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Im Buchpalast Fischer von Erlachs

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Im Prunksaal der österreichischen Nationalbibliothek wird gegenwärtig eine Ausstellung gezeigt, die ein beredtes Zeugnis gibt für die unermüdliche stille Sammel-, For- sdiungs- und Betreuungsarbeit, die Jahr für Jahr über politische Not- und Krisenzeiten hinweg von diesem bedeutenden Kulturinstitut im Dienste der Wissenschaft und der Volksbildung geleistet wird. Sie läßt Fülle und Reichtum der Bibliotheksammlungen erkennen, deren Bedeutung weit über die Grenzen unseres Landes reicht und überall dort genannt werden muß, wo österreichische Kultur sich als integraler Bestandteil europäisch-abendländischer Geistigkeit repräsentiert. Die Auswahl der seit 1923 erworbenen Werke ist mehr als ein würdiger Leistungsbericht, sie ist eine bemerkenswerte Schau lebendigen Kulturgutes, sie spricht für Österreich und seine Sendung.

Jeder Schaukasten wird wohl seine besonderen Liebhaber finden. Die Papyrussammlung mit ihren griechischen, arabischen und koptischen Schriftzeichen ebenso wie etwa die Faksimiledrücke oder die reiche geographische Kartenkollektion. Besonders eindrucksvoll sind die Schaustücke der Handschriftensammlung. Hier finden wir die Admonter Riesenbibel aus dem 12. Jahrhundert, das Antiphonar von St. Peter in Salzburg mit wertvoller österreichischer Miniaturmalerei, geistliche Andachtsbücher, Rechtssatzungen und frühmittelalterliche Kalendarien. Mit wieviel Liebe, Sorgfalt und Geschmack ist jedes einzelne Stück hergestellt! Jede Zeile, jede kunstvolle Initiale ein Zeugnis klösterlichen Fleißes. Das Buch als Kunstwerk. Das wird besonders deutlich bei den überzarten Miniaturen der flämischen Sdiule und den wohlabgestimmten Farben der französischen Gebetbücher. Wolfram von Eschenbachs „Willehalm” in einer für König Wenzel im Jahre 1388 herg stellten Handschrift aus der Ambraser Sammlung zeigt die böhmische Buchmalkunst des 14. Jahrhunderts in eindrucksvoller Weise. Ein Exemplar der bekannten Abhandlung „Über Prinzenerziehung” des italienischen Humanisten Aeneas Silvius Piccolomini, des späteren Papstes Pius II., aus römischer Werkstatt wurde 1931 gekauft. An den orientalischen Handschriften, meistens türkischer und persischer Autoren, entzückt schon die duftige Farbigkeit der Einbände. Eine chinesische Novellensammlung mit auf Seide gemalten Vollbildern vertritt den Fernen Osten. Unter den Inkunabeln, den frühesten Erzeugnissen der Buchdruckerkunst, fällt besonders ein Druck des berühmten Venezianers Aldus Manutius auf. Es dürfte nicht zuviel gesagt sein, wenn dieses Werk heute als das schönste Holzschnittbuch des italienischen Humanismus bezeichnet wird. Eine Rochuslegende, eine Arbeit des ersten Wiener Buchdruckers Stephan Koblinger aus dem Jahre 1482, wurde durch Tausch erworben. Unter der Auswahl seltener österreichischer Drucke befindet ‘ sich auch ein „Gründlicher Beweis, daß es in Wien keine Narren gibt”. Allerdings stammt diese Beweisführung von 1786!

Auch der Freund des modernen Buches findet viel Ansprechendes. Vor allem zieht eine Luxusausgabe von Hugo von Hofmannsthals „Jedermann” in psaltergotischen Lettern und mit interessanten Holzschnitten versehen die Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch Raimunds „Der Bauer als Millionär” mit Originallithographien Oskar Laskes und Anton Wildgans’ „Wiener Gedichte” mit den reizvollen Zeichnungen von Ferdinand Schmutzer werden den Bibliophilen erfreuen. Ein Schaukasten ist Franz Grillparzer gewidmet, und Adalbert Stifter ist mit geschmackvollen Ausgaben vertreten. Viel Interesse findet der aufschlußreiche Briefwechsel zwischen Hofmannsthal und Stefan George, der 1938 bei Bondi in Berlin erschienen ist. Originalausgaben von Shakespeare, Goldoni und Moliere bilden den weltliterarischen Rahmen.

Schwer trennt man sich von den Autographen, von der nachdenklichen Betrachtung der schwungvollen Schrift Friedrich Schillers, der fast unleserlichen Züge Beethovens und der steilen, eckigen Buchstaben, mit denen Otto von Bismarck schrieb.

Eine bedeutsame Neuerwerbung verdankt die Nationalbibliothek einer Schenkung Stefan Zweigs. Ehe der Dichter 1937 ganz nach London übersiedelte, übergab er einen Teil seiner Autographensammlung der Obhut der österreichischen Nationalbibliothek. Die Sammlung Zweig umfaßt über 100 Ur- und Erstniederschriften der bekanntesten Autoren seiner Zeit. Wir finden Namen wie Gerhart Hauptmann, Romain Rolland, Thomas Mann, Maxim Gorki, Hermann Hesse. Erste Skizzen liegen neben fortgeschrittenen Ausarbeitungen und Korrekturen. Dieser Blick in die Werkstatt der Dichter zeigt, wie individuell sie arbeiten. Die Sammlung Zweig wurde durch sieben Jahre totgeschwiegen und es kann nun erst an ihre wissenschaftliche Auswertung herangetreten werden.

Porträtsammlung und Bildarchiv bringen eine Sonderschau der Ereignisse von 1848; als Kuriosität wird die Feder gezeigt, mit der Kaiser Ferdinand I. im Dezember 1848 seine Abdankung zugunsten seines Neffen Franz Joseph unterschrieb.

Eine spezielle Sehenswürdigkeit sind die ausgestellten Stücke der Musiksamm- 1u n g. Autographe Partituren von Mozart, Beethoven, Schubert, Hugo Wolf. Von Anton Bruckner, von dem eine reiche Auswahl handschriftlicher Skizzen und Erstniederschriften zu sehen ist, ist ein Kalender ausgestellt, in dem der Meister über seine täglichen Gebete Buch führt. Von den Publikationen über theoretische Musik fallen besonders die jüngsten Schenkungen, wie Nicholas Bessaraboffs „Ancient European musical Instruments” und Willi Apeis „Harvard Dictionary of Music”, auf.

Diese reichhaltige Ausstellung feiert das Lebenswerk eines Mannes, der vor 25 Jahren die Leitung der österreichischen Nationalbibliothek übernommen hatte. Nur von drei Vorgängern, dem Leibarzt Maria Theresias Gerard van Swieten, seinem Sohn Gottfried van Swieten und dem als Friedrich Halm bekannten Freiherrn von Münch-Bellinghausen, wurde bisher die Dienstzeit Univ.-Prof. Doktor Josef Bicks als Vorstand der Bibliothek übertroffen. Eine Festschrift würdigt dieses seltene Dienstjubiläum. Eine eigene Schau gibt einen Überblick über die wissenschaftlichen Arbeiten Josef Bicks, der namentlich als klassischer Philologe und Bibliothekswissenschaftler auf bedeutende Leistungen zurüJcblicken kann. Mit Vertrauen und Dankbarkeit sieht man die Schätze unserer Nationalbibliothek in den sachkundigen Händen ihres Generaldirektors und seiner Mitarbeiter verwahrt und unter solcher Leitung sich mehren.

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