7087895-1994_19_24.jpg
Digital In Arbeit

HEILSWEGE BUBFAHRTEN BANKSA GUNGEN REISEN

Werbung
Werbung
Werbung

Im herrlichen Ambiente des ehe-

Imaligen Augustiner-Chorherrenstifts PöUau wird der Besucher dazu eingeladen, sich dem Phänomen „Wallfahrt" zu stellen. Der Ausstellung^rt ist gut gewählt, denn PöUau hegt auf dem alten Wallfahrerweg vom Osten Europas nach Mariazell, und zudem stand Überheferungen zufolge bereits in keltisch-römischer Zeit ein Kult heiligtum am PöUauberg. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurde dort eine christliche Wallfahrerstätte errichtet. Der Legende nach soll eine blinde mährische Gräfin ihre Sehkraft wiedererlangt haben, als sie ihre Augen mit dem Wasser einer dort entspringenden Quelle benetzte.

Die Architektur des mächtigen Stiftes, die imposante gotische Wallfahrtskirche PöUauberg uud die Landschaft des Hartbergerlandes werden in die Schau geschickt mit-einbezogen und kommen mit den KBi^sgestellten Objekten, den unkon-ventionell gebauten Bildern und Tex-I^^Hen gut zur Geltung. Anhand von zum ^^VjTeil sehr wertvollen Exponaten aus ^^Hder ganzen Welt wird in 24 Räumen ^^^^e lange Geschichte der Wallfahrt il-^^^Hviert.

H|HHo sind alte Handschriften wie

HV kunstvoll verzierte Ablaßbriefe und ^Br Reisedokurriente von prominenten Urkunden und Gemäl-^^fc|ÄHfe:~Meister, aber auch zum Teil

Volksglaubens wie etwa Votivgaben und Andachtsbilder aus ländlichen Wallfahrtskirchen zu sehen. Jedem dieser Objekte kam im Leben der Menschen, die sich von der Wallfahrt sowohl körperliche als auch seehsche Heilung versprachen, eine ganz spezifische Bedeutung zu.

Die Ausstellung gibt einen Überblick über den historischen Werdegang des Phänomens „Wallfahrt", von antiken Mysterienkulten über die klassischen Piįerziele, den „peregri-nationes majores" wie Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela bis zu Gnadenstatten wie Mariazell, Lourdes und Fitima.

Während es m den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt noch keine chrisdichen Pilgerfahrten im eigentlichen Sinne gab, sondern Reisen vor allem aus wissenschaftlich-theologischen Gründen unternommen wurden, änderte sich die Situation mit dem Toleranzedikt von Konstantin 1. im Jahre 313 n. Chr. schlagartig: Bischof Makarios soll damals in Nicäa vom vernachlässigten Zustand der heiligen Orte erzählt und so zu den fortan rege einsetzenden Pilgerreisen angeregt haben.

Die Schau setzt sich aber auch mit den Gründen auseinander, weshalb Menschen aller sozialer Schichten seit über zwei Jahrtausenden sich trotz der damit verbundenen Strapazen dazu entschheßen, eine Wallfahrt auf sich zu nehmen. Die körperlichen Anstrengungen, die Gefahren eines solchen Unternehmens sind heute, da viele Wallfahrer den weiten Weg zum Pilgerziel nicht mehr zu Fuß zurücklegen, kaum vorstellbar.

Nicht umsonst wurden im Mittelalter Wallfahrten als Ersatz für die Todesstrafe zuerst von geistlichen, ab dem 14. Jahrhundert auch von welth-chen Gerichten verhängt. Zur Strafverschärfung kamen in manchen Fällen zusätzliche Erschwernisse auf der Pilgerreise selbst hinzu, wie etwa die Pflicht, ein Büßergewand zu trafen, barfuß zu gehen oder sich auf dem Weg zum Pilgerziel ausschheßhch durdi Betteln zu ernähren. •

Theologisch ist die Wallfahrt keineswegs einheitlich definiert; sie gilt allgemein als eine Form der Volksfrömmigkeit. Die Wallfahrer besuchen entfernte heilige Stätten in religiöser Absicht und Haltung, um dort zumeist übernatürlicher Hilfe und Begnadung teilhaftig zu werden.

Ein anderes Motiv besteht in dem menschlichen Bedürfnis, Gott von Zeit zu Zeit besonders nahe zu kommen. Bei so manchem dürfte aber auch schhcht Reiselust oder Femweh eine RoUe gespielt hahen.

Reisten ursprünglich wohlhabende Pilger meistens allein zu femen Stätten, war im Laufe der Zeit zunehmend das Gemeinschaftserlebnis wesentlicher Bestandteil einer Wallfahrt.

Die Ausstellungsmacher versuchen, dem Besucher die Wirklichkeit imd Historie der Wallfahrt anhand von wohl ausgemachten Installationen nahezubringen.

Die Zeitreise beginnt im Innenhof des Stiftes mit; einer „Inszenienmg der Grundelemente" der Wallfahrt, die sich Filmregisseur Wilhelm Hengstler durch einen Baum, Felsen und eine Quelle symbolisiert vorstellt, geht weiter über einen „Götterhain", fiihrt über eine Stiege, die für den Aufstieg des Christentums steht, in den zweiten Stock, wo die Wallfahrt im europäischen Kontext mit Pilger zielen wie Santiago, Aachen und Mariazell geschildert wird.

Der Besucher wandert weiter über eine „Via Sacra" auf der Seitenempore und über eine temporäre Brücken-konstruktion im Querschiff der Pöl-lauer Barockkirche in die „Neue Welt" und tritt dann - nach einem kurzen Abstecher in die großen Wallfahrtsorte des 19. Jahrhunderts - den letzten Abschnitt seiner ganz persönlichen „Wallfahrt" an. Schnellebigkeit und hektische Oberflächlichkeit der į Zeit könnten als Gegenbewegung ge- J rade wieder eine Renaissance des 1 Wallfahrens provozieren.

Zur Landesausstellung vnrd auch ein vielfältiges kulturelles Rahmen Programm angeboten, das von Foto-ausstellungen, Diavorträgen, Konzerten und Musikperformances zum Thema „Wallfahrt" bis zu Möglich keiten reicht, sich durch Fußwallfahr- » ten auf die Ausstellung einzustim ^ men.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung