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Glas-Kubus gibt Transparenz

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Neue Kirchen werden wieder ^ gebaut. Im Neubaugebiet am -L 1 Leberberg gleich zwei. Steinerne Zeugen einer kirchlichen Situation (furche/tribüne 43/94).

Zwei Kirchen, zwei architektonische Gesichter und doch ein Glaube: am Leberberg im zehnten Rezirk, einem Stadtentwicklungsgebiet liegen die neue evangelische und die neue katholische Kirche nachbarlich nebeneinander. Eine einmalige Gelegenheit, auch baulich Stellung zu beziehen und Inhalte auszudrücken. Abgrenzung, Verbrüderung oder gleichwertiges Nebeneinander?

Das Ergebnis ist eindeutig. Wer beide Gebäude sieht, weiß sofort, daß hier zwei Glaubensauffassungen in gebaute Form umgewandelt wurden. Die Elemente Wasser, Licht und Natur prägen die evangelische Kirche. Ein Kubus, zwölf Meter in Länge, Rreite und Höhe, eine sehr archaische, strenge, nüchterne, klare Rauform bildet den Sakralraum. Ein Lichtkranz und ein zentrales Lichtauge über dem Altar sorgen mit der gläsernen, künstlerisch gestalteten Sockelzone für Transparenz.

Die flexible Restunlung und der Altar in der Mitte zeigen in ihrer freien Konzeption, daß man sich in einer lebenszugewandten, praktischnüchternen Gemeinde Martin Luthers befindet.

Eingebettet in einen städtebaulichen Ablauf liegt der Sakralraum als Höhepunkt zwischen einem Kir-chenvorhof, der auf den Hauptraum einstimmen soll und dem Kindergartenhof, der das Bindeglied zur benachbarten katholischen Kirche bildet. Sakral- und Pastoralbereich, Seelsorgestation, Pfarrwohnung und Kindergarten bilden eine ästhetisch anspruchsvolle Abfolge kubischer Räume in unterschiedlichen Höhen.

Quader verschiedener Dimension aus Beton, verputztem Ziegel, Holz und Glas spielen dynamisch miteinander und bilden so eine sehr differenzierte Einheit. Ursprünglich wollte Architekt Christoph Thetter die katholische Kirche auch in sein Gesamtkonzept einbeziehen, in der Hoffnung auf eine ökumenische Gesamtplanung. Das allerdings widersprach dem katholischen Selbstverständnis.

Nicht zufällig besitzt die benachbarte katholische Kirche einen anderen baulichen Charakter. Sie ist bewahrend massiv gebaut, von einer Betonschale in weicher Form überdacht. Eine schützende Mauer umgibt die Gläubigen, oval ist die

Grundform. Mutter Kirche umhüllt ihre Kinder, geborgen sollen sie sich fühlen im steinern geformten Mantel, der das Allerheiligste birgt.

Der Stein symbolisiert Dauer und Sicherheit, Glas hingegen Transparenz und Modernität. Bewußt unterscheidet sich das katholische Bauwerk von Dombaumeister Wolfgang Zehetner.

Der katholische Glaube mit seiner Mystik und der leibhaftigen Wandlung des Brotes fühlt sich noch nicht wohl in gläsernen Würfeln, der Altarbereich ist klar definiert. Symbolträchtig schneidet die ansteigende Parabel der Mauer die Ellipse genau über dem Altar.

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