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Geheimnis der Salzburger Katakomben

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Die an Schönheiten von Natur und Kunst überreiche Stadt Salzburg besitzt in ihrem weltberühmten Sankt- Peter-Friedhof einen Gottesacker, der wahrhaft einmalig in seinem stimmungsvollen Zauber ist. Die uralte Begräbnisstätte umfrieden seit dem Jahre 1627 Gruftarkaden, in denen viele um die Heimat hochverdiente Menschen der Auferstehung entgegenharren. Ihre Mitte beherrscht der prächtige Bau der spätgotischen Margarethenkapelle. Im Norden und Westen des Gräberfeldes türmen sich schützend die Mauern der prachtvollen Abteikirche auf, während es im Süden von den trutzigen Steilwänden des Mönchsberges umschlossen wird. In ihnen wurden in frühgeschichtlichen Tagen die sogenannten Katakomben des Petersfriedhofes angelegt, denen heute unser geschichtliches Besinnen gelten soll.

Von der Kommunegruft aus beginnt über eine aus dem Felsen geschlagene Stiege der Aufstieg zu den zwei großen Katakombenräumen der St.-Gertrau- den- und Maximus-Kapelle. Die etwa zehn Meter über dem Friedhofsniveau liegende St.-Gertrauden-Kapelle ist zum Großteil in die steile Nordwand des Mönchsberges eingearbeitet und nach außen hin durch eine Aufmauerung abgeschlossen. Die kleine Felsenkirche mit Glockentürmen reicht nach alter geschichtlicher Tradition in die Zeit der ersten Christen Juvavums zurück. Sie birgt heute nur noch einen Altar, der, wie auch die beiden Altäre der Maximuskapelle, im Jahre 1862’ eine Terrakottaverkleidung nach Entwürfen des Malers Pezolt erhielt. Vorbei an einem unvollendet gebliebenen Nischengrab, führt eine steile Stiege innerhalb des Berges in den höchstgelegenen Katakombenraum — die St.-Maximus-Kapelle. Diese Höhle, die an den Martertod des heiligen Maximus und seiner Gefährten erinnern soll, enthält vier halbrunde Altar- nischeru -und1 fWei Altären’’BefoSdete Beachtung Verdicht in dldsem ‘Sakräl- rathn eht’ Bogöngrab, ganz-ähttlich’ den. Arkosolien in den Katakomben Roms. Die am westlichen Eingang zum Petersfriedhof gelegene Kreuzkapelle, deren heutiger Bau aus dem Jahre 1614 stammt, bietet Zutritt zu zwei weiteren kleinen, grottenartigen Felshöhlen, die, wenn auch nur wenig bekannt, doch zu den Katakombenräumen zählen. Es sind dies das sogenannte Rupertihöhlein — der angebliche Gebetsraum des heiligen Rupertus — und die vom Chor aus über eine schmale Stiege erreichbare Ägydiuskapelle, die im Jahre 1172 geweiht wurde und nach alter Überlieferung dem heiligen Rupert vorerst als Wohnung diente. Diese vier Katakombenräume wurden im Laufe der vergangenen Jahrhunderte wiederholt einer Restaurierung unterzogen. Derzeit erfährt der geschichtlich hochinteressante kleine Kirchenraum der Kreuzkapelle eine umfassende glückliche Renovierung. Es ergibt sich nun die Frage: Aus welcher Zeit stammen diese Felsenräume und zu welchem Zweck dienten sie? Darüber haben sich im Laufe der Zeit Experten die Köpfe zerbrochen, und es wurden die verschiedensten Hypothesen aufgestellt. Vorerst steht fest, daß die Höhlen sicher bereits natürliche Erosionsgebilde waren, ehe sie von den Menschen zu den Räumen künstlich ausgestaltet wurden, die wir jetzt vorfinden.

Wer war St. Maximus?

