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Großer Brockhaus: 10. Band

19451960198020002020

Der Große Brockhaus. Sechzehnte, völlig neubearbeitete Auflage. Zehnter Band Rin—Sok. F. A. Brockhaus, Wiesbaden. 771 Seiten

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Der Große Brockhaus. Sechzehnte, völlig neubearbeitete Auflage. Zehnter Band Rin—Sok. F. A. Brockhaus, Wiesbaden. 771 Seiten

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In diesem Bande stehen die Länderartikel voran. Den geographisch-geschichtlichen Uebersichten reihen sich jeweils Darstellungen der Literatur, der Kunst, gegebenenfalls auch der Musik und der Philosophie an. Rumänien (6 Seiten), Schweden (9 Seiten) und die Schweiz (13 Seiten) nehmen den Vordergrund ein. Ausgezeichnete Illustrationen ergänzen hier den Text. Dieser ist im wesentlichen wohlgelungen. Man könnte vielleicht, z. B. bei der Schweiz, einige Wünsche Vorbringen, etwa nach neueren statistischen Angaben, die reichlich vorhanden sind, und nicht nur nach denen der Zählung von 1950. An der Schilderung des eidgenössischen Schrifttums wäre das völlige Ignorieren der Tessiner (Chiesa, Zoppi) und neuerer Westschweizer (de Rougemont, de Ziegler), dann der mangelnde Hinweis auf Erscheinungen wie Jung oder Barth, Urs v. Balthasar und J. R. v. Šalis zu rügen. Doch das sind nur kleine Schönheitsfehler an einem befriedigenden Gesamtbild. Hervorragend sind die Artikel über die Stadt Rom und über das Römische Reich, dessen Geschichte, Kunst, Literatur, Recht und Religion (zusammen 14 Seiten). Beifall heischen die Schlagworte Rio, Saargebiet, Sachsen, Salvador, Salzburg, San Franzisko, Sao Paulo, Shanghai. Schleswig-Holstein, Schottland, Serbien und serbokroatische Literatur, serbische Sprache, Sevilla, Siebenbürgen, Sizilien, Slowakei. Besonders gelungen sind die Darstellungen des muselmanischen Kulturkreises (Sahara, Saudi-Arabien). Ueber den Artikeln Schlesien und Schutzgebiete flattert zu lebhaft und zu stolz das Banner Schwarzweißrot, als daß man an den sachlichen Nachrichten über Statistik und Verwaltung dieser Territorien Genugtuung empfinden könnte. Während die Schlagworte Slawische Mythologie, Sprachen und Philologie knapp, doch vorzüglich behandelt sind, möchte man den Artikel über die Slawen unter stärkerer Berücksichtigung der Ergebnisse östlicher Forschung abgefaßt wissen. Das trifft auch auf die Russische Geschichte zu, wenigstens für die älteste Zeit; die Russische Kunst ist einwandfrei, die Russische Literatur gut dargeboten; ebenso die Russische Musik.

Unter den biographischen Notizen ragen heraus: Jean-Jacques Rousseau, Rubens, Schelling, Schiller (besonders geglückt), beide Schlegel, Schleiermacher, Schopenhauer (mustergültig), Shakespeare; in zweiter Linie: Robespierre, Rodin, Romain Rolland, Jules Romains, F. D. Roosevelt, Bertrand Rüssel, Hans Sachs, der Sozialist Saint-Simon, Sartre, Savonarola, Schinkel, Robert Schumann, Albert Schweitzer, Walter Scoft, Sealsfield, Seneca, Shaw, Shelley, Werner v. Siemens, Slowacki. Selten sind die bedeutenden Menschen gewidmeten Artikel unzureichend, etwa bei Sokrates. Zu Unrecht übersehen sind und im Brockhaus fehlen nur wenige vom deutschen Standort aus und schon gar aus europäischer Sicht Unmißbare. Eine kleine Fehlliste umfaßte z. B. den französischen Mitkämpfer am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg Rochambeau, den genialen Arzt Rokitansky, das Romancier-Brüderpaar Rosny, den hervorragenden polnischen Dramatiker Graf Rost- worowski, den „Vizekaiser“ (unter Napoleon III.) Rouher, den in Paris als Orakel geltenden Theaterkritiker Sarcey, den ausgezeichneten portugiesischen Schriftsteller Sardinha, den Kommandanten der Balkanfront im ersten Weltkrieg General Sarrail, den Polizeiminister des ersten Kaiserreiches Savary, den Sozialpolitiker Franz Schindler, den großen schweizerischen Kardinal Schinner, den französischen Komponisten Florent Schmitt, den-Tiroler Politiker Schöpfer, den Wiener Sozialisten Schuhmeier, die Schriftstellerin Ossip Schubin, den geistreichen

