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Gemalte Poesie

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Nur eine Stunde täglich, von 11 bis 12 Uhr, ist eine Ausstellung frühmittelalterlicher Buchminiaturen in der “Handschriftensammlung der Nationalbibliothek zugänglich. In diesen Tagen, da in Wien der Kongreß für Frühmittelalterforschung zusammentrat und im Kunsthistorischen Museum zwei Säle „Vom Altertum zum Mittelalter“ mit Schatzfunden und Kostbarkeiten aus sieben Jahrhunderten neu eröffnet wurden (die „Furche“ berichtete darüber in ihrer letzten Ausgabe), gilt dieser „Ausstellung für Eingeweihte“ auch ein breiteres Interesse. Welch wunderbare Handschriften sind da zu sehen! Drei Blätter aus der „Wiener Genesis“, einer Welterschaffungsgeschichte in 24 Blättern Purpurpergament mit 48 Bildern, die um 550 n. Chr. in Antiochien entstanden ist; die Gedichte des Hra-banus Maurus zu Ehren des heiligen Kreuzes, geschrieben in Fulda 831—840, 30 figurierte und geschriebene Tafeln; der Goldene Psalter, den Karl der Große für Papst Hadrian schreiben und malen ließ; “der „Abriß der Chronik der Stadt Jerusalem“, 1467 für Herzog Philipp den Guten von Burgund geschaffen; herrliche Evangeliare, Buchmalereien von einer Handfertigkeit. Hingabe und Innigkeit, die unbeschreiblich ist. Man sollte täglich eine Stunde Zeit haben, diese alten Buchet zu betrachten.

Wie wenig, das heute entsteht, kann neben dem bestehen, was Mönche, deren Namen wir nicht kennen, vor tausend Jahren auf ihre Pergamente malten! Und wie wenig kann sich überhaupt sehen lassen daneben!

Vielleicht dte,Bilder-So Jridh B,*!, $r jetzt %n Atelier Sr n s t-fttföi s|| Wielr VIT vNHüälfter-gasse, ausstellt. Erich Brauer gehört seinem Wesen nach der Gruppe jener minutiösen Maler, deren wesentliche Vertreter bei uns Ernst Fuchs und Anton Lehmden sind. Doch ist er kein Epigone, seine Malerei ist ganz eigener Prägung. Mehr als bei Fuchs und bei Lehmden ist bei ihm zu spüren, daß das, was er malt, der eigenen Erfahrung entstammt. Diese Authentizität ist um so höher einzuschätzen, als seine Motive aus der Welt orientalischer Märchen kommen, die geringere Künstler als Brauer — etwa einen Laske — nur dazu angeregt haben, das Blaue vom Himmel herunter zu fabulieren. So ist die Tatsache, daß Brauer Israel, die arabischen Länder und Aethio-pien besucht hat, nicht das Entscheidende an seiner

Malerei. Das Entscheidende ist, daß dort seine Seele berührt wurde, daß sie dort im Zusammenhang von Vorgewußtem und dem augenscheinlichen Heute eine Heimat fand. Das Vorgewußte: es sind die Welt der Bibel, das Hohelied Salomonis vor allem, 1001 Nacht, alte Ueberlieferungen und Legenden. Wohin er schaut — er begegnet Gestalten jener gegenwärtigen Vergangenheit.

Max Weiler stellt in der Akademie der Bildenden Künste aus Der Innsbruck' -Maler, der mit seinen 48 Jahren in Fachkreisen hier bislang immer noch als „hochbegabter junger Künstler“ und eine Art „Provinzgenie“ galt, gibt mit 68 Gemälden einen detaillierten Ueberblick über seine Entwicklung von 1953—1958 und rückt damit wohl endgültig in die Reihe der prominenten . österreichischen Maler, nicht nur der jungen, auf. Folgt man den fast durchweg chronologisch gehängten Bildern, so zeigt dieser Weg exemplarisch, !e weit ein Künstler gelangen kann, wenn er in absoluter Aufrichtigkeit vorwärtsschreitet und nie mehr zu geben' versucht, als er im Augenblick geben kann.

Eine Schattenlinie scheint uns für ihn durch die Jahre 1955/56 zu laufen. Bis dahin war seine Malerei keine rechte Malerei: sie löste sich in graphische Schemata auf, überall schlug das Zeichnerische durch, seine Bilder waren übermalte große Zeichnungen. Und plötzlich ist es Malerei, mit der „Gestalt auf Grau“ (Nr. 17, 1956) und dem „Stier“ (Nr. 20. 1957). Welche Farben sind auf einmal da! Wie mit einem Zauberstab angerührt, wird alles lebendig,- aosfi/deri abstrakten blauen j'vwiä-=b1äuen!) l.arldsöhafe teitr gan von selbit?tun*iidiec ungewollt — ein gewaltiges Flußpferd, und die „Hinweisende Gestalt“ weist wirklich hin. Die Farben sind da, aber noch haben die abstrakten, fast tachistisch anmutenden (und doch freundlichen) Bilder der letzten Zeit, keine feste Struktur. Aber sie tasten schon deutlich danach Viele sehen aus wie Fragmente alter Teppiche, die auf eine Leinwand aufgezogen wurden.

Max Weiler war durch seine kompromißlose Haltung (seine Fresken für den Innsbrucker Bahnhof) schon immer ein sympathischer Künstler. Jetzt weist er nachhaltig darauf hin, daß er auch ein guter Künstlet ist.

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