Gelitin - © Foto: Gelatin

Gelitin: Kreatives Chaos mit Balkönchen

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Das vierköpfige Künstlerkollektiv Gelitin ist im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum der „Schönheit im Hässlichen“ auf spektakuläre und unkonventionelle Art und Weise auf der Spur.

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Das vierköpfige Künstlerkollektiv Gelitin ist im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum der „Schönheit im Hässlichen“ auf spektakuläre und unkonventionelle Art und Weise auf der Spur.

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Wie eine Bombe ist die Wiener Künstlergruppe Gelitin im Tiroler ­Landesmuseum Ferdinandeum eingeschlagen. Um hier ein kreatives ­Chaos zu erzeugen, wie man es von dem altehrwürdigen Musentempel so gar nicht kennt. Ihm allerdings höchst gut tut. Gerade deshalb, weil das Haus, das in zwei Jahren seinen 200. Geburtstag feiern wird, sich anlässlich seiner anstehenden architektonischen Transformation vielleicht auch programmatisch neu erfinden wird.

Was sich jedenfalls ­viele dem Neuem aufgeschlossene ­Kulturinteressierte im Land sehnlichst wünschen würden. Und scheinbar Museums­direktor Peter Assmann auch, indem er Gelitin in „sein“ Museum eingeladen hat mit dem Auftrag, dieses neu, beziehungsweise anders als üblich zu deuten. Dass das nicht so ganz nach dem Gusto so mancher braver Bildungsbürger und partiell auch nicht wirklich jugendfrei ausfallen wird, wurde dabei in Kauf genommen.

Gezielte Provokation

Das aus Ali Janka, Wolfgang Gantner, Tobias Urban und Florian Reither bestehende Künstlerkollektiv, das seit fast 30 Jahren die internationale Szene mit seinen unkonventionellen Aktionen kreativ aufmischt, hat sich bereits zwei Wochen vor Eröffnung der Schau im Tiroler Landesmuseum eingenistet. Um die noch von der klassischen, Franz von ­Defregger gewidmeten Vorgängerausstellung übriggebliebene Ausstellungsarchitektur schräg zu deformieren, zu durchlöchern, zu bemalen, letztlich zur Kulisse ihrer „Werkstatt“ zu machen, in der während der Laufzeit der Schau eifrig getöpfert wird. Von etwa einem Dutzend äußerst leicht geschürzter „Brüder“ und „Schwestern“ der vier Gelitin-Mannen.

Was nicht nur der Hitze geschuldet, sondern durchaus programmatisch ist. Ist Provokation doch durchaus gewünscht, allerdings nicht der Provokation wegen, sondern um Denkprozesse in Gang zu bringen, im Idealfall ein Nachdenken über traditionelle Werte und festgefahrene kulturelle Standards anzuzetteln.

Etwa durch Filme, die in den verschiedenen Häusern des Landesmuseums, wie dem Volkskunstmuseum, der Hofkirche oder dem Tirol-Panorama am Bergisel ­gedreht wurden. Allesamt sakrosankte Kultorte tirolischer Identität, die von Gelitin höchst lustvoll in Frage gestellt werden. Wenn die Vier, assistiert von zwei wie sie ebenfalls fast nackten Maiden, in einer der schönen alten Stuben des Volkskunstmuseums zur aus Menschenkörpern gebildeten Skulptur werden oder als skurriler Menschenwurm durch das Riesenrund­gemälde am Bergisel kriechen. Alles noch harmlos im Vergleich zu den Filmen, in denen geschnitzte ­Stuhlbeine Menschen penetrieren oder ausgestopfte Tiere aus dem alpinen Raum mit sehr lebendigen Männlein und Weiblein sexuell ­zugange sind.

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