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Genialer Vater mit begabten Söhnen

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Kaum ein zweiter Künstler erfuhr in Reproduktionen eine derartige Verbreitung wie Pieter Bruegel der Ältere. Bilder des flämischen Malers wie die „Bauernhochzeit”, der „Turmbau von Babel” oder „Jäger im Schnee” begegnen einem auf Kalendern, Postkarten oder in Ärzte-Wartezimmern. Anders war dies im 16. Jahrhundert, in dem die Bilder des begehrten Künstlers der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht oder nur aus Erzählungen bekannt waren, da sie meist direkt von der Staffelei in königlichen oder fürstlichen Privatsammlungen verschwanden. Daß der Bruegel-Stil trotzdem bald weltweit berühmt wurde, ist zum Großteil seinen beiden Söhnen Jan Brueghel dem Älteren, vor allem aber Pieter Breughel dem Jüngeren zu verdanken. Beide waren ebenfalls Maler und reagierten auf die ungeheure Nachfrage nach Bildern des Vaters, indem sie dessen Bilder kopierten. So kennen wir von dem Original „Der Nesträuber” von Pieter d. Ä. fünf Kopien des Sohnes Pieter d. J. Dies erscheint noch wenig angesichts der Tatsache, daß man in den letzten 20 Jahren 123 „Vogelfallen” in Verbindung mit dem Namen Pieter d. J. gefunden hat. Am Beispiel der „Vogelfalle” wird deutlich, daß auch heute die Diskussion um Original und Kopien noch nicht beendet ist. Während von einigen Fachleuten das im Brüsseler Museum hängende Bild als Original des alten Bruegel anerkannt wird, zweifeln andere daran und meinen, es könnte sich bei diesem ebenfalls um eine der unzähligen Kopien des Sohnes handeln.

Die Söhne Bruegels waren aber mehr als Kopisten der Werke des Vaters. Oft griffen sie bloß die väterlichen Themen auf oder entnahmen seinen Bildern einzelne Motive, die sie dann zu eigenständigen Kompositionen veränderten. Da die. Söhne ihren Nachnamen jeweils anders schrieben als der Vater - wahrscheinlich als Abgrenzung zu diesem - herrscht seit Jahrhunderten Verwirrung um „Bruegel”, „Breughel” und „Brueghel”.

Pieter Breughel d. J. und Jan Brueghel d. Ä. sind als bedeutende Maler der Rubenszeit in die Kunstgeschichte eingegangen, und doch standen sie immer im Schatten des genialen Vaters. Das sei nicht gerechtfertigt, meint die Forschung, die auch die Eigenständigkeit der beiden Söhne betont. Dies soll nun in einer hochinteressanten Ausstellung des Kunsthistorischen Museums sichtbar gemacht werden. Denn die Schau, die in anderer Zusammenstellung bereits in Essen zu sehen war und anschließend nach Antwerpen weiterwandert, möchte erstmals in einer Gegenüberstellung anhand von 130 Gemälden und 30 Papierarbeiten die individuelle künstlerische Leistung von Pieter Breughel d. J. und Jan Brueghel d. Ä. zeigen.

Die Qualität des 1564 geborenen Bruegel-Sohns, Pieter d. J., liegt sicherlich in der Weiterführung der volkstümlichen, bäuerlichen Themen und der beinahe modern wirkenden Darstellung von Alltäglichem auf seinen Genrebildern. Insofern müßte ihm und nicht dem Vater der Name „Bauern-Bruegel” zugesprochen werden. Im Unterschied zu den Werken des Vaters fehlt seinen Darstellungen meist das Moralisierende und Kritische. Charakteristisch für Pieter d. J. ist die humorvolle Schilderung einer dörflichen „Kirmes-Szene” wie etwa auf dem Bild „Eiertanz” - eines jener Werke, die nicht auf eine Vorlage Pieters d. Ä. zurückzuführen sind. Weniger anfreunden kann man sich hingegen mit der oft spröden, ungekonnten Malweise Pieters - möglicherweise liegt aber gerade in dieser Ungeschliffenheit auch der Reiz seiner Bilder.

Überzeugend ist das vielfältige Werk des jüngeren Sohns - Jan Brueghel d. Ä. Bisher kannte man ihn vor allem als „Blumenbruegel”, da er mit Bildern wie „Kleiner Blumenstrauß” und „Blumen in Tonschale” als erster bedeutender Blumen- und Stillebenmaler gilt. Als Freund von Rubens, mit dem er auch einige Bilder gemeinsam malte, war er bereits zu Lebzeiten in den höfischen Antwerpener Kreisen als eleganter Künstler bekannt. Im Kunsthistorischen Museum beeindruckt er nun besonders durch seine sensiblen, farblich und technisch großartig gemalten Landschaftsbilder, die in ihrer malerischen Auflösung in eine neue Epoche überleiten. Als Landschaftsmaler gilt Jan als Überwinder der manieristischen „Überblickslandschaft” und Vorläufer der realistischen „Flachlandschaft” des 17. Jahrhunderts - ein Bild wie „Flußlandschaft” deutet dies bereits an.

Das Kunsthistorische Museum besitzt mit zwölf gesicherten Originalen Pieter Bruegels d. Ä. ein Drittel des gesamten erhaltenen Qiuvres. Daher besteht hier im Unterschied zu den anderen Ausstellungsorten die einzigartige Möglichkeit, die Bilder der Söhne mit denen des Vaters im unmittelbaren räumlichen Nebeneinander zu vergleichen. Daß der hauseigene Bestand durch vier wertvolle Leihgaben des alten Bruegel ergänzt werden konnte, ist umso erfreulicher. Hat man beim Betrachten der eigenständigen Werke der Söhne auch diese schätzen gelernt, so wird einem im direkten Vergleich von Original und Kopien erneut die Faszination, die von den Bildern des alten Bruegel ausgeht, bewußt. Abgesehen davon, daß Pieter d. J. handwerklich nie die Qualität seines Vaters erreichte, wie etwa an der Kopie des Bildes „Turmbau von Babel” zu sehen ist, begeistern die innovativen Bilderfindungen und Visionen Pieter Bruegels d. Ä. Gerade durch die vielen Kopien erkennt man, wie prägend ein Künstler für Jahrhunderte sein kann, wenn er seine neue Weltsicht mit radikal neuen Gestaltungsmitteln ins Bild umsetzt.

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