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Herbes Urteil der Zeitgenossen

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Ein Zauderer, in innere und äußere Kämpfe verwickelt, meidet er das scharfe Klima der Reichspolitik. „Des heiligen römischen Reiches Erzschlafmütze“ ist noch das mildeste unter den herben Urteilen seiner Zeitgenossen. Ein schwacher Mann, der durch kleinlichen Starrsinn und Verschlagenheit zu ersetzen sucht, was ihm an Größe utnd Entschlußkraft fehlte? Oder ein Mann tieferer Einsicht, der, hinter Schroffheit und Schläue verschanzt, seine dynastischen Ziele verfolgte? Neuere Forschungsergebnisse erhellten die starke innere Bindung Friedrichs III. an seinen Oheim, Herzog Rudolf IV. den Stifter, dem er „mit der ganzen Pedanterie des Epigonen“ (Alphons Lhotsky) nachstrebte, vor allem, indem er sich dessen österreichischstammländisches Konzept zu eigen machte. In einer 1453 zu Wiener Neustadt erlassenen „sanctio prag- matioa“ festigte Friedrich die Position des Hauses Österreich auf Jahrhunderte hinaus.

Skizzenhafte Vorstellungen vertiefen und präzisieren sich in der Schau, die Wiener Neustadt bietet, zum reichen Lebens- und Zeitbild. Durch die vielen unschätzbaren Leihgaben ausländischer Museen, Sammlungen und Archive wird diese Würdigung Friedrichs III. zum gesamteuropäischen Kulturereignis.

Gotik und Betondecke

Der in Innsbruck geborene Fürst, Sohn Herzog Ernst des Eisernen aus der Steirischen Linie (erst Friedrich HI. schafft den Titel Erzherzog), war der erste Halbsburger, der in einer ständigen Residenz mehr oder weniger seßhaft wurde. Deren Situation wird an den Exponaten im restaurierten Kreuzgang von Sankt Peter deutlich. Wiener Neustadt zählte um die Mitte des 15. Jahrhunderts rund 8000 Einwohner und erlebte eine wirtschaftliche Blütezeit. Das älteste Grund- und Gewerbebuch der Stadt und das silberne Siegeltypar der Bäckerzunft geben ebenso davon Zeugnis wie das Silbergeld, das Friedrichs Münzmeister Erwein vom Stege hier schlagen ließ.

Im hohen hellen Kirchenschiff, das durch eine neutrale Betondecke abgeschlossen wurde, öffnet Österreich und mit ihm das ganze Abendland in Schatzkammer. Vom

Grabgewand Herzog Ernst des Eisernen, der in Stift Rein bei Graz bestattet wurde, stammt das ornamentierte Samtfragment in gedämpftem Blati ‘mit Braun und Gold. Seine Gemahlin und Friedrichs Mutter, die polnische Prinzessin Zimburgis von Masowiem, ist auf einer späteren Zeichnung, einer sogenannten „Visionierung“, aus Jörg Kölderers Mühlauer Gußhütte zu sehen, wo die erzene Ahnengalerie für das Innsbrucker Maximiliangrab entstand.

Anno 1440 zum römischen König gewählt — er nahm die Wahl feierlich im Neustädter Dean an —, muß sich Friedrich immer wieder gegen die unbotmäßigen Stände der Erblande zur Wehr setzen. Im „Mailberger Bund“ vereinigen sich seine Gegner. Die Vertragsurkunde trägt nicht weniger als 254 Wachssiegel, eine einzigartige mittelalterliche Siegelsammlung für sich! Friedrichs Romreise zur Kaiserkrönung durch den Papst, zugleich seine Brautfahrt zur Vermählung mit Eleonore von Portugal, findet im Bericht seines

Sekretärs Eneas Silvius Piccolomini, des späteren Papstes Pius II., ihren historiografischen Niederschlag und in den figurenreichen Kostümaufzügen auf den Tafelbildern italienischer Meister ihre prunkende Darstellung. '

Des Kaisers Majestät

Kaum dreißigjährig stirbt die Portugiesin. Ihre Grabplatte mit dem ganzfigurigen Relief wurde im Original aus der Wiener Neustädter Neuklosterkirche in den Ausstellungsraum überführt. Beherrschendes Gegenstück dazu und zentrales Objekt überhaupt: der vor mehreren Jahrzehnten gefertigte Gipsabguß von Friedrichs gewaltigem Tumbadeckel, die Schöpfung Niklas van Leydens, darauf die Gestalt des Kaisers im Ornat mit Krone, Zepter und Reichsapfel, umgeben vom Prunk der Wappen. Und auch hier, zwischen Zepter und Schilden, das Schriftband mit den Buchstaben „AEIOU“, Friedrichs von ihm selbst niemals gedeutete mystische „Devise“. Spätere Geschlechter erklügelten dann verschiedene patriotische Auslegungen, wie „Austria Erit In Orbe Ultima“ oder „Alles Erdreich ist Österreich untertan“.

