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Gelb der Prinz, violett die Hexe…

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Kärnten ist das an Malern und Kindern reichste Land Oesterreichs.

Maler und Kinder, die viel Gemeinsames haben — so unmittelbare Erlebniskraft und ursprüngliche Freude am Schauen Maler und Kinder sollen in einer Zeit der Kinderliebe und der Malerförderung von weitblickenden Stadtvätern füreinander beschäftigt werden.

So entstanden Wandmalereien in Kindergärten.

Das ganze Leben ist begleitet von den Eindrücken, die das kleine Kind von seiner Umgebung erhalten hat. Sail man da nicht bewußt diese Umgebung gestalten: hell und heiter, freundlich und harmonisch? Fort mit den Kindergärten des Kasernenstils, in dem selbst der kleine Sonnenstrahl, wenn er über den drückend-grauen Oelanstrich tanzt, Komplexe erhält!

Kindergärten sollen hell sein, das heißt aber nicht, daß sie außen und innen einheitlich weiß oder hellgrau sein sollen, in der beängstigenden und langweiligen Atmosphäre von Krankenhäusern. Kinder wollen Farben sehen! Sie lieben das heitere Blau, Rot und Grün. Wie spricht die Farbe das erwachende, unverdorbene Gefühl an: das Rostrot ist böse, es kämpft mit dem Gelb, und Gelb ist Sieger. Gelb ist der junge Prinz und Violett erinnert an die alte Hexe, an das Unheimliche, Nächtige. (Alle gebrochenen Farben werden mit gewisser Ablehnung und Unbehagen aufgenommen.) Daher ist es auch bereits sehr wesentlich, daß die Kindergartenhäuser ebenso wie die Spielräume in harmonischer Zusammenarbeit von Architekt und Maler gestaltet werden.

Schon seit einigen Jahren, als Wien erst tastend in dieser Richtung begann, war es in Kärnten Landesplaner Dr. Wurzer, der als Architekt mit dem Kindergarten „Völkendorf” in Villach das erste Beispiel setzte und einen jungen Wiener Maler einlud, zusammen mit ihm den künstlerischen Schmuck dieses Baues zu gestalten. Also nicht nur Ausgestaltung der Spielzimmer, sondern Gestaltung des ganzen Komplexes. Dazu gehört — man kann fast sagen zu allererst — die richtige Farbwahl des Gebäudes (in das die Kinder täglich mit Scheu oder Bangen, Lust oder Uebermut, nie aber gleichgültig oder unbeteiligt kommen). Für das bergblaue Kärnten wurde (als Hausfarbe) das frische Orange und ein bestimmtes Rosa gewählt, Farben, die an den alten Bauernhäusern schön wirken, aber leider immer mehr vom Spritzbewurf in mut- und poesielosen, farbarmen Tönen verdrängt werden.

Zweitens wurde versucht, das einzelne Kunstwerk nicht als Briefmarke an die Hauswand zu kleben, wie es leider an den meisten Wiener Neubauten (vor allem an den Gemeindebauten) der Fall ist. Wir versuchten, die Wandmalerei in die Architektur einzubauen.

Wesentlich ist, daß es eine Art Uebergang, ein Stück Natur, einen wenigstens kleinen Garten als Abgrenzung zwischen dem Reich der Kinder und der Welt der Erwachsenen mit ihren gefährlichen Wegen und Straßen, Autos und Häusern gibt. Ein Stück Natur, nicht als unbetretbarer Pflegerasen oder vornehme Blumenshow, sondern eine Fortsetzung des lustigen Spielzimmers, nur größer und freier. Pritscheln- des Wasser in seichten Becken, davor lustige Figuren, auf denen man sitzend das Wasser, das aus ihren Mäulchen rinnt, verspritzen kann. Ungefährliche Durchschlupfe (große Betonrohre als Tunnel in die Wiese eingebaut, deren Oeffnungen vom Künstler bemalt sind wie Fischmäuler), ebenso ungefährliche Kletterbäume und anderes lustiges Spielzeug zum Turnen und Kraxeln, sind, vom Architekten entworfen, vom Künstler bemalt, köstliche Dinge, die vom schöpferischen Menschen gestaltet, im Kind Schöpferisches wecken.

