"Gegenpol zur Geschäftigkeit der Welt"

Werbung
Werbung
Werbung

Das Essl Museum gilt als eine der ersten Adressen des Landes für zeitgenössische Kunst. Im Furche-Interview spricht Gründer Karlheinz Essl über die gegenwärtige Schau "Baselitz bis Lassnig", den kulturellen Auftrag des Sammlers und die existenzielle Dimension von Kunst sowie ihr gesellschaftskritisches Potenzial.

Die Furche: Sie zeigen derzeit unter anderem eine Ausstellung mit sieben Positionen der Malerei. Ist dies eine Art Herzstück der Sammlung?

Karlheinz Essl: Die Malerei hat einen bedeutenden Stellenwert in unserer Sammlung, das war von jeher so. Seit das Museum 1999 errichtet wurde, haben wir mehr Möglichkeiten, was die Lagerung von Skulpturen und Installationen betrifft. Es wurde im Laufe der Zeit eine Sammlung zusammengetragen, die praktisch alle Medien beinhaltet. Der Schwerpunkt ist aber nach wie vor die Malerei, das ist gar keine Frage. Diese sieben Positionen sind meiner Ansicht nach auch die wichtigsten in Europa: Markus Lüpertz, Anselm Kiefer, Georg Baselitz, Sigmar Polke und Gerhard Richter, das sind heute die Schwergewichte, die auch viele nachfolgende Generationen beeinflusst haben. Dazu noch zwei Positionen aus Österreich. Da finde ich es besonders schön, dass man die Österreicher nicht nur immer "unter sich" zeigt, sondern in einem hochkarätigen internationalen Kontext. Da geht es ja darum zu kämpfen, zu schauen: wie kann ich heute in so einem Umfeld bestehen?

Die Furche: Sind Maria Lassnig und Arnulf Rainer Ihre beiden österreichischen Schwergewichte, die von der Qualität her zu Europa aufschließen können? Oder gibt es hier noch andere?

Essl: Ich glaube schon, dass die beiden die stärksten in Österreich sind, was die Malerei betrifft. Hermann Nitsch muss man da ein bisschen "außen vor" lassen, bei ihm geht es ja um mehr als um die Malerei, der kommt aus dem Theater heraus und aus der Aktionskunst. Auch Günter Brus. Die beiden würde ich auf jeden Fall auch in die Listung hineinnehmen, wenn man heute von malerischen Tendenzen spricht. Aber ich finde, Arnulf Rainer und Maria Lassnig sind heute international die bedeutendsten - und die wollte ich in diesen Kontext stellen.

Die Furche: Die Sammlung und die Entdeckung der ganz Jungen: trägt das alles Ihre ganz persönliche Handschrift - oder wie groß ist das Team der Entdecker?

Essl: Es gibt ein großes Team, wir haben zehn Kunsthistoriker beschäftigt, davon vier Kuratoren. Die Künstler kommen herein, die Auswahl treffen wir dann gemeinsam. Und wenn die Künstler im Museum sind, dann treffe ich im wesentlichen die Entscheidung, was angekauft wird. Das Museum ist wirklich ein Kompetenzzentrum geworden. Wir verschicken unsere Kataloge in rund 420 Kunstinstitutionen weltweit und bekommen sie auch von diesen. Viele Museumsdirektoren besuchen uns, wir besuchen sie.

Die Furche: Wann ist die Idee zu dem Museum entstanden?

Essl: Das Museum ist eigentlich fast durch Zufall entstanden. Wir wollten gar kein Museum bauen, wir wollten ein Depot bauen. Wir sind ja eine Sammlung, und eine Sammlung ist anders als eine Kunsthalle. Wir sind damals aus allen Nähten geplatzt, die Sammlung war in alle Richtungen verstreut. Das macht einem Sammler keine Freude. Dann haben wir hier in Klosterneuburg versucht, eine Baustelle zu finden.

Die Furche: Ihnen reicht es offenbar nicht, Kunstwerke bei sich zu haben, Sie wollen auch, dass andere dabei sind. Wie groß ist der Stellenwert der Kunstvermittlung?

Essl: Die Kunstvermittlung ist ein ganz wichtiger Teil. Ich meine, man hat ja mit diesen Werken, die man besitzt, auch eine kulturelle Verantwortung. Und es ist ja nicht so, dass man sich ein paar Bilder an die Wand hängt, und das ist es dann. Wenn man so viele Kunstschätze hat - das ist ja ein Kulturerbe -, dann will man das nicht nur verwalten, sondern auch präsentieren und der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die Furche: Worin liegt für Sie die Wertigkeit der Kunst? Warum soll man sich unbedingt zeitgenössische Kunstwerke intensiv anschauen?

