Heimat mit und ohne glasige Augen

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Die Albertina bündelt die Werke österreichischer Fotografinnen und Fotografen, die mit ihren Bildern das eigene Land und seine soziokulturellen Identitäten hinterfragen -und erzählt gleichzeitig auch österreichische Fotogeschichte von 1970 bis ins Jahr 2000.

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Die Albertina bündelt die Werke österreichischer Fotografinnen und Fotografen, die mit ihren Bildern das eigene Land und seine soziokulturellen Identitäten hinterfragen -und erzählt gleichzeitig auch österreichische Fotogeschichte von 1970 bis ins Jahr 2000.

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Immer das gleiche diffuse Licht, nie Sonnenschein, um harte Kontraste zu vermeiden. Und immer hält er eine gewisse Distanz zu den von ihm fotografierten Menschen. So schuf Bernhard Fuchs, der in Düsseldorf bei Bernd und Hilla Becher Fotografie studiert hatte, seine "Porträtserie": Aufnahmen von Menschen im Mühlviertel.

Ein junger Mann auf seinem Motorrad, ein Forstarbeiter im Wald, eine Bäuerin vor einem Holzverschlag. Es sind quadratische Fotos, gemacht mit einer Mittelformatkamera. Angegeben wird jeweils der Ort der Aufnahme, nicht allerdings der Name der oder des Porträtierten, vielleicht, weil es in dieser Serie eher um Typen als um Individuen geht. Gezeigt wird gewissermaßen das Gesicht einer abgeschiedenen Gegend.

Am österreichischen Mittagstisch

Gegenüber dieser in einer Reihe präsentierten Serie sind die "Mittagsporträts -Der Stand der Dinge" von Robert F. Hammerstiel zu sehen. Aufnahmen von österreichischen Mittagstischen. Das karierte Wachstuch glänzt, das Fleisch trieft, die Tomaten leuchten. Die einzelnen Werke sind zu einem quadratischen Tableau zusammengefügt. Momentaufnahmen aus österreichischen Haushalten, die Rückschlüsse auf die jeweiligen Personen zulassen.

Was haben diese beiden Werkgruppen gemeinsam? Worum geht es in der aktuellen Ausstellung der Albertina? Es geht um Heimatbilder, darum, wie heimische Fotografen ihr Land sehen. Titel: "Österreich. Fotografie 1970-2000". Unmittelbarer Anlass dazu war, sagt Walter Moser, Kurator dieser Ausstellung, die jüngste Bundespräsidentenwahl, bei der beide Kandidaten, mit je unterschiedlicher Ausrichtung, ihre Liebe zur Heimat bekundeten.

In den 1970er-Jahren tut sich hierzulande einiges in der Fotografie. Mit dem Fotohof in Salzburg und der Camera Austria in Graz etablieren sich zwei wichtige Foto-Institutionen. Zur selben Zeit wird der Heimatbegriff gerade von heimischen Künstlern neu verhandelt.

Gegen die Verdrängung

Romantische Berglandschaften, das war lange Zeit das offiziöse Bild von Österreich. Dann kommen vor rund vierzig Jahren erstmals neue und andere Bilder auf. Valie Export zeigt mit ihrer Arbeit "Haus des Meeres", dass zu Wien nicht nur der Stephansdom und Heurigenseligkeit gehören, sondern auch ein in die Höhe ragender Betonklotz, der einstige Flakturm im 6. Wiener Gemeindebezirk. Diese Arbeit ist aus mehreren Einzelbildern montiert, mit der Absicht, ein Zeichen "gegen die Verdrängung der Zeit" setzen, wie die Künstlerin in dem sehr schön gestalteten Katalog ausführt.

Wien, das ist auch trunkene Ausgelassenheit. Das bringt Leo Kandl mit seiner "Weinhaus"-Serie zum Ausdruck. Anfang der Siebzigerjahre mischte sich der Fotograf unter die Gäste billiger Wiener Schenken. Und es gelang ihm, das wahre Leben in diesen Lokalitäten einzufangen: torkelnde Männer, schmusende Paare, glasige Augen. Das Vertrauen seiner Protagonisten gewann Leo Kandl, indem er zunächst Polaroidfotos machte und von den doppelt aufgenommenen Bildern jeweils eines den Porträtierten schenkte. Diese Polaroidfotos werden nun auch in der Ausstellung gezeigt, haben es also zu Museumsweihen geschafft. Nach der Ausstellung müssen sie schnell wieder ins Archiv, denn ihre Farbe bleicht schnell aus.

Valie Export und Leo Kandl: Hier die streng konzeptuelle Arbeit, dort die spontan-intiuitive. Hier geht es um kulturelle Identität, dort um das soziale Milieu. Zwei ganz unterschiedliche Ansätze. Wieder einen anderen finden wir bei Gerhard Roth. Der Autor macht Fotos von Menschen, um "ein optisches Archiv" für seine schriftstellerische Arbeit zu haben. Die Aufnahmen als Erinnerungsstütze.

Wer den Ausstellungstitel liest, mag unter Umständen irrtümlich denken, hier werde ein Überblick über das zurückliegende Schaffen österreichischer Fotokünstler geliefert. Nein, es geht, wie schon erklärt, um ihre Sicht auf ihr Heimatland. Und dennoch: die Ausstellung präsentiert zugleich die breite Palette an Zugängen und Umsetzungsmöglichkeiten, die die Fotografie eröffnet und der sich heimische Künstler bedienen.

Romantische Berglandschaften, das war lange Zeit das offiziöse Bild von Österreich. Dann kommen vor rund vierzig Jahren erstmals neue und andere Bilder auf.

Österreich. Fotografie 1970-2000 bis 8. Oktober, Albertina tägl. 10-18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr www.albertina.at

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