„Lanzknecht“ Fürst Friedrich Schwarzenberg, den berüchtigten metternichschen Polizeiminister Graf Sedlnitzky, den Kanzler Ludwigs XIV. Sėguier, den Außenminister Louis-Philippes Sėbastiani, den österreichischen Finanzgewaltigen und Politiker Sieghart, den ungarischen Dichter Sik, den polnischen Ministerpräsidenten Sikorski, den spanischen konservativen Führer Silvela, den serbischen Staatsmann Simič, den Begründer der Statistik John Sinclair, den- Eroberer Turkestans und Helden des Türkenkrieges General Skobelev, den polnischen Diplomaten und Minister Skrzynski, seinen Landsmann, den lang-

jährigen Präsidenten des österreichischen Abgeordnetenhauses Franciszek Smolka.

Eine Zierde des zehnten Brockhaus-Bandes bilden die geistesgeschichtlichen Artikel Rokoko, Romanik, Romantik. Zu den literarhistorischen Uebersichten müssen wir einige Bedenken anmelden, so zu denen über Roman und 'Schauspiel. Da vermissen wir beim- ersten dieser Artikel entscheidende Werke von Bernardui de Saint-Pierre, Senancour, den Goncourt, Goldsmith, Waugh, Papini, De Valera, Boleslaw Prus, Jirasek, Herczeg, Jakub Kadri. Beim Drama suchen wir vergebens Curel und Capek, Echegaray und Wyspianski, „Verstand bringt Leiden“ und die „Un- göttliche Komödie", „Judith und Holofernes“ und den „Dr. Knock", „Verkündigung“ und „Die letzten Tage der Menschheit“. Dafür gibt es allerlei für Lieschen Müllers oder, wenn man will, Marie-Chan- tals Geschmack. Die Waage schnellt wieder nach oben, wenn wir das Gewicht von Ueberblicken messen wie dessen über die Schrift und ihre Entwicklung, über die Schule und deren Probleme, über Runen, den Sanskrit und die Selbstbiographie. Religionswissenschaften und Philosophie sind durch größere Abschnitte über S(ch)intoismus, Scholastik, Schöpfung und Seele vertreten. Während sich die beiden letzterwähnten Artikel auf kühl distanzierende Sachlichkeit gegenüber der christlichen Auffassung beschränken und bei den Ausführungen über das Psychische sogar Neigung zu ebendiesem Standpunkt leicht durchklingt, merkt man bei der Darstellung der Scholastik allzu deutlich, daß dem Autor „die janze Richtung“ nicht paßt. Sehr wenig Platz beansprucht in diesem Bande die Soziologie samt der eigentlichen Rechtswissenschaft; Interesse wecken die Schlagworte Selbstbestimmung und Sklaverei.

' Auch die Naturwissenschaften sind, im Vergleich mit früheren Bänden, mit bescheidenerem Raum zufrieden. Das beruht freilich einzig auf dem Zufall der alphabetischen Anordnung. Wenn es sich um wichtige Probleme dreht, dann behaupten die Naturwissenschaften sogleich ihren zeitgemäßen Platz. Mehrere zoologische Zusammenfassungen (Rinder, Säugetiere, Schädlinge, Schafe, Schildkröten, Schlangen, Schmetterlinge, Schnecken), eine- botanische (Rosen) zeugen davon ebenso wie, und zwar vordringlich, die Darstellungen aus dem Grenzgebiet zur Nationalökonomie und zur Technik: über den Rundfunk (7 Seiten), über Salz, Schwefel, Seide, Silber, über Schiffe und Schiffahrt, Segelschiffe, Segelflug, über Schreib- und Setzmaschinen und über Signaltechnik. Hinüber zu Biologie und Medizin leiten die glänzenden Bearbeitungen der Röntgenologie (4 Seiten). Nun wären noch die Schlagworte Säugling (und dessen Pflege), Schädel, Schwangerschaft zu nennen, eine Schilderung des Samens von mannigfachem Standort aus, endlich, in keine Rubrik recht einzuordnen, gute Einführung ins Schach, in die Tätigkeit des Roten Kreuzes und in die Problematik des Selbstmords. Unsere Besprechung sei mit der gewohnten, doch jedesmal unerläßlichen und überzeugten Anerkennung für die prächtige Bebilderung und für die vortrefflichen Landkarten beendet.

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