Geheimnisvolle Weltwunder

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Die Schallaburg präsentiert in ihrem 30. Ausstellungsjahr eine Pyramiden-Ausstellung.

Die nahe von Melk gelegene Schallaburg gilt nicht nur als eines der schönsten Renaissanceschlösser nördlich der Alpen. Seit 30 Jahren organisiert das Land Niederösterreich hier kulturhistorische Ausstellungen, von denen es einigen gelungen ist, ihr Thema nachhaltig im kulturellen Gedächtnis Österreichs zu etablieren. Nach der Renovierung eröffnete man - ganz zum Ort passend - 1974 mit "Renaissance in Österreich" und konnte über 300.000 Besucher anlocken. Früher als andernorts richtete man den Blick nach Osteuropa: mit der großen Bulgarienausstellung 1979, mit "Matthias Corvinus und die Renaissance in Ungarn" 1982 oder "Polen im Zeitalter der Jagiellonen" 1985 und im Wendejahr 1989 mit der Ausstellung "Prager Barock". Zunehmend rückten die alten Hochkulturen in den Blick - die Schallaburg wurde zu einer Begegnungsstätte für Welt-Kulturen: Es begann 1983 mit der Peru-Ausstellung, 1992 folgten die Kurden, 1993 Indien, in den letzten Jahren wurden Tibet, der Sudan und Malaysia präsentiert. Dazwischen wurde der Blick immer wieder auf die Alltagsgeschichte vor allem Österreichs gerichtet: 1985 wollte man unter dem Titel "Die wilden fünfziger Jahre" die "Formen und Gefühle eines Jahrzehnts in Österreich" erkunden, 1994 ging es um die Genussmittel Kaffee, Tee, Schokolade, Tabak und Cola, ein Jahr darauf folgte "Menschen nach dem Krieg: Schicksale 1945-1955". Mit Spannung darf man die für 2005 angekündigte Staatsvertrags-Ausstellung erwarten: am 15. April 2005 wird "Österreich ist frei" eröffnet. Auch dafür ist die Schallaburg, die 1955 infolge des Staatsvertrags - nach einem Jahrzehnt russischer Besatzung völlig verwüstet - in den Besitz der Republik Österreich überging, ein geschichtsträchtiger Ort.

Sinn und Ziel der Pyramiden

1998 zeigte die Schallaburg bereits eine Ägyptenausstellung - es ging um "Spätantike und Christentum am Nil". Die Ausstellung dieses Jahres, zusammengestellt vom Kunsthistorischen Museum Wien, versucht, "die wesentlichsten Aspekte der Pyramidenforschung, die Funktion der Pyramiden, ihre Entwicklung und letzte Zielsetzung, für ein breites Publikum aufzuarbeiten" (Wilfried Seipel im Katalog-Vorwort). Natürlich ist der Cheopspyramide, dem einzigen der sieben antiken Weltwunder, das noch existiert, ein eigener Abschnitt gewidmet, doch will die Ausstellung gerade den Zusammenhang der Pyramidenbauten - vom alten Reich, auf dem der Schwerpunkt liegt, bis zu den Pyramiden der Nubier - sichtbar machen. Von den über 300 Exponaten kommen etwa 200 aus dem Kunsthistorischen Museum, das nach Berlin, London, Paris und New York über die fünftgrößte Sammlung ägyptischer Fundstücke außerhalb ihres Ursprungslandes verfügt.

Erforschung und Deutung der Pyramiden stehen am Beginn der Ausstellung. Durch die Christianisierung Ägyptens ging das Wissen um die ägyptische Kultur weitgehend verloren; unter dem Einfluss der biblischen Joseph-Geschichte hielt man die Pyramiden für Getreidespeicher der Pharaonen. Allen möglichen Esoterikern dienten sie als Objekt ihrer Spekulationen. Um ihren Sinn als Grabstätten der Pharaonen verstehen zu können, werden Rolle und Stellung der ägyptischen Könige gezeigt, "illustriert" durch Königsplastiken aus Brüssel, Berlin und München - darunter ist die Doppelstatue des Königs Niuserre ein herausragendes Objekt.

Technische Rätsel

"Jede Beschäftigung mit den Pyramiden Ägyptens mündet unweigerlich in die Frage, wie und mit welchen Hilfsmitteln die Alten Ägypter in der Lage waren, diese imposanten Königsgräber zu bauen." Peter Jánosis Aufsatz im Katalogbuch zeigt, dass allein die Unterkünfte und Versorgung der Arbeiter (Trinkwasser!) eine logistische Meisterleistung war - von der Herbeischaffung der Baumaterialien (Kalkstein aus den Steinbrüchen Ägyptens, Hölzer als Importware aus dem syrisch-palästinensischen Raum) gar nicht zu sprechen. Da die Ägypter keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über den Bau hinterlassen haben, bleibt vieles ein Rätsel. Modelle, Rekonstruktionen und grafische Darstellungen veranschaulichen ungelöste Fragen - wie man etwa fähig war, derart schweres Material mit damaligen Mitteln in solche Höhen zu transportieren (die Cheops-Pyramide ist heute so hoch wie der Stephansdom und war ursprünglich noch um zehn Meter höher). Um die Luftschächte der Pyramiden zu erforschen, hat man vor einigen Jahren einen eigenen kleinen Roboter kreiert, der auch in der Ausstellung zu sehen ist.

Im zweiten Obergeschoss der Schallaburg wird das Modell des Privatgrabes eines hohen Priesters gezeigt, wie sie von Mitgliedern des Hofstaates im Umkreis der Pyramiden errichtet wurden. Die Weiterlebensvorstellung der Ägypter spricht aus vielen Darstellungen: etwa der Statuette des Bierbrauers, der über ein großes Korbsieb gebeugt ist, um die gärende Maische in das darunter befindliche Tongefäß zu streichen. Bier aus verschiedenen Körnerfrüchten gehörte zu den Grundnahrungsmitteln, der Mann ist eine der Dienerfiguren, die die materielle Versorgung der Toten im Jenseits symbolisieren. Oder die Sitzgruppe des Sennefer, "Untervorsteher der Arbeiter des Palastes", wo die Frauenfigur ausgemeißelt wurde: der Bruch, die Verstoßung der Frau, sollte auch für das Jenseits Gültigkeit haben. Die Pyramiden-Ausstellung hat viele interessante Aspekte und ist einen Ausflug wert.

Die Pyramiden Ägyptens -

Monumente der Ewigkeit

Katalogbuch hrsg. von Christian Hölzl, Verlag Christian Brandstätter, Wien 1993, 344 Seiten mit zahlreichen Abb., geb., e 39,90

Sonderausstellung:

30 Jahre Schallaburg

Festschrift hrsg. von Gottfried Stangler. Katalog des NÖ Landesmuseums

NF Nr. 447, St. Pölten 2004, 150 Seiten mit zahlreichen Abb., geb., e 9.-

Schloss Schallaburg, 3383 Schallaburg

Bis 1. 11. Mo-Fr 9-17,

Sa. So u. Feiertag 9-18 Uhr

Tel. 02754/6317

www.schallaburg.at

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