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Das Kunsthistorische Museum zeigt einen einzigartigen Einblick in die Kunst von Bellini, Giorgione, Tizian und deren Umfeld.

Zwei Frauen, ein Kleinkind und ein Mann hocken gemütlich am Boden im Hintergrund eine idyllische Landschaft. Die Gruppe scheint ganz mit sich beschäftigt zu sein. Durch Attribute wie Kreuz und Salbengefäß sind die Dargestellten als Heilige zu identifizieren, in der sinnlichen Darstellungsart wirken sie aber nicht der Lebensrealität entrückt, sondern eingebunden in die sie umgebende Natur. Maria Magdalena schaut ausgesprochen verweltlicht aus - erinnert an Idealschönheiten der Renaissance. Die ländliche Umgebung mit Hirten und Schafen präsentiert sich wie visualisierte bukolische Literatur.

Palma Vecchios Madonna mit Kind und den Hll. Johannes dem Täufer und Maria Magdalena (1516-1518) gehört zum Typus der "Sacra Conversazione", jener Bildgattung, in der Heilige verschiedener Zeiten sich innig Maria und dem Jesuskind zuwenden. Diese "heiligen Unterhaltungen" waren in der italienischen Malerei schon lange beliebt, zu Beginn des 16. Jahrhundert begannen Künstler in der Nachfolge Giovanni Bellinis rund um Giorgione und Tizian das traditionelle Thema jedoch völlig neu zu interpretieren. Kannte man bisher vor allem hochformatige Bilder von zeitlos dargestellten Heiligen in statischer Haltung, so wurden die nun vorwiegend querformatigen Bilder lebensnah und dynamisch. Die Interaktion zwischen den Heiligen, aber auch der "Blickkontakt" zwischen den Heiligen und den Betrachtern bekam mehr Bedeutung - genauso wie die Darstellung der Landschaft. Tizian platzierte etwa die Heiligen in seiner Madonna mit Kind und den Heiligen Katharina und Dominikus (1513\1514) asymmetrisch auf einer Seite des Bildes und ermöglichte so einen unüblichen Ausblick auf die dahinter liegende Natur. Indem Maria und das Jesuskind nicht im Zentrum gezeigt werden, entsteht eine enorme Dynamik - so blickt der kleine strampelnde Jesus zu Katharina links im Bild, während sich seine Mutter dem Heiligen Dominikus auf der anderen Seite des Bildes zuwendet.

Heilige in Aktion

Um diese innovative Phase in der venezianischen Kunst zwischen 1500 und 1530 geht es in einer konzentrierten und ausgesprochen sehenswerten Ausstellung des Kunsthistorischen Museums. Gemeinsam mit der National Gallery of Art in Washington, wo die Schau bereits zu sehen war, hat Kuratorin Silvia Ferino-Pagden 60 hochkarätige Ölbilder internationaler Museen zusammengetragen. Geordnet nach wenigen Themen wie weibliche Idealporträts, Männerporträts, sakrale Werke und mythologische Bilder bekommt man auch als Nicht-Experte eine Vorstellung davon, wie kreativ und erfindungsreich die venezianische Kunst in den ersten drei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts war. Jahrzehnte, in denen der Pionier der Frührenaissance-Malerei, Giovanni Bellini, gerade seine letzten Werke vollendete, der jung verstorbene Giorgione sein gesamtes Werk schuf und der bedeutendste venezianische Maler des Jahrhunderts, Tizian, dabei war, seine internationale Karriere zu begründen. Nicht zu vergessen, dass neben diesem Dreigestirn noch andere faszinierende Maler wie der lyrische Lorenzo Lotto oder Tizians Rivale Sebastiano del Piombo ihre Finger in der Kunstszene der Lagunenstadt mit im Spiel hatten.

Erfreulich, dass diese Schau nicht bloß mit Highlights protzt, sondern fundiert kunsthistorische Gegenüberstellungen wagt, ohne dabei zu langweilen. Eine heute einhellig Giorgione zugeschriebene Anbetung der Hirten (1500) aus der Washingtoner National Gallery of Art neben einer vermutlichen Kopie der Anbetung (1505-1510) aus dem KHM fordert zum genauen Hinsehen auf.

Giogione entschlüsselt

Nicht, dass es an Höhepunkten fehlen würde. Aus dem Louvre sind Tizian-Meisterwerke wie sein Ländliches Konzert (1510) und Der junge Mann mit Handschuh angereist, die Uffizien haben sich von Tizians Flora (1520) getrennt. Das Bild der rötlich-blonden Schönheit mit dem über die Schulter fallenden weißen Hemd gehört zu den bedeutendsten Frauendarstellungen jener Zeit. Wie stark die Wirkung dieses sinnlichen Bildes für Zeitgenossen Tizians gewesen sein muss, übertrifft die heutige Vorstellung. Der damalige Betrachter kannte vor allem Porträts gesetzter Frauen mütterlichen Typs Giorgiones Laura (1506) oder Tizians Flora mussten dagegen wie idealisierte Supermodells erscheinen.

Tizians Der junge Mann mit Handschuh (1523/24) ist eines der sensibelsten Renaissance-Männerporträts. Hier geht es ganz dem Zeitgeist entsprechend anders als bei den Frauenbildern nicht bloß um die Verkörperung von Schönheit, sondern um die perfekte Darstellung des idealen Hofmanns. So legt Tizian den Akzent auf die anmutigen Bewegungen und die noble Handbewegung des jungen Mannes.

Besonders stolz ist man im KHM, dass man im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen den so genannten Giorgione-Code enträtseln konnte. Jahrhunderte stritt man über den Inhalt eines der wichtigsten Renaissance-Bilder mit dem Titel Drei Philosophen (1506). Nun meint die Altphilologin Karin Zeleny aufgrund eines Textvergleichs beweisen zu können, dass auf dem Bild nicht die drei Weisen aus dem Morgenland gezeigt werden, sondern die Philosophen Pythagoras, Thales und Pherekydes, die zu Tizians Zeiten als Gründerväter der abendländischen Philosophie angesehen wurden. Es gehört zu den faszinierenden Seiten der bildenden Kunst, dass ein Bild immer mehrere Sichtweisen zulässt, und selbst, wenn der Inhalt wie in diesem Fall enträtselt scheint, geheimnisvoll bleiben kann. Dass diese Vieldeutigkeit in der visuellen Struktur der Bilder selbst liegt, bestreitet auch Karin Zeleny nicht: "Die drei Philosophen lassen sich identifizieren, doch zugleich vermitteln sie eine symbolische Botschaft."

BELLINI, GIORGIONE UND TIZIAN

und die Renaissance der

venezianischen Malerei

Kunsthistorisches Museum

Maria Theresien-Platz, 1010 Wien

www.khm.at

Bis 7. 1. 2007 Di-So 10-18, Do 10-21 Uhr

Katalog hg. v. David Alan Brown und Silvia Ferino-Pagden, e 38,-

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