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Hiebschwert aus Eisen

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Das Gräberfeld von Hallstatt birgt noch manches Geheimnis. Dabei glaubte die Fachwelt bereits 1864, als der Bergmeister und Bergrat der k. k. Saline Hallstatt, Johann Georg Bamsauer, seine 17 Jahre dauernden Grabungen auf dem stark abfallenden Hang der Niederen Sieg über dem oberösterreichischen Hall-stätter See mit der Entdeckung von 980 Gräbern abschloß, die prähistorische Nekropole komplett erforscht zu haben. Dann aber wurden zwischen 1871 und 1877 durch Bamsauers ehemaligen Mitarbeiter Isidor Engel weitere mit reichen Beigaben versehene Gräber freigelegt.

Zwischen 1874 und 1888 wurden 146 Gräber geortet und ihr Inventar geborgen. 1907 fand die an Altertümern interessierte Großherzogin Maria von Mecklenburg 26 Grabstätten. Und zwischen 1937 und 1939 hob Friedrich Morton, der Nachfolger Engels als Leiter des Museums Hallstatt, 62 Bestattungen ans Tageslicht. 1993, 1994 und 1995 deckte Anton Kern von der Prähistorischen Abteilung des Wiener Naturhistorischen Museums, wo sich der Großteil der Hallstattfunde befindet, 15 Gräber mit 19 Bestattungen auf. Ob es die letzten übersehenen Gräber der durch die Salzgewinnung wohlhabend bis reich gewordenen Hallstattmenschen waren, werden die nächsten Jahre zeigen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind auf jeden Fall zu erwarten.

Ausgelöst wurde die neue Grabungswelle im Bereich des unter Denkmalschutz stehenden Hochtales im Zusammenhang mit der Verlegung von Druckrohren für das Salinen-Kraftwerk. Schon bei den ersten Suchschnitten wurde unfern des von Morton untersuchten Areals ein Grab mit drei Bestattungen - darunter eine schwangere Frau, der man einen Bronze-Armreifen, Fußringe und eine Gürtelhaken mit ins Grab gegeben hatte - zutage gebracht. Bei dem mit beigesetzten Mann fand Kern eine Eisenaxt, die aus dem thrako-skythi-schen Baum Südosteuropas stammt und jene Theorie zu bestärken scheint, die von Vorstößen der Skythen bis weit nach Mitteleuropa spricht. Die dritte Person dürfte ebenfalls eine Frau gewesen sein. Alle drei Bestattungen gehören in die jüngere Phase des vom achten bis ins fünfte Jahrhundert v. Chr. belegten Friedhofes.

Unter die Erde gebracht hatte man die Toten in Körper- und Brandgräbern. Das Wie hing offensichtlich mit der sozialen Stellung der Toten zusammen. Die besonders reich mit Beigaben ausgestatteten Gräber sind nämlich durchwegs Brandgräber. Verbrannt hatte man die Angehörigen der Oberschicht, zu denen Krieger und Salzherren gehörten, samt Gewand und einem Teil ihrer Beigaben auf Scheiterhaufen. Dann sammelte man Asche und Bückstände auf und begrub diese entweder in einem Behälter aus Ton, einem Leinen- oder Ledersäckchen oder schüttete sie einfach in die Grube. Die meisten der unverbrannten Toten bettete man in gestreckter Bückenlage mit Blick nach Osten zur letzten Buhe.

Kern stieß unterhalb der Hallstattgräber des sechsten/fünften Jahrhunderts v. Chr. auf Spuren von fenster-und türlosen Holzhäusern, die schon Morton festgestellt hatte. Morton allerdings hatte sie für Blockhäuser gehalten, Kern sieht in ihnen Becken, in denen die urgeschichtlichen Bergleute das unter Tag abgebaute und in Tragsäcken (wie sie etwa Karl Kromer vom Naturhistorischen Museum in urgeschichtlichen Stollen des Bergwerks gefunden hat) nach oben gebrachte Salzgestein zur Sole gesotten haben. Datiert werden die Holzbauten in die späte Bronzezeit (1250 bis rund 750 v. Chr.), also in die Vorgängerepoche der Älteren Eisenzeit. Dieser gab der schwedische Archäologe H. Hildebrandt 1874 den Namen Hallstattkultur.

In der von Mitte September bis Mitte Oktober dauernden Kampagne von 1995 fand Kern acht Brand- und zwei Körpergräber. In den Brandgräbern lagen Männer und Frauen. Identifizieren konnte sie der Wissenschaftler anhand der Beigaben. So wiesen Mehrkopfnadeln die Toten als Männer aus, Brillenfibeln (aus spiralförmig gedrehten Drahtscheiben) gehörten den Frauen. Zwei Frauen-Brandgräber bargen außerdem Beste eines Kopfschmuckes: in einem Fall bestand er aus zehn, im anderen Fall aus elf Bronzenadeln. Daneben lagen zwei Brillenfibeln, zwei Bogenfibeln, ein Gürtelhaken aus Bronze, Glasperlen und drei Keramikgefäße.

In den Männer-Brandgräbern gab es neben zahlreichen Tongefäßen und einer Mehrkopfnadel eine Säge, eine Feile, ein eisernes Lappenbeil und weitere nicht mehr feststellbare Eisenobjekte.

Höhepunkt der heurigen Kampagne war die Freilegung eines Brand-grabes, das ein 83 Zentimeter langes Eisenschwert enthielt: eines von bislang 20 geborgenen Hiebschwertern, das unter dem Namen Hallstattschwert einen ganz bestimmten Typus repräsentiert - den der längsten und schwersten Waffe der Urgeschichte.

Aus Eisen oder Bronze gefertigt, ist es ein Charakteristikum des reichen und mächtigen Hallstattmenschen des achten und siebenten Jahrhunderts v. Chr. (Bei den Krieger- beziehungsweise Waffengräbern des sechsten und fünften Jahrhunderts v. Chr. yvurde das Hallstattschwert durch einen kunstvoll gearbeiteten, für den

Kampf ungeeigneten Dolch ersetzt. Er wird deshalb als reines Würdezeichen gewertet.)

Da sich in dem Schwert-Grab des heurigen Jahres unter der gut erhaltenen Waffe eine eiserne Feile befand, hält es Kern für möglich, daß diese Ausrüstungskombination den Toten als Krieger-Handwerker ausweisen sollte. Darüber hinaus hatte man dem Toten noch zwei Lappen-beile aus Bronze, drei Mehrkopfnadeln, zwei kleine Messer, ein großes Messer mit seltenem Knochengriff, einen Schleifstein, sechs Wildschweinhauer, eine Vielzahl von Pfeilspitzen und acht Tongefäße für Speisen und Getränke mitgegeben.

Finanziert wurden die Kampagnen von 1993 und 1994 vom Denkmalamt und der Saline. Die Grabung 1995 wurde voll von der Saline bezahlt. Kern wird auch in den nächsten Jahren auf dem Gräberfeld arbeiten. Mit anderen Methoden und nach anderen Gesichtspunkten als ein Ramsauer oder gar die Großherzogin von Mecklenburg. Sie suchten, wie es der Zeit entsprach, nach „kuriosen” oder „schönen” Stücken wie dem sogenannten „Schöpfgefäß mit Kuh und Kälbchen” aus Bronzeblech, während sie Tonscherben in der Begel unbeachtet liegen ließen.

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