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Gemalt und gestickt

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Wie bereits in den letzten beiden Jahren, brachte auch der heurige Salzburger Festspielsommer wiederum eine Fülle von Ausstellungen, die zum großen Teil ein recht beachtliches Niveau aufzuweisen hatten. Eine Ausstellung amerikanischer Gegenwartskunst eröffnete den Reigen und war insofern von ganz besonderem Interesse, als sie uns erstmalig mit den bedeutendsten Vertretern des sogenannten „abstrakten Expressionismus“ bekannt machte, der sich im Laufe der letzten zwanzig Jahre zur führenden Strömung der amerikanischen Gegenwartskunst emporschwingen konnte; sein Einfluß ist gewiß unbestreitbar und läßt sich selbst in der täglichen Gebrauchsgraphik und in der Sehweise moderner Photographen nachweisen. Dem mit den experimentellen Strömungen der europäischen Moderne auch nur einigermaßen vertrauten Besucher freilich konnte diese Art von programmatischer Malerei, die die verschiedenen „Ismen“ der zwanziger und dreißiger Jahre bis zum Exzeß durchexerziert und nur selten zu einem wirklich individuellen Ausdruck findet, im wesentlichen - nichts entscheidend Neues bieten. Trotzdem war die Ausstellung sehr aufschlußreich, weil sich in ihr ein augenscheinlicher Wandel des amerikanischen Lebensgefühls dokumentiert, den man etwa auf die Formel: „Vom Provinzialismus zum Weltbürgertum“ bringen könnte.

Der „Salzbuiger Kunstver- e i n“ lud zu einet großen Heerschau der österreichischen Moderne in sein Stammhaus in der Heilbrunner Straße ein. Auch hier dominierten, rein zahlenmäßig, die Abstrakten. Im Gegensatz zu den Amerikanern zeigen jedoch unsere Abstraktiven ein viel intimeres Verhältnis zu den ursprünglichen Werten des Malerischen, zum Sinnlich-Konkreten, zur künstlerischen Individualität und — bei aller Aufgeschlossenheit den Problemen der Moderne gegenüber — auch eine viel geringere Abhängigkeit von den verschiedenen „Ismen“ und Schulen der jüngeren und jüngsten Vergangenheit. — Gruppenausstellungen dieser Art, die von den Kunstvereinen sämtlicher österreichischen Bundesländer beschickt werden, sind immer sehr aufschlußreich, weil sie doch ein gewisses Bild der österreichischen Gegenwartskunst vermitteln; im gegenständlichen Fall trifft lies ganz besonders zu, da seit 1956 keine derartige gesamtösterreichische Ausstellung mehr veranstaltet wurde. Besonders bemerkenswert war das überaus gute Abschneiden der sogenannten „Salzburger Gruppe“, der eine Reihe bereits international bewährter Künstler, wie Gustav K. Beck (der leider im luli dieses lahres einem Ruf nach Wolfsburg Folge leistete), Prof. Slavi Soucek und der Frei- lassinger Hermann Ober angehören. Im übrigen beschränkt 6ich jedoch die „Salzburger Gruppe“ keineswegs auf die Abstraktiven, sondern umfaßt auch Vertreter der gegenständlichen Kunst; hier sei vor allem auf Herbert Breiter verwiesen, dessen konstruiertes und aus einem zarten Braun-Rosa herausentwickeltes Amsterdam-Bild berechtigtes Aufsehen erregte.

Eine Ausstellung von wahrhaft internationalem Format bietet gegenwärtig die Salzburger Galerie Welz mit Werken des italienischen Malers Renato G u 11 u s o, gehört doch dieser 1912 in Sizilien geborene Künstler heute zur Weltelite. Guttuso, der offensichtlich sehr stark von Picasso beeinflußt wurde, geht es vor allem um eine Überwindung des Formalismus in der modernen Kunst, ihres L’art-pour-l'art-Standpunktes, dem er das bewußte, soziale Engagement entgegensetzt. Auf dem Weg zu einem neuen Realismus kommen ihm dabei zweifellos zahlreiche Elemente jener reichen sizilia- nischen Volkskunst zugute, die in ihm die ersten unauslöschlichen Eindrücke hinterlassen hat. Seine Ölbilder — vor allem Stilleben und italienische Stadtansichten — verraten eine stark kubistische Auffassungsweise, ein Eindruck, der durch die rein flächige Verwendung der Farben noch verstärkt wird. Guttusos wahre Meisterschaft offenbart sich allerdings erst in seinen Kreidezeichnungen, die in der Härte des Strichs seinem Anliegen eines „sozialen Realismus“ ungleich näherkommen als die Ölbilder; unter diesen Zeichnungen findet man Blätter von wahrhaft klassischer Vollendung. — Die überaus liebenswürdigen und wertvollen Applikationen Veronika M a 1 a t a s offenbaren eine farbige Welt aus Stoffen, mit der uns der Salzburger Kunstverein in dankenswerter Weise bekannt machte. Vor rund zehn Jahren begann die junge Salzburgerin, die heute in Deutschland lebt, mit farbigen Stickereien im Stile der naiven, erzählenden Malerei; inzwischen hat sie auf dem Wege zu einer spezifischen, materialeigenen Formensprache erstaunliche Fortschritte gemacht. Veronika Malata will freilich mehr als gutes Kunsthandwerk bieten. Vielleicht hat sie den ihr gemäßen Stil noch nicht ganz gefunden, doch gibt es Ansätze, die zu großen Hoffnungen berechtigen. Ich denke da zum Beispiel an das wunderbare innere Leuchten der „Tageszeiten“ oder an die einfache Gebärde der Liebenden im „Roten Liebespaar“, auch an das antike Frauenporträt „Nausikaa", das sosehr an Fresken in Ravenna erinnert. Daneben gibt es allerdings auch Rückfälle in den etwas überladenen, illustrierenden Stil des Anfangs, wenn auch in raffinierterer, modernerer Art, woran zum Teil auch die öffentlichen Auftraggeber — Ministerien, Schulen usw. — Schuld tragen mögen. Jedenfalls ist es erstaunlich, welches Maß an künstlerischem Ausdruck sich aus bunten Stoffen herausholen läßt.

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