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Im Grab der Klostergründer

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Bei Grabungen in Klein Mariazell im südlichen Wienerwald fanden Archäologen des Denkmalamtes nicht nur die Reste eines heidnischen Quellenheiligtumes und die Grabstätte der beiden Gründungsbrüder. Auch das Mauerwerk von sieben Umbauphasen aus romanischer und gotischer Zeit gelangte unter dem Niveau des heutigen Barockbaues zum Vorschein. Zu besichtigen ist die Kirche „Maria Himmelfahrt” am Tag der offenen Tür am 18. Juni.

„Nach dem Tod Haderichs II. von Schwarzenburg um 1120 kam es zwischen seinen beiden Söhnen Heinrich und Rapoto zu einem langjährigen Krbstreit. An einem Wegheiligtum versöhnten sich die Brüder und beschlossen, als Dank für die Aussöhnung ein Kloster zu stiften”, heißt es in dem Stifterbrief des Babenberger Markgrafen Leopold III. vom 2. Februar 1136.

Noch im selben Jahr bezogen sechs Benediktiner aus dem bayrischen Kloster Altaich das Kloster, das „Alt-zell” oder „Mariazell in Osterreich” genannt wurde (erst im 19. Jahrhundert setzte sich die Bezeichnung Klein Mariazell durch). Um 1250 wurden das Kloster und die über dem Quellenheiligtum errichtete einschiffige Klosterkirche durch Rumänen (auch Komanen, slawisch Polowzer, ein untergegangenes Turkvolk) zerstört, 1252 ein zweites Mal durch die Ungarn unter Bela V. 1256 wurde die wiederaufgebaute Kirche - nun bereits eine großzügige dreischiffige Basilika - neu geweiht und 1464 abermals von den Magyaren überfallen.

Ein neues Architekturverständnis Ende des 15. Jahrhunderts führte zum Abbruch zweier im 14. Jahrhundert errichteter Türme. Auf den Fundamenten des Südturms wurde eine Sakristei errichtet. 1603 vernichtete ein Großbrand Kirche und Meierhof, die erst achtzig Jahre später ersetzt werden sollten. 1683 plünderten die Türken den Ort und brannten ihn nieder. 1765 erstand die der Muttergottes geweihte Kirche in ihrer heutigen barocken Form.

Zwischen 1763 und 1765 schuf der neben Franz Anton Maulbertsch zu den bedeutendsten Rokoko-Freskanten Österreichs zählende Johann Wenzel Bergl, Schöpfer der „Bergl-Zimmer” in Schönbrunn und der exotischen Deckenmalereien des Pavillons von Stift Melk, an den Kuppeln und Wänden der Wienerwald-Kloster- und Wallfahrtskirehe Szenen aus dem Marienleben sowie aus dem Alten und Neuen Testament. Kunsthistoriker stufen sie als Hauptwerke des Künstlers ein. 1782 hob Josef II. das Stift auf. 1960 wurde das Kloster mit Ausnahme des gotischen Kreuzganges und einer romanischen Halle abgetragen, das undichte Kirchendach saniert.

Jahrzehntelang eingedrungenes Sickerwasser und mit ihm große Schadsalzmengen gefährdeten sowohl die künstlerisch und theologisch wertvollen Malereien als auch den Stuckmarmor des Hochaltars und der vier Seitenaltäre. Die betroffenen Kunstwerke drohten allmählich zu platzen.

1994 wurden 24 Millionen Schilling für die Restaurierung der Kirche bewilligt, für die jeweils zu einem Drittel vom Land Niederösterreich, vom Bund sowie von Pfarre, Erzdiözese und Gemeinde Altenmarkt aufgebracht werden sollten.

Bei der Trockenlegung der Fundamente stießen die Arbeiter auf offensichtlich altes Mauerwerk. Als sich im Februar 1995 das Denkmalamt, Abteilung für Bodendenkmäler unter Christa Farka, einschaltete, entdeckte man die Grablege der Gründungsbrüder Heinrich und Bapoto von Schwarzenburg. Diese wissenschaftliche Sensation wurde durch den Text einer in der Ziegelgruft deponierten Ziegelplatte bestätigt, die zum Zeitpunkt der Wiederbestattung der Gebeine der Brüder am 13. Mai 1609 im Presbyterium versenkt worden war. Ihr ursprüngliches Grab war vermutlich bei der Plünderung der Kirche verwüstet worden.

Um die freigelegten Architekturteile, die Gründergräber und zwei Bestattungen in der Vierung der Kirche sowie den Ziegelmosaik-Fußboden im Waschraum der Sakristei für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, müßte eine Unterkirche geschaffen werden. Auch die beiden prächtigen spätromanischen Tore, die im Restaurierungskonzept nicht berücksichtigt worden sind, sollten saniert und der Kreuzgang mit einem kleinen Via Sacra-Museum instandgesetzt werden. Dafür fehlen insgesamt zehn Millionen Schilling. Bei seinem Österreich-Besuch im Jahre 1996 will man Papst Johannes Paul II. auch Klein Mariazell zeigen.

(Spenden erbeten an die Baiffeisen-kasse Oberes Trie-stingtal, Geschäftsstelle Altenmarkt, Konto-Nr. 517300, BLZ 32930 oder an das Bundesdenkmalamt, Bankhaus Schelhammer & Schattera, Konto Nr. 224.220)

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