Wie soll oder kann nun die Art der Malerei sein, die das Kind schon von weitem begrüßt und fröhlich willkommen heißt? Was spricht das Kind — zum Beispiel die kleine Iris als das einzige, nervöse, verwöhnte Kind einer Intellektuellenfamilie, und den kleinen, naiven Seppi, der einer von sieben ist — an? Sind es die Darstellungen aus bekannten Märchen, die vor allem den Erwachsenen: Vätern, Müttern, Lehrern, Kindergärtnerinnen zusagen, weil sie sich selbst noch bequem daran erinnern können, oder haben die Kinder frei erfundene Phantasiegestalten lieber? Sollen es überhaupt figurale Darstellungen sein oder stellen „abstrakte” Färb-, Punkt-, Linien-, Flächenkompositionen die beste Lösung dar, da ja das Kind mit seiner großen Phantasie ohnedies alles „hineinsehen” kann?

Ja und nein! Hat doch das Kind Möglichkeit genug, in Ungestaltetes — Sandspiel usw. — Dinge hineinzusehen. Die Phantasie des Kindes nur auf seinem kleinen, niederen Niveau frei walten zu lassen, hieße, ihm die große Möglichkeit des Dazulernens zu nehmen. Die Phantasie soll man führen, indem man dem Kind Gestaltetes zeigt, das in seiner Einfachheit aber unbedingt klar und eindeutig sein muß, so daß es das Kind anregt, selbst Linien zu ziehen, selbst gelbe Flecken zu malen usw.

Dann will es auch (vor allem das reifere, 5 jährige Kind) Ansprache haben: mit einem roten Kreis einer nur abstrakten Komposition, die an der Wand ist, kann man nicht solange sprechen, wie mit einem Kasperlzwerg, der ganz gleich groß ist wie die kleine Iris und auf derselben Bodenebene steht wie ein Spiegelbild. Zwar sind seine Füße dünner und seine Augen größer und sein lustiger Hut ist spitz wie der Berg, auf dem er vielleicht zu Hause ist…

Im Kindergarten „Völkendorf” wurde auf die elf Meter lange Wand, die parallel zur Straße steht, eine Gruppe vor fröhlichen Turnern gemalt. Figuren, die aus keinem Märchenbuch sind, sondern die frei erfunden sind, was dem erwachsenen Publikum, das an die alten Märchenbildschablonen gewöhnt war, zunächst überhaupt nicht gefiel. Der Architekt Dozent Dr. Wurzer war lange Zeit der einzige, der von dieser Art der Darstellung voll überzeugt war — neben den Kindern, die mit ihrer Begeisterung den Maler bestärkten: „Das ist aber fein, Herr Maler, daß der lustige Maxi mit seiner Nas’n kopfsteht auf dem Zehenspitz von dem Monka da.” „Ja siehst denn nit”, sagt eine blonde Stupsnase, „daß das Mannl a Fußballer is?” „Mir gefällt”, sagt ein zartes Stimmchen, „der dicke Mann, der sich auf seinem Bauch schaukelt.” Einem Rothaarigen gefällt der Lange, der ausschaut wie ein „Bandlwurm” und auf dem alle anderen herumturnen. Er meint, daß es bei ihm zu Hause auch so wäre, wenn der Onkel auf Besuch kommt. Nur hätten sie ihm noch keinen Kaktus „untergestellt” und dazu lacht er grimmig.

So begleiten Kinderstimmen und -augen schon das Entstehen der Malerei in ihrem Kindergarten.

„Kommen auf die anderen Wände auch Turner, Herr Künstler?” fragen sie.

„Nein.” Dorthin, an die Wände der beiden Spielhöfe, kamen keine Turner, sondern andere fröhliche, erfundene Gestalten, die jedoch die Heiterkeit, die Bewegung und den Schabernack übernehmen. „Seehundsgeister” oder „Birnengespenster” werden sie von den Kindern genannt, weil sie ein sehr gutmütiges Gesicht haben und doch dem anderen das Schwänzlein ausreißen. „Aber dafür sticht ihm auch die Wespe in seinen dicken Bauch”, erklärt einmal ein Fünfjähriger weise, „das ist immer so im Leben”. Ein Mädchen zählt die Wolken und möchte darauf sitzen und schweben. Thomas gefallen wieder besser die stacheligen Tiere, die übereinander balancieren: der Igel, die männchenmachende, gelbe Raupe und die dekorative Schlange.

