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Goethe-Ausstellung

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Wenn hier auf diese Ausstellung und die Leitgedanken ihrer Veranstalter besonders aufmerksam gemacht wird, dann geschieht es deshalb, weil diese große und monumentale Schau in zehn Räumen wert ist, von vielen Besuchern gesehen zu werden. Das hat mit Goethe-Vergötzung nichts zu tun. Die Einstellung des einzelnen Menschen zu Goethe ist nicht Gegenstand dieser Schau, sie bezweckt auch keine Propaganda für den Geist Goethes. Die Ausstellung verfolgt zunächst einen viel einfacheren Zweck: zu unterrichten, den Besucher mit der Vielfalt von Goethes Leben und Werk bekanntzumachen. Wenn es ihr gelingt, die Kenntnis und das Verständnis für Goethe zu vertiefen, dann hat sie das Wichtigste geschafft: die Voraussetzung, daß sich der einzelne mit Goethe auseinandersetzen kann. Sie ist damit gerade auch für Lernende aller Art vorzüglich geeignet.

Diese Absicht des Unterrichtens verbindet sich mit einer gefälligen Form, die das Auge des Beschauers zu fesseln vermag. Der Hauptraum, der Prunksaal der Nationalbibliothek, ist erfüllt von der Atmosphäre des Erhabenen und Großartigen, des Majestätischen. Ihm wurden noch weitere vier Räume angeschlossen (darunter der Kleine Redoutensaal, in dem die Objekte der Albertina untergebracht sind), eine Notwendigkeit, die dem Grundgedanken der Ausstellung entsprang, ein möglichst umfassendes Bild von Goethes Wirksamkeit aufzurollen, ihn daher nicht nur von seinem literarischen Schaffen her darzustellen, sondern auch die Brücke zu seinen naturwissenschaftlichen Ideen und Arbeiten zu schlagen und seine Beziehungen zur bildenden Kunst aufzuzeigen. Es wird hier wohl zum ersten-' mal in einer Ausstellung Goethes Farbentheorie an Versuchen demonstriert. Auch zeigt ein vergleichender Blick in die Kataloge früherer Goethe-Ausstellungen, daß die Beziehungen Goethes zur Naturwissenschaft diesmal in einer originellen, viel umfassenderen Weise zum Ausdruck kommen.

Da Wien trotz einzelner schöner Stücke über verhältnismäßig wenig Goethe-

Reliquien verfügt, bildete es eine Voraussetzung zur Ausstellung, kein Goethe- Museum im engeren Sinne anzustreben, sondern ohne Zuhilfenahme solcher musealer Leihgaben aus den Goethe-Städten Frankfurt am Main, Weimar und anderen Leben und Werk des Dichters für das Auge faßbar zu zeigen. Diese Aufgabe konnte nur durch die Zusammenarbeit der bedeutendsten Wiener öffentlichen Sammlungen gelingen. Ein besonderer Glücksfall lag darin, daß die Albertina über eine große Anzahl von Landschafts- und Städtebildern aus der Zeit Goethes verfügt, die für die Illustration bedeutsamer Goethe-Stätten in den drei Abteilungen, die dem Leben Goethes gewidmet sind, herangezogen werden konnten.

Über den Wert dieser monumentalen Schau zu sprechen, scheint fast überflüssig. Es ist die Aufgabe der österreichischen Nationalbibliothek selbst, Hüterin der geistigen Überlieferung zu sein und diese an kommende Generationen weiterzugeben; hier hatte sie ein Hauptkapitel, das den Namen Goethe trägt, herauszugreifen. Es braucht kaum gesagt sein, wie bedeutsam solcher Dienst gerade in einer Zeit ist, in der mächtige Stimmen die Forderung erheben, sich von dieser geistigen Tradition des Abendlandes abzuwenden. Der Jugend gegenüber den ungeheuren Wert der Tradition den Vermittler zu machen, muß zu den hervorragenden Aufgaben unserer Kulturinstitute überhaupt zählen. Diese Ausstellung dient diesem einfachen und großen Gedanken. Die ansprechende Form des Dargebotenen ist geeignet, jedem Besucher die Persönlichkeit Goethes in einer ihm gemäßen Form nahezubringen; es wird wohl keiner unbeschenkt entlassen. Schulen sollten von der Gelegenheit, sich der Welt Goethes zu nähern, Gebrauch machen, und möge auch der Goethe-Freund nicht versäumen, die sonst selten zu sehenden Stücke zu betrachten. Das Goethe-Bilderbuch, das hier in Form einer Ausstellung entstanden ist, unterscheidet sich von den beiden im Jahre 1932 in Buchform erschienenen fast gänzlich. Es würde verdienen, auch in Buchform festgehalten zu werden.

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