Essl: Ich glaube, dass Kunst und Kultur ein wichtiger Bestandteil unserer menschlichen Existenz sind. Und wenn wir heute in so einer rationalen Welt leben, die eigentlich nur auf Erfolg aus ist, auf das Überleben, das Bestehen gegenüber der Konkurrenz im harten Wettstreit, dann ist es wichtig, dass man auch eine innere Verankerung hat. Geistig, spirituell, auch religiös, wenn Sie so wollen, etwas, das dem Menschen einen Tiefgang gibt. Daraus schöpft man Kraft: für das persönliche Leben, aber auch für die Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Und wenn es diese Balance zwischen dem Geistig-Spirituellen und dem, was uns den ganzen Tag über belastet und beschäftigt, nicht gibt, dann haben wir eine Schlagseite.

Die Furche: Geht es nur darum, dass die Kunst bloß die andere Seite des Lebens zeigt - oder gibt es in den Bildern eine Verbindungslinie, die tiefer ist?

Essl: Das ist einmal das eine: dass man sagt, man braucht einen Gegenpol zur Geschäftigkeit der Welt. Die Künstler sind ständig damit beschäftigt, jeder Künstler hat so sein eigenes Weltbild, an dem er arbeitet. Das kommt ja sehr deutlich aus seinen Arbeiten hervor. Das ist der eine Teil, der mit Religiosität noch nichts zu tun hat; das könnte man auch unter Spiritualität im weitesten Sinne subsumieren. Das andere ist aber schon auch der religiöse Aspekt, den man in den Bildern oft vordergründig nicht sieht. Ich möchte das nicht so profan sehen, dass ich sage: wir müssen jetzt nur mehr Kreuzbilder malen. Das ist es nicht. Das sind schon sehr verschlüsselte Dinge, die es zu entdecken gilt. Wir haben ja zwei Dinge gezeigt, die auch sehr kontroversiell aufgenommen worden sind: Bettina Rheims mit der INRI-Serie und Damien Hirst mit den Kreuzwegstationen. Ich finde, das war die beste Botschaft, die beste christliche Botschaft, die man sich vorstellen kann.

Die Furche: Ist da noch einmal eine Kritik von künstlerischer Seite an überkommenen religiösen Formen mitverpackt? Wenn es in der Ausstellung ein Triptychon mit Geweihen drauf zu sehen gibt, denkt man Altarbilder, denen nun Geweihe aufgesetzt sind …

Essl: Bei dieser Arbeit würde ich eher die Kritik an der Gesellschaft sehen. Wir biederen Leute - wir Bayern, wir Österreicher - haben alle einen Gamsbart am Hut, aber was haben diese braven, biederen Leute in der NS-Zeit gemacht? Wir sind die Guten, wir gehen am Sonntag in die Kirche - aber zu welchen Untaten sind wir fähig? Da erschließt sich die Kritik, die man herausinterpretieren kann.

Das Gespräch führten Hartwig Bischof und Cornelius Hell.

Heimwerker und Kunstsammler dazu

Karlheinz Essl wurde 1939 in Hermagor geboren, nach dem Besuch der Handelsschule vertiefte er sein kaufmännisches Wissen bei Aufenthalten in der BRD, der Schweiz und den USA. 1959 steigt er in den Baustoff- und Mineralölhandel des Schwiegervaters ein und entwickelt daraus ab 1975 die äußerst erfolgreiche Heimwerkerkette "bauMax", die an 125 Standorten über 7000 Mitarbeiter beschäftigt und im Vorjahr einen Bruttoumsatz von 1,2 Mrd. Euro erwirtschaftete. Seit der gemeinsamen Zeit in New York begeistert er sich gemeinsam mit seiner Frau Agnes für zeitgenössische Kunst, die die beiden auch zu sammeln beginnen. Bei der Errichtung der Firmenzentrale Schömer-Haus 1987 wird eine erste Ausstellungsfläche für die mittlerweile beträchtliche Sammlung mitbedacht, 1999 schließlich entsteht ein großzügiger Bau, der Wechselausstellungen und ein vielfältiges Vermittlungsprogamm erlaubt. - Bis 25. Mai ist dort in der Ausstellung "Baselitz bis Lassnig. Meisterhafte Bilder" ein hochkarätiger Querschnitt der neuen Erstarkung der Malerei gegenüber Konzeptkunst, Happenings und neuen Medien anhand von sieben Kunstschaffenden zu sehen, von denen die Sammlung Essl repräsentative Werke aus allen Schaffensperioden besitzt. H. B.

Essl Museum

3400 Klosterneuburg, An der Donau-Au 1

Di-So 10-18, Mi 10-21 Uhr

www.sammlung-essl.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung