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Holzmeister-Bauten in Brasilien

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Isumbul, November 1944 Di ich wieder zur Strozzigasse rede, zu Euch allen, Ihr vertrauten, alten Freunde, laßt mich von Dingen reden, die mich Buch wieder in Erinnerung rufen 'ollen alt den, der ich Euch vor allem die ganten Jahre gewesen bin: ein Kirchcnbtuer.

Folgt mir nach Brasilien! Dorthin bat mich ein seltsames Familiengeadiick im Herbst 19' geführt, dort, in Rio de Janeiro, habe ich während meinet halbjährigen Aufenthaltes eine Kathedrale, eine groSe Wallfahrttanlagc, eine doppehürtnige Kirche wir ewigen Anbetung, die Erweiterung des alten Benediktinerstiftes, eine Kirche im Urwald und vieles andere an Profanbauten geplant. Freilich ist vorderhand nur alles auf dem Papier geblieben. — Aber ich muß, wenn ich von Brasilien erzähle, nun doch mit der Geschichte meiner Großeltern beginnen: Wa stammen von Urviterszeitcn her aus Fulpmei im Stubaital und teilten die Schicksale des Tales, auch damals in den dreißiger Jahren des lernen Jahrhunderts, als durch den Aufschwung der Werkzeuginduttrie die Kleinschmiede von Fulpmes um ihr Brot gekommen waren und das halbe Dorf nach Brasilien auswanderte. Mein Vater, als zwölfjähriger Bub, und der älteste seiner zahlreichen Geschwister, nahm in der neu-gegründeten Tiroler Kolonie einen harten, 'ber erfolgreichen Aufstieg und kehrte in den Siebzigerjahren in die Heimat zurück. Er war der geachtete „Brasilianer” und hat sich seiner. Heimatgemeinde 'nützlich gemacht und uns ein schönes Vaterhaus in Fulpmes geschenkt. Braiilien aber haben wir, dankbar für die Rettung aus der Not und als zweite Heimat nie vergessen.

Kaum hatte ich, geführt von meinem Schutzengel, am I. März 193t dir Reise in die Türkei zur Übernahme der Planung des neuen Parlaments unternommen und dort meine Zelte aufgeschlagen, kam eine Einladung des Präfckten von Rio de Janeiro für große Bauprojekte der Stadt. Die bald auch schon in der Türkei einsetzenden unsicheren Kriegsläufte ließen mich die weite Reise zur Sicherung meiner Familie tun. AU Gatt der Präfektur in Rio de Janeiro, der zaubervollen Stadt, fühlten wir uns zunächst recht wohl. Die Abfassung der nötigen Verträge mit der Präfektur ging aber >o sibleppend, daß ich midi nach anderen Aufgaben umsehen konnte. Da hatte ich doch schon am Bosporus in Kenntnis de' großen Aufschwunges katholischen Lebens in Brasilien ein Idealprojekt für eine Rictcnkathednlc. als moderner Zentralbau gestaltet, entworfen. Mit der Mappe dieser Pläne unterm Arm klopfte ich im Erzbischöflichen Palais an. Der greise Kardinal Lerne empfing mich herzlich. Nach 14 Tagen erschien der ErzbiscHof von Mo Horizonte Dos Santos Cabral und bestellte eine Kathedrale. Ich flog 400 Kilometer landeinwärts über Urwälder und Orangenplantagen und gelangte in die stark aufblühende Stadt Belo Horizonte, der hügeligen Hauptstadt der Provinz Minas Gerau. Das versammelte Baukomitee und der Gouverneur fanden mein mitgebracht' Idealprojekt für die Kathedrale, am Bosporus ab Phantasiegebilde größten Ausmaßes entstanden, sehr sdiön, aber zu klein.

Ich zog Galerien ein und brachte so den Fassungiraum mit alter Not auf die gewünschten 14.000 Pertonen. Nachdem der Bauplatz festgelegt war, zog ich ab. Erst zwei Jahre später, alt ich schon längst wieder am Bosporus saß, kam der tele-graphische Auftrag. Nach einem weiteren Jahr konnte ich durch die Amerikanische Botschaft das vollendete Bauprojekt nach Brasilien schaffen lassen. Dort baut man an einer größeren Kirche >0 bis 40 Jahre und mehr. Dies hingt mit der vom Staate einzuhebenden Kirchensteuer zutammen, deren langsames, aber ständiges Fließen, dieses, dem Brasilianer im übrigen nicht fremde Tempo, der Bauzeit mittelalterlicher Dome nähert. Möge es mir beschieden sein, die Vollendung der Krypta der Kathedrale noch zu erleben!

Der Grundgedanke meinrs Entwurfes ist der chrittozentritehes dies aber bis zur letzten Konsequenz. Das Presbytcrium erhebt sich, allen Tausenden von Andächtigen in gleichem Maße sichtbar, als eine kreisrunde Intel mit dem Hochaltar im Zentrum des Ricsenraumet von 70 Meter Durchmesser. Ober dieses Zentrum wölbt sich in flacher Kurve die in Eisenbeton zu erbauende Kuppel. In ihrem Scheitel aber, 20 Meter weit geöffnet, ist die Riesenorgel mit dem Sängerchor angebracht. Darüber schwebt die lichtspcndcndc Laterne, sie ist ein gläserner Kuppelbau von 10 Meter Durchmesser. Somit vereinigen 'idi Altar, Singchor und Lichtquelle in der einzigen. Azc des Baues. Ein Kapellcnkranz mit Emporentreppen und Seitenaltären- betont nochmals da' Chrittozenrrisrhr. Das Xuk/w zeigt diesen Riesenschrein, der das Alles heiligste birgt in Form eines gegliederten Zylinders, Aus ihm steigen 24 mächtige Kippen aus Eisenbeton auf und vereinigen sich frei in der Luft zu einer tiaraförmigen Krone, die in ISO Meter Höhe das Symbol Christus Rex trägt.

Im altehrwürdigen Bcnctliktinerkloster San Bento auf dem Berge, unweit des Hafens von Rio, umbrandet vom Lärm der Großstadt, konnte ich M meiner großen Freude die Bekanntschaft mit dem Österreicher Erzabt Zelier erneuern. Er übertrug mir den Entwurf für eine bedeutsame Erweiterung der Stiftsanlagc mk Schulen und Nebengebäuden und später noch eine kleine Marienkirche im Urwald.' Beides fand die volle Zustimmung de' Conventes.

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