tauziehen übergab Karl Strobl 1980 die Sammlung Otto Mauer der Erzdiözese Wien, die im Gegenzug den "Otto Mauer-Fonds" zur Förderung von künstlerischen und wissenschaftlichen Projekten einrichtete. Aus dem Fonds wird auch der renommierte "Otto Mauer-Preis für bildende Kunst" dotiert, der heuer zum 19. Mal verliehen wird. Die Sammlung Otto Mauer ist hingegen unzugänglich und schlummert in den Depots. Das Wiener Dom- und Diözesanmuseum stellt jetzt mit der Ausstellung "Reflexionen" eine essentielle Auswahl dieser Sammlung vor.

Schwerpunkt bilden dabei Arbeiten von Werner Hollegha, Josef Mikl, Markus Prachensky und Arnulf Rainer: Diese waren in den vierziger und fünfziger Jahren die Kerngruppe rund um die "Galerie (nächst) St. Stephan", die Otto Mauer zum Brückenkopf zwischen der damaligen Avantgarde und der Kirche gemacht hatte.

Daneben zeigt die Wiener Schau auch Werke anderer Künstlerfreunde Otto Mauers wie Kiki Kogelnik, Maria Lassnig oder Oswald Oberhuber. Zur Ausstellung liegt auch ein Katalogband vor, in dem Beiträge von Erika Weinzierl bis Günther Nenning und anderer namhafter Freunde Mauers zusammengestellt sind sowie Otto Mauers grundlegender Essay "Theologie der Bildenden Kunst".

Die Ausstellung "Reflexionen" stellt aber auch eine gefährliche Erinnerung dar - und zwar deshalb, weil durch sie sichtbar wird, wie weit der Dialog zwischen Kirche(n) und Kunst schon einmal war (ein drastischer Kontrapunkt dazu: siehe Seite 17 dieser Furche).

"Was sind die Gründe dafür, daß eine Entfremdung eingetreten ist zwischen Kirche und Kunst?" Auch diese Frage stellt Otto Mauer 1966 in oben zitiertem Vortrag: "Die Gründe sind eine Weltfremdheit und Weltentfremdung und eine historische Rückständigkeit der Kirche, die sich bis auf den heutigen Tag hingezogen hat ... Wenn man von der Welt kaum mehr etwas weiß und hinter der Welt nicht einmal mehr herhinkt, sondern sich mit Entrüstung von der Welt absetzt, wie soll es da geschehen, daß man mit der zeitgenössischen Kunst in Kontakt ist und mit ihr eine Art Liebesverhältnis eingeht?"

Mit derartig harscher Diagnose hat sich die katholische Kirche 36 Jahre nach Otto Mauers Tod immer noch auseinanderzusetzen.

Bis 20. November.

Erzbischöfliches Dom- und Diözesanmuseum, 1010 Wien, Stephansplatz 6Tel. (01)51552-3689,

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