Die Tradition der sogenannten Maximuslegende ist anscheinend auf Salzburger Humanisten zurückzuführen und reicht nicht über das 15. Jahrhundert hinaus. Eine Inschrifttafel in der Maximuskapelle aus dem Beginn des’ f6’ Jahrhunderts hat die Legende in Stein gemeißelt festgehalten. Sie besagt, daß im Jahre 477 n. Chr. unter König Odoaker verschiedene Völkerschaften, die gegen die Kirche Gottes wüteten, den heiligen Maximus samt seinen 50 Genossen, die sich in dieser Höhle versteckt hielten, wegen Bekenntnis des Glaubens getötet haben. Die historische Quelle dieser Begebenheit bietet die von Abt Eugippius im Jahre 511 verfaßte Lebensbeschreibung des heiligen Severins, dieser überragenden, lichtvollen Apostelgestalt aus der Völkerwanderungszeit. Im Kapitel 24 dieser „Vita Severini“ wird erzählt, Severin hätte wiederholt Boten von Passau in das mehr als 20 Meilen entfernt liegende Joviacum gesandt, um die Bewohner und den Priester Maximianus vor einem Überfall durch die Heruler zu warnen. Maximianus hätte jedoch die gutgemeinte Aufforderung Severins, sich in Sicherheit zu bringen, nicht beachtet und sei deshalb von den barbarischen Horden getötet worden. Nun wurde aber das Joviacum in vielen Handschriften der „Vita“ in Juvaco beziehungsweise Juvao und das Maximianus in Maximus verschrieben. Daraus entstand die Legende, daß der heilige Maximus mit seinen Gefährten bei der Zerstörung Juvavums durch die Heruler im Jahre 477 den Tod gefunden habe, wobei auch die Katakomben am Mönchsberg mit dieser verschriebenen Stelle der „Vita Severini“ in Verbindung gebracht wurden und die Legende also zu berichten weiß, daß Maximus mit seinen Getreuen von den hochgelegenen Katakombenräumen heruntergestürzt worden sei. Der bekannte österreichische Gelehrte Doktor Rudolf Noll, dem wir unter anderem einen eingehenden Kommentar der „Vita Severini“ und das beachtliche Werk „Frühes Christentum in Österreich“ verdanken, verwirft nun diese Salzburger Maximuslegende als geschichtlich völlig unhaltbar. Joviacum sei eben nicht mit Juvavum identisch, sondern ein Ort, der zwischen Engelhartszell und Aschach an der Donau gelegen war — vermutlich das heutige Schlögen —, wo im Jahre 1957 tatsächlich ein römisches Kastell mit Zivilsiedlung ergraben wurde. Übrigens stimme, wie Dr. Noll betont, wohl die mit 20 Meilen angegebene Entfernung für Passau (Batavis)—Joviacum, aber nicht für die Entfernung Passau—Juvavum. Wenn man nun auch mit Noll die Maximuslegende für Salzburg als unhistorisch verwirft, so bleibt doch die Frage offen: Was waren diese unterirdischen Höhlen dann, wenn sie nicht dem heiligen Maximus und seinen Gefährten als Gebetsräume dienten? Können sie etwa für die ersten Christen Juvavums Katakomben gewesen sein? Diese Annahme schließt auch Dr. Noll nicht aus, und auch sonst fast keiner der »Experten. Der berühmte Katakomben- forscher Roms, Johann Baptist De Rossi, besichtigte mit Kardinal von Reisach die Salzburger Katakomben. Der maßgebliche Experte erklärte, daß beide Kapellen sicherlich altchristlichen Charakter tragen und mit Beginn des 3. Jahrhunderts, wenn nicht schon am Ende des 2. Jahrhunderts, entstanden sind. Es ist also durchaus möglich, daß die natürlichen Felshöhlen von den ersten Christen Juvavums tatsächlich zu geheimen Kulträumen ausgebaut wurden.

Kultstätte des Mithras?

