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„Gesicht der Zeit“

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Photoreportagen von "Magnum Photos" in der Galerie Würthle.

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Photoreportagen von "Magnum Photos" in der Galerie Würthle.

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Ein junger Mann mit weniger als siebzehn Jahren kam um 1930 aus Budapest nach Deutschland und wollte Photoreporter werden. Wochenlang klapperte er ohne jeden Erfolg die Redaktionen ab. Eines Tages wurde es ihm zu dumm. Er ging zu einem Redakteur und stellte sich als europäischer Vertreter des berühmten amerikanischen Pressephotographen Robert C a p a vor. Seine Bilder wurden genommen. Kaum jemand weiß den Namen des jungen Mannes, denn Robert Capa war seine eigene Erfindung und er selbst wurde, als der Schwindel aufgeflogen war, unter diesem Namen ein berühmter Kriegsreporter. Eines seiner erschütterndsten Bilder zeigte einen Milizsoldaten im Augenblick eines Todes, er sinkt gerade in die Knie, richtet die Augen nach oben, das Gewehr gleitet aus seinen Fingern. (Das Bild wirkt aber nicht peinlich, wie so viele Produkte der modernen Photoreporterei.) Die Frau Robert Capas wurde von einem Tank überfahren, der Beruf, den er sich zeitlebens erträumte, war der eines arbeitslosen Kriegsreporters. Aber in unserer Zeit ist kaum ein Kriegsreporter arbeitslos. Robert Capa fiel 1954 in Indochina.

Robert Capa gründete 1948 zusammen mit Henri Cartier-Bresson, David Seymour und George Rogers die Weltorganisation der „Magnum Photos“, deren Anfangskapital je ein Büroraüm in Paris und New York war. Um so mehr waren die Namen der Mitarbeiter wert, und jeder junge, unbekannte Kollege, der in diese Vereinigung aufgenommen wurde, war ebenfall kurz darauf prominent. „Magnum Photos“ ist keine reine Geschäftsgründung, sondern soll den Mitgliedern volle Freiheit in der Wahl ihrer Reportagethemen und die Möglichkeit bieten, ihre künstlerischen Ambitionen zu verwirklichen. Die Photoreportagen, die derzeit in der Galerie Würthle gezeigt werden, sind daher ein Vorbild für jeden jungen Photographen.

Unter den Wiener Mitgliedern ragt Erich Lessing hervor, von dem diesmal allerdings nicht seine stärksten Arbeiten ausgestellt sind. Lessing wurde 1923. geboren und war im Krieg Photograph der achten englischen Armee im Mittleren Orient. Er ist seit 1948 Mitglied der „Magnum Photos“.

Man kann nur einiges aus der reichen Auswahl, die diese Ausstellung bietet, anführen. Auch Werner Bischof, von dem Bilder von großer Schönheit (aus Peru, Japan und Indien) gezeigt werden, fiel 1954, in den Anden, einem Unfall zum Opfer. Die Photoreportage ist ein faszinierender, aber kein ungefährlicher Beruf. Cartier-Bressons Bilderserie über die letzten Tage und das Begräbnis Gandhis ist fast schon ein Kunstwerk und außerdem ein großartiges Zeitdokument. Es hat wenig Zweck, die Bilder dieser Ausstellung zu beschreiben. Wer sich für das „Gesicht unserer Zeit interessiert, sollte sie besuchen.

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