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Horror und Utopie

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Das diesjährige „8. Internationale Festival des Science-fiction-Films“ in Triest war das bisher wohl am reichsten mit Filmen beschickte seit seiner Inauguration — an die 60 Filme aus 16 Ländern nahmen heuer an dieser sympathischen Veranstaltung teil; wobei das lobende Beiwort zweifellos weniger die künstlerische Bedeutung als die ganze Atmosphäre der Filmfestwoche kennzeichnet — von der intimen Note bis zur herzlichen Freundschaft und Großzügigkeit der Triestiner Gastgeber, vom herrlichen Wetter bis zu den geographischen Schönheiten gehört dieses (durch keine Protestaktion gestörte) leider viel zu wenig beachtete Festival zu den liebenswertesten und angenehmsten der schon viel zu zahlreich vorhandenen Veranstaltungen dieser Art.

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Das diesjährige „8. Internationale Festival des Science-fiction-Films“ in Triest war das bisher wohl am reichsten mit Filmen beschickte seit seiner Inauguration — an die 60 Filme aus 16 Ländern nahmen heuer an dieser sympathischen Veranstaltung teil; wobei das lobende Beiwort zweifellos weniger die künstlerische Bedeutung als die ganze Atmosphäre der Filmfestwoche kennzeichnet — von der intimen Note bis zur herzlichen Freundschaft und Großzügigkeit der Triestiner Gastgeber, vom herrlichen Wetter bis zu den geographischen Schönheiten gehört dieses (durch keine Protestaktion gestörte) leider viel zu wenig beachtete Festival zu den liebenswertesten und angenehmsten der schon viel zu zahlreich vorhandenen Veranstaltungen dieser Art.

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Meist ist nur eine kleine Anzahl ausländischer Filmkritiker oder -Journalisten anwesend, von denen jeder den anderen kennt, vermehrt durch eine weitaus größere Schar von Anhängern der Science-fiction aus allen Ländern, sogar aus Amerika (in diesem Jahr durch Forrest J. Ackerman vertreten, den schon legendären Herausgeber zahlreicher Magazine und berühmten „Horror-Spezialisten“), und abgerundet durch einige Filmschaffende der teilnehmenden Opera (als deren bedeutendster in diesem Jahr wohl Gordon Hessler zu nennen ist, der bekannte amerikanische Film- und TV-Regisseur, dessen Beitrag „Scream and Scream Again“ mit Vincent Price, Christopher Lee und Peter Cushing einer der aufregendsten und spannendsten Grusel-Thriller der letzten Jahre darstellte).

Neben einer vom Goethe-Institut in Triest veranstalteten hervorragend aufgebauten Betrospektive über den „deutschen expressionistischen Film“ (mit Werken von Murnau — „Nos-feratu“, „Phantom“ und „Faust“ —, Lubitsch „Die Augen der Mumie Ma“ und Paul Leni „Das Wachsfigurenkabinett“ unter anderem) sowie einer großen Anzahl wissenschaftlicher Kurzfilme (die zumeist vom Flug der Apollo 12 und deren Auswertungsergebnissen beeinflußt waren) wurden -in den — heuer überraschend gut besuchten — Abend-Freiluftvorführungen im über der Stadt thronenden Castello di San Giusto zehn Spielfilme im Wettbewerb um den „Goldenen Asteroiden“ vorgeführt, Filme, die in diesem Jahr von eigentlich nur drei Ausnahmen abgesehen eher Horror-Elemente als solche echter Science-fiction aufwiesen. Zu ihnen gehörten Peter Watkins in Schweden gedrehte satirisch-politische Zukunftsvision „Gladiatorerna“ (Die Gladiatoren) — ein Gegenstück zu seinem berühmten Erstling „The War Game“, das von einem zukünftigen „Peace-Game“ handelt, in dem an Stelle von Kriegen nur Kampfgruppen der Gegner antreten —, einstimmig und einhellig zum Festivalsieger erklärt; dann Harald Beinls schon in Wien gezeigte „Erinnerungen an die Zukunft“, mit einem Spezialpreis ausgezeichnet und mit viel Erfolg vom Publikum akkla-miert, und der englische Beitrag „The Mind of Mr. Soames“ (Der Verstand des Mr. Soames) mit Terenee Stamp, der für seine wirklich großartige Darstellung eines im Alter von 30 Jahren aus einem todesähnlichen Schlaf erweckten Mannes, der wie ein Kind eine geistige Entwicklung durchzumachen hat, mit einem „Silbernen Asteroiden“ für die beste männliche schauspielerische Leistung ausgezeichnet wurde. Alles andere war mehr oder weniger Spaß, ein richtiges Gruselkabinett mit eher komischen als ernstzunehmenden Aspekten — deren Höhepunkt der japanische Monsterfilm „Gappa“ bedeutete (ausnahmsweise nicht von Inoshiro Honda, sondern von Haruyasu Noguchi in gleicher Manier inszeniert): ein eben aus einem Biesenei geschlüpftes Monsterbaby namens Gappa wird nach Japan gebracht, von wo es von Papa-Gappa und Mama-Gappa nach den üblichen Verwüstungen und Zerstörungen Tokios wieder auf ihre Pazi-fikinsel liebevoll zurückgebracht wird. Da blieb kein Auge im Zuschauerraum trocken, teils aus Rührung, vor allem aber vor Lachen ... Der zweite japanische Beitrag, „The Flying Phantom Ship“ (Das fliegende Geisterschiff) war da schon etwas besser, zumindest gelang hier eine erstaunlich perfekte Umsetzung von phantastischen Cartoon-Zeichnungen in das Medium des Films; uninteressant und amateurhaft der amerikanische.,..auf., .Dämpnenzauber und Teufelsbeschwörung aufgebaute USA-Film „Equinox“ wenig geschmackvoll und sehr primitiv (trotz der Mitwirkung James Robertson Justices) der zweite englische Beitrag „Zeta One“, der (anders als „Barbareila“) vermutlich der erste Science-fiction-Sex- und Nacktfilm sein dürfte, und nicht weniger enttäuschend die beiden weiteren amerikanischen Streifen „The Monitors“ und „The Immortal“ (mit Christopher George), zwei ausgesprochene „Gelegenheitsarbeiten“. Dennoch sollte man diese Filmgattung, die im Italienischen weitaus umfassender als „Fantascienza“ (womit auch das phantastische Element eingeschlossen ist, also auch der Horror) denn als Science-fiction bezeichnet wird (was ja der wissenschaftlichen Fiktion entspricht) nicht zu leicht nehmen: es geht ihr wie jedem anderen Genre der Kinematographie — nicht das Thema ist entscheidend, sondern seine künstlerische Gestaltung; und daß auch hier großartige Filme Zustandekommen können, haben viele Beispiele aus der Filmgeschichte bewiesen, von „Metropolis“ bis zur „Odyssee im Weltraum“. Zumindest mit den „Gladiatoren“ hat das Festival in Triest seine Bedeutung gezeigt.

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