Während die Malerei trocknet, entsteht noch eine Kunststeinplastik vor dem ebenfalls wasserfest bemalten Planschbecken. Es ist gut, daß sie rasch hart wird, denn die Kinder sind schon ganz zappelig vor Ungeduld, auf dem Tier, das den Scharm eines Seehundbabys hat, zu sitzen und,, Wasser zu spritzen. ,,

Eine Novität lassen sogar die Arbeiter gleich gelten: daß nämlich jede in ein Spielzimmer führende Tür durch ein fröhliches Tier gekennzeichnet ist. Da sitzen die negativen Konturen eines Hundes, lustig wachend auf der dunkelgerippten Faserplatte, so daß man, sogar wenn man nur dreieinhalb Jahre zählt, sofort unterscheiden kann, ob es das „Hundezimmer” ist, wohin man zu Tante Martha spielen geht,’oder das „Froschzimmer”, wo es die Jause gibt. Ja, wenn man es nur immer so leicht hätte, die richtige Türe zu finden…!

Und das ist noch immer nicht alles, das zum Bemalen einlädt: auch die schlanken Holzsäulen, die das Vordach an den Eingängen tragen, werden mit Ringeln, die in Zacken ausstrahlen, geschmückt. In der Ferne leuchtet der violette Gipfel der Gerlitze und ein kleiner Wind holt den Duft der gelben Felder, die gar nicht weit weg sind.

Der zweite Kindergarten der Stadt Villach, „Friedenspark”, wurde ganz anders bemalt: mit altbekannten Märchenfiguren. Dabei zeigte sich deutlich, daß für den Maler die Art solcher Darstellung -- nämlich nachzugestalten — weniger reizvoll ist als selbst zu erfinden. Diese fand zwar bei den Erwachsenen wohlwollende Zustimmung, begeisterte jedoch die Kinder weniger als die originellen Turner- und Tiergruppen des „Völkendorfer”. Doch der Wolf mit seinem scharfzackigen Rückgrat — wie eine böse Säge — wird gerne von der kleinen Brigitte gestreichelt.

Den Kindergarten der Stadt St. Veit an der Glan (es gibt zu denken, wie großzügig die Stadtväter Kärntens im Verhältnis zu ihren Mitteln sind, wie unprovinziell und moderner Kunst aufgeschlossen!) bemalten wir in Gemeinschaftsarbeit.

Die Augustsonne brannte auf die Südseite und viele Kinder der großen, städtischen Siedlung waren rund um uns versammelt. Diesmal zeigten sie die Kehrseite der Medaille. Sie waren überaus kritisch und fast böswillig. Sie schleppten Bretter herbei, setzten sich darauf und warteten auf den Beginn der Vorstellung!

Es war wie in einem Amphitheater, der Erdhügel vom ausgehobenen Baugrund war dicht bevölkert.

Auch hier gingen wir wieder von der Architektur aus, bestimmten ein Rosa für den in die blautönige Landschaft gestellten Bau und bezogen in der etwa 16 Meter langen Wand Fenster und Türen in die Komposition mit ein. Rechts und links wachen zwei große dicke Knospenbäume über den Eingangstüren. Früchte und Blüten, Knospenkeime brechen auf, Käfer marschieren wie Tanks den Baumstamm hinauf, wo oben traurig ein alter Rabe sitzt, Schmetterlinge fliegen Bogen in die Wolken hin zum lachenden Sonnengesicht, dem Zentrum der Komposition. Von rechts kommen im lyrischnächtlichen Teil drei fröhliche Zwergkasperln (in „Kindergartenkinder-Größe”), auf dessen einem Jpitzhut eine Eule unter rosa Blüten hockt. Weißer Mond schimmert wie ein zer- lutschtes Bonbon unter den Sternen. Unter dem Fenster zieht eine Schnecke ihr Haus zu den zwei großen, dicken Blumensäulen mit den roten Blütenschalen. Aus der Erde schaut ein schwarzes Maulwurfstier mit rosa Pfoten. Als Gegenbewegung zu den drei Kasperln sitzen links drei exotische Vögel mit schnatternden Schnäbel. Ueber ihrem Kopf fliegt ein Sommergeist und seitab von diesem grasgrünen Tritsch-Tratsch wendet sich eine blonde Raupe.

Auftraggeber und die für die Erziehung der Kinder maßgebenden Leute, die anfangs, wenn nicht skeptisch so doch fremd den Malereien gegenüberstanden, wurden durch die Freude der Kinder mit „ihrem” Kindergarten überzeugt.

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