Die erste Eintragung der rätselvollen Buchstaben, vermutlich von fremder Hand, findet sich im ausgestellten Notizbuch Friedrichs aus dem Jahr 1437, leitmotivisch kehrt diese Vokalfolge als Eigner- und Stifterzeichen im ganzen Lebensund Wirkensbereich des Kaisers wieder: ins gemeißelte Maßwerk des Neustädter Doms gefügt oder geradezu modern plakativ auf dem Buchdeckel einer der prachtvollen illuminierten Handschriften aus seiner Bibliothek. Über Wappen und Helmzier der Erblande in der „Handregistratur“ ebenso wie auf dem Corvinus-Becher, einem Meisterwerk spätgotischer Goldschmiedekunst, legendär mit des Kaisers ritterlichem Hauptwi'der- sacher Matthias Corvinus, zeitweiligem miilden Herrn über Wiener Neustadt, in Beziehung gebracht, und schließlich auf den Flügelaltären, die der Herrscher stiftete. Daß in der Fülle des Kostbaren erstmalig der Ausseer „Gnadenstuhlaltar“ des Meisters Hans von Tübingen und sämtliche Altartafeln des Wiener Schottenmeisters zu sehen sind, auf denen sich das Marienleben und die Passion Christi im Bannkreis des gotischen Wien vollziehen, dies allein schon setzt der Ausstellung drei Baedeker-Sterne bei.

Ein heraldischer Schönheitsfehler

Das Titelblatt der „Handregistratur“ mit dem Bindenschild und den Wappen von Österreich unter und ob der Enns ergab das Umschlagbild des Katalogs, der seinerseits ein grundlegendes Werk über den ganzen Themenbereich wurde. Beim Layout des Werbeprospektes für die Ausstellung, der in alle Welt ging, wurde allerdings das oberösterreichische Wappen weggeschnitten, wodurch sich der heraldische Fehler ergab, daß nun das wichtigere Wappen, der Bindenschild, der auf dem vollständigen Bild den Gesetzen der Wappenkunde entsprechend bei ungerader Anordnung in der Mitte stand, zwangsläufig links zu stehen kam, statt rechts, wie es die Heraldik bei Anordnung des Bindenschilds in Verbindung mit einem einzigen erbländischen Wappen gebietet. Daß dies niemandem auffiel, ist eigentlich verwunderlich.

Das Antlitz eines alten Mannes

Besondere Bedeutung kommt den Bildnissen Friedrichs III. zu. (Auf diesem Gebiet leistete die junge Historikerin Dr. Hanna Dornik-Eger sehr wichtige Forschunsarbeit.) War er doch der erste Habsburger, dessen Porträts nicht bloß repräsentativ typisieren, sondern die physio- gnomischen Charakteristika wiedergeben, die er seinem Sohn und der ganzen Geschlechterfolge als „Habsburgergesicht“ vererbte. Die vorhandenen Bildnisse sind zumeist Kopien aus der Zeit Maximilians, sie zeigen das scharfe Profil unter dem gleichsam mit dem Pinsel ziselierten Geschmeide der typischen Spangenkrone der eigenen (nicht der Reichs-!) Kroninsiignien und zuletzt den kantigen Greisenkopf des mißtrauischen, vielgeschmähten widerspruchsvollen Mannes, der in Linz langsam dahinsiechte. Nach einem Leben, in dem er auf halbem Wege nur, mit halben Mitteln zaudernd zu halber Tat schritt? Der Sohn kannte ihn besser, blickte tiefer. In einem Brief an einen vertrauten Freund schrieb er, er bedürfe sehr der Hilfe des Vaters, denn mit diesem vereint könnte er sich wohl allen Ungemachs und „aller feindt erwehren“ ...

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