7104381-1995_24_18.jpg
Digital In Arbeit

Getrunken und gebadet

Werbung
Werbung
Werbung

Die Stadt Krems feiert heuer ihr 1000-Jahr-Jubiläum. Zur Lage an der Donau und zur die Stadt umgebenden Weingegend paßt die Ausstellung „Wasser & Wein” in der Minoritenkirche Stein und im neuen Hauptgebäude der Kunst.Halle. Krems. Diese Ausstellung ist mehr als bloß sehenswert. Sie ist eine Großtat. Und das in mehrfacher Hinsicht.

Die von Werner Hofmann gestaltete Schau verzichtet auf jeglichen Präsentationsfirlefanz. Nicht die Gestaltung und das Design der Ausstellung stehen im Vordergrund, sondern die Exponate. Dadurch unterscheidet sie sich stark von all jenen Ausstellungen, in denen der Gestaltungswille des

Verantwortlichen die Bilder und Skulpturen zu Fußnoten degradierte.

„Wasser und Wein” ist eine Einladung an den Besucher, sich auf die Suche nach Nachbarschaften zu begeben, die er vorher wahrscheinlich nicht für möglich gehalten hätte. Vergangenheit und Gegenwart werden nicht als Kontrahenten, sondern als einander ergänzende Zeichensprachen geboten. Ägypter beschwören ihre Götter, Bacchus verführt seine Gespielinnen, Christus tritt die Kelter, Christo umspannt an der Küste von Florida Inseln mit einem Saum aus rotem Kunststoff. Themen scheinen ineinander übergehen zu können: Wein kann die Lebensqualität verbessern, die Lebensfreude steigern, kann in die Baserei und in die Zer-

Störung führen. Ähnlich ist es mit dem Wasser: Es kann Leben erhalten und zerstören. Von der Sintflut bis zur Umweltzerstörung reicht das Spektrum der Bedrohung.

Die Nachbarschaft von Vergangen -heit und Gegenwart gestattet den Eindruck, daß es Themen gibt, die stets aktuell bleiben, weil sie Grundpositionen des Menschen ansprechen. Aber Werner Hofmann macht im umfassenden Katalog auch die Unterschiede deutlich. Die Metamorphose ist als Schlüssel zum Weltbild der Antike zu sehen, die Metapher als Schlüssel des Christentums.

Im heutigen Bewußtsein ist vieles nur als ungenaues Belikt aufbewahrt, was zu verblüffenden Mehrdeutigkeiten führen kann, weil Inhalte frei disponibel werden. Die Ausstellung bedient dieses Wechselspiel, indem sie Exponate aus verschiedenen Zeiten dicht nebeneinander präsentiert, so-daß sie in einen spannungsreichen Dialog treten, der so unterschiedliche Themen wie „Versuchungen, Ängste, Errettungen” oder „Getrunken und gebadet wird im Olymp wie auf der Erde” gestattet.

Beligiöse Kunst findet sich unmittelbar neben bürgerlichem Kunstschaffen, Satire neben Darstellungen von Angst und Schrecken. Das Spektrum der Zeit reicht vom pharaoni-schen Ägypten bis zu eigens für die Ausstellung gemachten Installationen zeitgenössischer Künstler wie Fabrizio Plessi und Per Barclay.

Die Künstlerliste liest sich wie ein Who is who der bildenden Kunst, indem Stars der internationalen Szene wie Nam June Paik ebenso vertreten sind wie unumstrittene Vertreter der Moderne wie Milton Avery. Verdienstvollerweise werden auch Be-

Präsentanten der heimischen Szene, die den Sprung in die „Charts” des internationalen Markts (Gott sei dank?) noch nicht geschafft haben, mitberücksichtigt wie beispielsweise Iris Andraschek.

Die Kunst.Halle.Krems leistet mit dieser Ausstellung einen gewichtigen Beitrag für das kulturelle Leben in Niederösterreich. Nach der Präsentation des Werks von Susanne Wenger ist dies ein erneuter Beweis für die Notwendigkeit, an weiteren Orten kulturpolitisch Flagge zu zeigen. Möglicherweise ist diese Ausstellung aber nicht nur geeignet, im Land Niederösterreich manche der liebgewordenen Trampelpfade der Ausstellungsma-cherei zu verlassen, sondern auch ein Anlaß, in Wien Werner Hofmann noch stärker ins kulturelle Leben einzubinden: Seine Sicht der bildenden Kunst hat sich nie aus dem Zusammenhang von Philosophie, Literatur und Musik gelöst. Vielleicht macht dieses ungeheure Wissen seine Ausstellungen derartig faszinierend, ohne daß einem dabei bewüßt wird, daß der Ausstellungsplaner ein rotes Netz gelegt hat, in das man sich willig hineinbegibt, weil es einem unauffällig verführt. (Bis 29. Oktober)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung