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Hier weht internationaler Wind

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Blickt man jetzt, an einem diesigen Herbsttag, vom Berg der alten Festung hinunter auf Ljubljana- Laibach, die Hauptstadt Sloweniens, so erinnert vieles an Graz: wie dort liegt die Altstadt mit ihren schmalen Häusern und engen Gassen unmittelbar am Berghang, wie dort dehnt sich die Stadt beinahe rings um den Schloßberg aus.

Laibach mit seinen fast 150.000 Einwohnern hat das Leben einer wirklichen Hauptstadt: es ist der Sitz der Verwaltung und des Bistums und besitzt eine Universität, eine Akademie der Wissenschaften und Künste, eine Oper, mehrere Theater und Museen. Die Architektur der Stadt läßt sich, grob gesprochen, in drei Gruppen teilen: in die mittelalterlichen und barocken Bauwerke, deren Reize nicht nur in der Baukunst, sondern auch in ihrem Alter liegen, in die Bauwerke neuerer Zeit, der dortigen Gründerjahre, die beinahe ausnahmslos vom Architekten Josip PleCnik stammen, und in die Bauten neuester Zeit, die nach dem zweiten Weltkrieg entstanden sind. Sie sind von trostloser Einförmigkeit und Häßlichkeit. Man zweifelt, ob es überhaupt möglich ist, schlechter und häßlicher zu bauen als in einer Volksdemokratie. Wiener Gemeindebauten wirken im Vergleich beinahe charmant. ..

Laibach besitzt zwei sehr rührige große Galerien: die Narodna Galerija Nationalmuseum und -galerie, geleitet von Dr. Karel Dobida, und die Moderna Galerija Moderne Galerie, die der jüngere Dr Zoran Krzisnik leitet. Beide werden in beispielhafter Weise vom Staate dotiert, ohne daß man deswegen im geringsten den Eindruck einer Bevormundung hätte.

Wir hatten Gelegenheit, die Einrichtungen der Modernen Galerie zu besichtigen — und staunten immer wieder, was sie alles besitzt und wie vorzüglich sie eingerichtet ist. Da ist die Photothek, die Abbildungen aller Werke enthält, die einmal in der Modernen Galerie gezeigt wurden sowie Abbildungen aller irgendwie bedeutenden Werke aller irgendwie bedeutenden slowenischen Künstler der Gegenwart; dann das hochmoderne Depot mit seinen Schiebewänden, die jedes Werk sofort erreichbar machen; und dann die vorzüglichen Kataloge. Sie haben fast durchweg den Charakter kleiner Monographien, sind sorgfältig gestaltet und enthalten viele Abbildungen. Der besonders eindrucksvolle Katalog der 2. Internationalen Graphikausstellung, die in diesem Sommer stattfand, hat 150 Seiten mit 13p Abbildungen; den Einband krönt eine erst heuer entstandene Farblithographie Marc Chagalls» „Monyje-de-Notre.

Und die Ausstellungen selbst! Hier weht internationaler Wind. Ausstellungen, die nie nach Wien kamen — den Laibachern sind sie selbstverständlich. Man hat den Eindruck, daß die politische Isolierung, in der sich Jugoslawien befand und leider auch schon wieder befindet, vielfach aufgeholt und aufgewogen werden soll durch künstlerische Aktivität, durch Kontakte mit den Kunstzentren des Westens, durch Teilnahme am geistigen Leben der Welt. Alle Unternehmungen der Modernen Galerie zeugen von einer bei uns leider so selten gewordenen Begeisterungsfähigkeit, von Aufgeschlossenheit und Anteilnahme, die aus dem Herzen kommen.

Die Moderne Galerie brachte große Ausstellungen von Pablo Picasso und Henry Moore; ihre in zweijährigem Abstand stattfindende, mit Preisen reich versehene Internationale Graphikausstellung ist rasch berühmt geworden. Derzeit ist eine große Ausstellung ■ des Kärntner Malers Werner Berg — oder, wie es auf den Einladungen slowenisch gedruckt steht: Wernerja Berga — zu sehen. Mit etwa 65 Oelbildern, 6 Aquarellen, mehr als 70 Holzschnitten und zahlreichen Skizzenblättern ist es die umfassendste Ausstellung seines Werkes, die bisher stattfand. Seltsam, daß diese Ausstellung nicht in Oesterreich, sondern m unserem südlichen Nachbarlande zustande kam …

Die. Ausstellung ist ausgezeichnet gehängt. Die Reihenfolge ist nicht chronologisch, sondern die Bilder wurden nach Motiven und Stimmungsgehalt zusammengefaßt. Besonders gut kommen die Holzschnitte zur Geltung. Diese Berg-Exposition hatte ein für unsere Verhältnisse ungewöhnlich starkes und : vielfältiges Echo. Die Besucherzahlen liegen täglich weit über hundert, mögen manchmal auch ein Mehrfaches davon betragen. Gewiß mag der Themenkreis der Bilder, der Alltag der Kärntner Slowenen und ihre Landschaft, eine, besondere Anziehungskraft auf die Laibacher ausüben, doch würde das allein, ohne eine allgemein bestehende Freude an der Kunst, das Interesse nicht erklären. Von Besuchern und von der Presse wird die starke Ausdruckskraft und Charakterisierungskunst der Bilder Bergs hervorgehoben, ihre Poesie und der hohe Grad der Verdichtung, den sie erreichen.

Für Werner Berg, der geistig von Edvard Munch und Emil Nolde herkommt, ist jedes Bild ein Bild der Welt. Nicht mehr und nicht weniger will er, als in einer wurzellos gewordenen Zeit dem Abbild neue Gleichniskraft und Wahrheit geben und gleichzeitig in der Kunst — ähnlich wie Orff in der Musik — eine neue Bodennähe und Ursprünglichkeit erreichen. Die Ausstellung seiner Arbeiten in LbäcfT gibt Rechenschaft übe? "sein” Wollen und" Gelingen.

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