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Glanz und Reichtum österreichischer Kunst

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Die Wiener Festwochen haben eine wahre Fülle von Ausstellungen mit sich gebracht. Einige von ihnen sind bedeutend, einige andere zumindest interessant; sie mit der ihnen gebührenden Ausführlichkeit zu besprechen, ist in Kürze fast unmöglich. Wir begnügen uns notgedrungen mit einer knappen Ubersicht und hoffen, wenigstens den Anstrengungen der Museen — deren Ausstellungen ja über die Festwochen hinaus dauern werden — in nächster Zeit gerecht werden zu können.

Den Höhepunkt dieser festlichen Ausstellungswochen bilden ohne Zweifel die „Meisterwerke österreichischer Barockkunst“ im endlich und glanzvoll restaurierten Unteren Belvedexe. Die Veranstalter, an ihrer Spitze die österreichische Kulturvereinigung, haben es an Sorgfalt und Mühe nicht fehlen lassen und aus den Wiener Museen und den alten österreichischen Stiften die kostbarsten unter den barocken Kunstwerken zusammengetragen. Zu einer Ausstellung, deren ungeheurer Reichtum geradezu erschütternd wirkt. Es ist gang und gäbe, rühmend von dem „barocken Erbe“ des Österreichers zu sprechen. Man wird's nicht mehr tun, wenn man diese Ausstellung gesehen hat, die wahrhaftig geeignet ist, uns Erben verlegen und verstummen zu machen: welche Spannweiten der Leidenschaft und, zugleich, welch weise Bewahrung des menschlichen Maßes inmitten jauchzender Jenseitshoffnung und inbrünstiger Daseinsfreude, zwischen ekstatischem Jubel und tödlichem Schmerzl Von diesem Erbe haben wir schon zu viel vergeudet, als daß wir uns seines Besitzes allzu laut rühmen dürften ...

Das Gegenstück zu dieser grandiosen Exposition bringt da6 aus seinem Dornröschenschlaf erwachte Volkskundemuseum in der Laudongas6e mit seiner sehr bemerkenswerten Schau „Religiöse Volkskunst des 17. und 18. Jahrhunderts in Österreich“, die sich zum Ziel gesetzt hat, kulturgeschichtliche Motivzusammenhänge aufzudecken und einen eigenwilligen Beitrag zur Ikonographie der bäuerlichen HeiligenVerehrung zu liefern: prächtige Hinterglasbilder, barocke Devotionalien und Andachtsbilder geben in schöner Ordnung Zeugnis von dem kräftigen Formwillen einer lebendigen, einfadien Frömmigkeit.

Unter den Kün6tiervereinigungen hat die Sezession die sicherlich beste Ausstellung zu zeigen Natürlich benützt sie die Gelegenheit, ihre Leistungen in der neueren Kunst-und Kulturgeschichte Wiens ins rechte Licht zu rücken, und das tut sie mit Geschick und Geschmack; von der Angriffslust, die der Sezesßion um 1900 zu eigen war, ist genug übrig geblieben, um der Ausstellung die rechte Würze zu geben. Zwischen den Bildern Klimts und Schieies hängen große Photomontagen: Kritiken von Anno dazumal über die Bilder Klimts und Schieies. Tatsächlich, die Zeit hat es bestätigt, daß sich die jeweils neue Kunst seltener irrt als ihre Kritikerl Die Gestaltung dieser Schau verdient alles Lob und alle Nachahmung.

Das Künstlerhaus hat eine sehr umfangreiche Ausstellung „Unsterbliches Wien“ eröffnet. Im Mittelpunkt steht die Darstellung der Entstehung der Ringstraße — aber die hat doch eigentlich die Unsterblichkeit Wiens wirklich nicht begründet. Ein reines Vergnügen inmitten der ein wenig ad hoc zusammengestellten Exposition sind die vielen Bilder des vielleicht wirklich letzten Wiener Sittenschilderers Josef Engelhardt, der wohl einmal eine Gedächtnisausstellung verdiente.

Ein guter Einfall war es, mit der .Internationalen Plakatausstellung“ nicht in einen Saal zu gehen, sondern mit ihr im Freien vor dem Me6sepala6t zu bleiben. Dort haben die Plakate, was sie zur Entfaltung ihrer Wirkung brauchen: Tageslicht, den Lärm der Straße und, nicht zuletzt, den zufällig Vorübergehenden. Auch diesmal wieder stehen die Schweizer Gebrauchsgraphiker an der Spitze. Ihnen folgen die Skandinavier, die 6ich, wenn wir recht sehen, von Jahr zu Jahr einem immer eigenartigeren und sehr amüsanten Reklame6til nähern. Die russischen Plakate stehen technisch und künstlerisch auf dem Stand von 1390. Und eine Sonderschau mit dem Titel „30 Jahre Wiener Messeplakat“ erbringt den Bewei6, daß die Wiener Messe in 30 Jahren nicht ein einziges wirklich gutes Plakat hervorgebracht hat. Sie möge sich an einigen Schweizer Affichen ein Beispiel nehmen.

Kein guter Einfall war es, eine Ausstellung von Werken des Bildhauers Gustinus A m b r o 6 i im Lobkowitz-Palais zu veranstalten Ambrosi i6t eine ausgeprägte Barocknatur der im Laufe nicht allzu vieler Jahrzehnte mehr als 2000 zum Teil überlebensgroßer Statuen geschaffen hat und auf starke plastische Bewegtheiten ausgesprochen Wert legte. Nun, eine Fülle solcher Ambro6i-Statuen und -Büsten steht, viel zu eng an-einandergedrängt, in den viel zu schmalen und oft nur korridorbreiten Ausstellungsräumen des „Institut FranQais“. Sie schlagen sich gegenseitig sozusagen tot, haben keinen Raum um sich, kein Licht, und oft i6t es unmöglich, um die Plastiken auch nur herumzugehen. Urteile können unter solchen Umständen nur in aller Unverbindlichkeit gefällt werdeni die kleinen, ein wenig michelange-le6ken Bronzen gefesselter Athleten scheinen uns die meisten der Porträtbüsten zu überragen.

Die „Künstlerischen Volkshochschulen“ veranstalten im Messepalast eine Gemeinschaftsausstellung aller ihrer Klassen und Kurse. Sie ist umfangreich und zum Teil wirklich interessant; bemerkenswert dip ungemeine Perfektion, die sich die Teilnehmer in den Lehrgängen der kunsthandwerklichen und gebrauchskünstlerischen Rich*ung aneignen' in den Modekursen, den Kunstqew^rbe- und der Gebrauchsgraphikklassen Fabigans, der übrigens zu den besten Piakatzeichnern Wiens gehört, wurden Dinge geschaffen, die sich mit den Produktionen der Fachleute ruhig messen dürfen. Hier wurde der Dilettantismus durch einen ersprießlichen und begrüßenswerten Amateurismus ersetzt. In der bildenden Kunst ist, wie Exemplare zeigen, der Weg schwieriger und sind die Ziele ferner; doch gibt es auch unter den ausgestellten Ol- und Temperabilder einiges Hübsche.

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