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Große Kunst in Italien

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Die großen Maler von Siena. Von Enzo C a r 1 i. Verlag Anton Schroll u. Co., Wien. 48 Seiten Text, 36 Seiten Bilderläuterungen, 63 Farbbilder, 75 Bilder in Kupfertiefdruck auf 112 Tafeln. Preis 590 S.

Eine so umfangreiche und. herrlich ausgestattete Darstellung der Malkunst Sieflas von ihren spätromanischen Anfängen bis nähe an das Ende der Selbständigkeit des sienesischen Staates (1555) besitzt schon deshalb bedeutenden Wert, weil sie den wirklichen Rang des Kunstschaffens dieser toskani-schen Stadt eindrucksvoll dokumentiert, die neben Pisa und Lucca und lange vor Florenz ein bedeuten.-des Kunstzentrum von stärkster Eigenart Und Produktivität war — und dennoch nie in vollem Maße als solches anerkannt wurde; denn nicht Siena, wohl aber Florenz besaß Generationen von Künstler-iiteraten, welche konsequent florentinische Kunst emporlobten, bis sie als die toskanische Kunst schlechthin in das allgemeine Bewußtsein einging, von der Forschung bis in ihre feinsten Verzweigungen erhellt und namentlich im 19. Jahrhundert wegen ihrer rationalen Grundhaltung als führend und überragend angesehen wurde. Sienas Malkunst (und noch mehr seine Plastik) dagegen erschloß.ihren keuschen Lyrismus, ihre träumerische Romantik, ihre gotische Verspieltheit erst der Zeit um 1900, ihren „primi-ti?&l*i--R&&'4m unseren Tage. Carlis Buch gibt in seine'ri'!ausge2eichneteh Bädern vori' ihr eine wirklich zureichende Vorstellung; namentlich die Farbtafeln sind so gut, daß der Betrachter fast glauben könnte, er hielte Stücke der kostbaren Tafelgemälde mit ihren strahlenden Farben, ihrem schimmernden Goldgrund in eigenen Händen. Besonders wurden in den Abbildungen sinnvolle Details mit erzählendem Inhalt und genrebildhaftem Reiz wiedergegeben — novellenhafte Episoden der Bildererzählungen und damit glücklich gewählte Dokumente der intimen Eigenart der einzelnen Künstler. Allerdings wird hierdurch die Gesamtvorstellung, welche die Bildwiedergaben von der Malerei Sienas vermitteln, wesentlich lebendiger, bunter und abwechslungsreicher als jene, welche man etwa beim Durchwandern der Pinakothek Sienas empfängt: die „sanfte Monotonie“, welche auch nach Carlis Geständnis der gesamten sienesischen Malkunst eigen ist, bleibt Carlis Buch ferne. Sind doch auch der einleitende Text, der die malerische Gesamtentwicklung und die einzelnen sienesischen Meister fein und treffend charakterisiert, sowie die ausführlichen Bilderläuterungen 'ungemein lebendig, sehr aufschlußreich und ausgezeichnet übersetzt. Da aber diese deutschsprachige Ausgabe von Carlis Werk „La pittura senese“ für ein nichtitalienisches Publikum bestimmt sein dürfte, vermissen wir im Text schmerzlich Hinweise auf die fundamentale kunstgeschichtliche Tatsache, daß die sienesische Malkunst nicht bloß in ihrer Heimat Verbreitung und verständnisvolle Liebe fand, sondern sich auch außerhalb der Toskana, zum Beispiel in der Papstburg von Avignon, in bedeutenden Freskenzyklen verkörperte und von diesem geistlichen Zentrum aus bestimmend auf die Ausbildung des ganz Europa um 1400 gemeinsamen „Weichen Stils“ eingewirkt hat.

Wertvoll für das klare Herausarbeiten der siene-sischen Sonderart bleibt Carlis absichtsvoller Verzicht auf eine ausführliche Darstellung der Werke jener Maler der Hochrenaissance und des Frühmanierismus Sienas (also des B. Peruzzi, D. Becca-fumi, G. 4el Pacchia und des aus der Lombardei zugewanderten Sodoma), in denen die sienesische Note sich bereits zugunsten einer gesamtitalienischen verflüchtigt hat. Dieses Abblühen der lokalen Eigenart bildete das geistesgeschichtliche Vorspiel zu dem Aufgehen des Stadtstaates Siena im Großherzogtum Toskana.

Die italienische Baukunst zu Beginn der Gotik.

I. Teil: Oberitalien. Von Renate Wagner-R i e g e r. Publikationen des Oesterreichischen Kulturinstituts in Rom. Abteilung für historische Studien. 1. Abteilung, 2. Band, 1. Teil. Verlag Hermann Böhlaus' Nachfolger, Graz-Köln. 170 Seiten Text mit 27 Planzeichnungen. XXVIII Tafeln mit 55 Bildern. Preis 110 S.

Die Abhandlung durchleuchtet die Unterwanderung der frei aus antiker Uetrerlieferung und den Traditionen sämtlicher Mittelmeerkulturen erwachsenen italienischen Romanik durch die burgundische und die französische Gotik, die infolge der raschen Ausbreitung des jungen, in Burgund gegründeten Zisterzienserordens sich zwischen 1130 und 1180 von Ligurien und Piemont bis nach Sizilien durchsetzte; es handelt sich hierbei um einen Prozeß der Ueber-fremdung, der im kunstgeschichtlichen Bereiche dem Ende der deutschen Kaiserherrschaft sowie dem Aufkommen der Anjou voranging und sich um 1220 mit den vom Wirken der Bettelorden ausgehenden neuen kirchlichen und sozialen Strebungen vereinigte.

Die Baudenkmale dieser Periode sind vorwiegend Zisterzienserkirchen, dreischiffige Basiliken, welche durchweg einen Bäutypus variieren, den der Orden aus kultischen Erfordernissen entwickelt hatte, und die daher eine Einförmigkeit besitzen, die neben der geistreichen Vielfalt der romanischen Dome, besonders Unteritaliens, stark abfällt. Wesentlich interessanter sind die gleichzeitigen nicht zisterziensischen spätromanischen Kirchenbauten Norditaliens, die im Buche formengeschichtlich untersucht werden und die Auseinandersetzung zwischen den Anregungen der französischen Gotik und der heimischen romanischen Bautradition verfolgen lassen — einen geistesgeschichtlich ungemein aufschlußreichen Prozeß, mit dem sich analoge Entwicklungen innerhalb der deutschen Spätromanik vergleichen lassen.

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