Großes Welttheater - © Foto: Salzburg Museum/Luigi Caputo

„Großes Welttheater – 100 Jahre Salzburger Festspiele“

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Die Salzburger Landesausstellung in der Neuen Residenz überzeugt durch ihren kritischen Zugang und eine Fülle von Material. Zu sehen ist sie noch bis Ende September.

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Die Salzburger Landesausstellung in der Neuen Residenz überzeugt durch ihren kritischen Zugang und eine Fülle von Material. Zu sehen ist sie noch bis Ende September.

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Im Jahr 1958, gut ein Jahr, nachdem der Fernsehbetrieb in Österreich aufgenommen worden war, kam es schon zu den ersten Übertragungen von Aufführungen der Salzburger Festspiele. Selbstverständlich war der Jedermann dabei, dessen jährlichem Sterben Unsterblichkeitswert zukommt. Das Drama ist ein Teil der zum Mythos geronnenen Gründungsgeschichte, der mit der Ausstrahlung in eine damals überschaubare Menge von Wohnzimmern profan geworden war.

Überhaupt gehören zu großen Kultur­erscheinungen Gründungsmythen. Sie verschaffen dem Ganzen eine Aura, die ihre Wirksamkeit über die unterschiedlichsten Jahrzehnte hinweg bewahrt. Nicht von Beginn an stehen solche Geschichten einer Initialzündung zur Verfügung, sie bilden sich erst im Lauf der Zeit heraus, wenn sich Anekdoten zu Glanzpunkten einer historischen Entwicklung verfestigt haben. Mythen kommen aus der Tiefe der Geschichte, um ein Fall für die Gegenwart zu werden. Ein Verlag, eine Band, eine Galerie weisen einen Ursprung auf, in dem sich das Glück eines historischen Moments mit dem geschickten Gebaren herausragender Protagonisten verbündet.

Wer von den Salzburger Festspielen heute redet, führt unweigerlich das Wagnis eines vorausschauenden Friedensprojektes im Munde. Nach dem Ersten Weltkrieg bot die Kultur den Ausweg aus der Engsicht nationalistischer Verblendung, lautet die gängige Überlieferung. Das klingt einleuchtend und spendet Trost in aufgewühlten Zeiten, stimmt nur nicht so ganz. Bevor Hofmannsthal, den wir nach dem Ersten Weltkrieg als glühenden Wortführer einer friedlich gestimmten Zukunft schätzen, zur Vernunft kam, hatte auch er nichts gegen einen Krieg einzuwenden. „Was man jetzt erlebt, hat eine solche Größe, dass es ja beinahe über das Fassungsvermögen geht“, schrieb er an seine Frau Gerty. Und weiter: „Ein solches Volk kann auch nicht besiegt werden.“ Dabei verhielt er sich öffentlich zurückhaltend im Vergleich zu vielen seiner Kollegen, die in zu Recht vergessenen Gedichten die Kriegsstimmung befeuerten. Er, dem es selbst erspart geblieben war, an der Front zu kämpfen, musste erst den Schrecken erleben, um sich mit Grausen vom legitimierten Töten abzuwenden.

Karrieristen und Betrogene

Freilich trägt die Salzburger Landesausstellung im Salzburg Museum über 100 Jahre Salzburger ­Festspielgeschichte den Friedensgedanken weiter, geht aber in Summe dank des kritischen Zugangs dann doch auch darüber hinaus. Vom Frieden lässt sich gut reden, doch wo Macht ist, ist der Missbrauch nicht weit, kommt es zu Intrigen, Ränken, üblen Spielen, verdeckt von der holden Kunst, die veredelt, was in der schnöden Wirklichkeit an Üblem gerade angerichtet worden ist. Die Geschichte der Festspiele ist nicht nur eine der fantastischen Kunsterlebnisse, sie ist auch eine von Karrieristen und Betrogenen, von Windfähnchen und aufrechten Charakteren. Zu den Aufrechten gehört der Dirigent Arturo Toscanini, der in einem Telegramm vom 3. März 1938, als der „Anschluss“ ­unmittelbar bevorsteht, die Direktion der Festspiele wissen lässt, dass mit ihm nicht zu rechnen sein wird: „wundere mich ­ueber ihr telegramm und wundere mich dass man nicht bereits aus meinen [sic!] ersten kabel die endgueltigkeit meiner entscheidung verstanden hat“.

Das Dokument befindet sich in der Max-Gandolph-Bibliothek, wo zu jedem Jahr der Festspiele ein Objekt für eine Vitrine ausgewählt wurde, repräsentativ für die geistige und politische Lage der Festspiele. Mit der Machtübernahme der Nazis war Juden „das öffentliche Tragen von alpenländischen (echten oder unechten) Trachten, wie Lederhosen, Joppen, Dirndlkleidern, weißen Wadenstutzen, Tirolerhüten usw. verboten“. Darüber informiert die Abteilung „Don ­Giovanni kauft sich eine Lederhose“. Für die Stars war es selbstverständlich, sich in alpenländischer Gewandung zu präsentieren. „Ich bin ein Salzburger“, brachten sie damit zum Ausdruck – auf Zeit jedenfalls. Die Fülle des Fotomaterials, auf dem man die Publikumsgünstlinge ihrer Zeit posieren sieht, lässt einen rasch erkennen, dass zur Inszenierung der Persönlichkeit der spezifische Sommerfrischen-Flair gehörte, eine Mischung aus Eleganz und Biederkeit, einer fortschrittsfeindlichen Ära gemäß.

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