Es ist übrigens nicht uninteressant, daß der bekannte Schriftsteller und Historiograph Theodor Meysels in seinem neuen Werk „Auf Römerstraßen durch Österreich" die Ansicht vertritt, man könne die Maximus-Begebenheit auf Juvavum Salzburg dann beziehen, wenn man annehme, daß in der „Vita Severini" nicht der Ortsname, wohl aber die cntfernungsangabe Batavis — Juvavum verschrieben ist und richtig statt 20 — 120 Meilen heißen müsse. Bei dieser Annahme wäre der Martertod des eiligen Maximus für Salzburg histo- sch gerettet. Freilich liegt die Geult des heiligen Maximus selbst völ- g im dunkeln. Wer war St. Maximus? oher kam er? Was war der Zweck :ines Aufenthaltes? Was hat ihn be- ‘ogen, sich hier niederzulassen? — ilar es etwa die Tatsache, daß er l Juvavum ein bereits verlassenes loster vorfand? Auch auf diese Fra- en würde eine neue Hypothese be- ■effend die Salzburger Katakomben, ie Meysels in seinem obgenannten kerke aufstellt, eine interessante .ntwort geben. Er behauptet nämlich, aß es sich bei den Katakomben des t.-Peter-Friedhofes gar nicht um igentliche Katakomben handle, son- ern „um ein Felsenkloster völlig yrischer Art, das als Kultimport aus em Osten, so wie nur wenig früher ie Mysterien des Mithras, in den elsabsturz des Mönchsberges gehöhlt ;t“. Die sakralen Räume und ihre inlage, wie etwa die kleeblattförmigen rei Altarnischen der Maximuskapelle, ragen nach Ansicht Meysels typisch etlichen Charakter. Da für Juvavum uch sonst in mancher Hinsicht ein ;ultureller und geistiger Import aus em Osten nachzuweisen ist, bedeutet liese neue Hypothese einen beacht- ichen Fingerzeig für die historische örschung, denn sie ließe sich sowohl nit der Maximusbegebenheit als auch lit den Berichten der „Vita Severini“ ereinbaren, deren Kapitel 13 und 14 on dem Verweilen des heiligen leverin in einem Kloster Juvavums rzählen. Damals, es mag etwa das ahr 470 gewesen sein, wirkte Severin n Juvavum sogar zwei Wunder, und ■s werden in diesem Bericht ausdriick- ich eine Klosterbasilika und Kloster- leistliche erwähnt. Dies bedeutet ■inen historischen Quellenbeweis da- ür, daß schon vor St. Rupert in Salzburg ein Kloster bestanden haben nuß, und St. Maximus könnte somit :in Vorsteher dieses Klosters gewesen ein, dessen Gründung man sich etwa n der ersten Hälfte des 4. Jahrhun- lerts unserer Zeitreichnung zu denken tat, wobei es keineswegs abwegig väre, anzunehmen, daß diese Kloster- äume sich erst im 4. Jahrhundert ati£ uspriinglich altchristlichen Katakom- jenräumen gebildet haben könnten..’.

Fluchtraum des Volkes?

ln dem „Juvavia“ genannten ge- ichichtskritischen Werk vom Jahre 1842 ■vird hingegen eine Ansicht vertreten, die von den bisherigen Hypothesen ibweicht. Der geistliche Autor dieses Werkes, der Domkapitular Dr. Ignaz Schumann von Mannsegg, stellt sich die berechtigte Frage, ob die heutigen SCulträume der sogenannten Katakomben tatsächlich immer schon gottesdienstlichen Zwecken dienten oder ob sie vorerst doch bloß für profane Zwecke benützt wurden. Bei seiner kritischen Untersuchung geht er von folgender Annahme aus: Die Römer hätten ihre Städte, wenn es das Terrain erlaubte, gerne terrassenförmig angelegt. Dies sei besonders bei den vornehmeren Häusern der Stadt Ju vavum der Fall gewesen, die sich daher auch an die damals noch sanfteren Hänge des Festungs- und Mönchsberges angelehnt hätten. Bei dieser terrassenförmigen Bauweise auf Bergeshängen hat es sich naturgemäß ergeben, daß bergseitige Hinterräume der Häuser in die Felswände eingearbeitet werden mußten, wie dies auch heute noch bei manchen Häusern der Gstätten- und Steingasse in Salzburg tatsächlich der Fall ist. Als nun im Jahre 451 Horden der Hunnen Juvavum größtenteils zerstörten, sanken wohl die Vorderseiten dieser Terrassenhäuser in Schutt, ihre bergseitigen Hinterräume blieben aber erhalten und diese benützten die verängstigten Einwohner Juvavums als Notunterkunft und Notkirche, wobei es natiir lieh auch möglich ist, daß sich eine ganze Kolonie von Christen unter einem Priester in diesen Bergkammern ansiedelte. Demnach wären aber die Berghöhlen des St.-Peter-Friedhofes keine altchristlichen Katakomben, sondern erst nach dem Jahre 451 zu Wohn- und Kulträumen umgestaltete bergseitige Felskammern zerstörter Terrassenhäuser Juvavums. Nach dem Zusammenbruch des römischen Im periums könnten auch fromme Einsied ler in diesen vereinsamten Felshöhlen ein beschauliches Leben geführt haben ehe St. Rupert durch seine Klostergründung neues kulturelles Leben er- sprießen ließ.

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