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IM STREIFLICHT

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DA haben die Wiener doch immer zu raunzen, I weil einmal die Museen zu spät geöffnet, das andere Mal zu früh geschlossen werden. Die Wiener sollen froh sein, daß sie an Sonntagen vormittag die Pforten offen finden. Wenn so ein Wiener einmal Besuch von auswärts bekommt (und das ist jetzt in der Hauptreisezeit üblich) und den Fremden nach Baden führt, wo Ludwig van Beethoven 15 Sommer verbrachte, und in die Rathausgasse 10 geht, wo er große Teile der Neunten und die Missa solemnis schrieb: dann möge man das zu einer Zeft besorgen, wo man frische Semmeln kaufen kann. Denn der Eingang zu dem schönen alten Hof und zu dem Gedenkraum führt über das im gleichen Hause befindliche Bäckergeschäft. Ein biederer Bewohner des Hauses lehnt sich (wenn schönes Wetter ist) aus einem Fenster des ersten Stockes und erkundigt sich teilnehmend, ob man in einer Woche „auch noch da“ wäre. Nein? Schade! Keine Semmeln, kein Beethoven!

NACH einem Prämiensystem ist ein Teil der 3,5 Millionen Schilling zu verausgaben, welche der Bundesvoranschlag zur Förderung der Volksbibliotheken vorsieht; das heißt: Maßstab der Subvention wird die Eigenleistung der Stadt, der Gemeinde sein. Das bedeutet einen kleinen Ellenbogenstoß für jene Gemeinwesen, welche dem modernen Leihbüchereiwesen nicht jene Aufmerksamkeit schenken, die vonnöten wäre. Noch merk licher aber wirkt der Stoß, wenn man hört, daß die „Qualifikation“ der Volksbibliothekare in Rechnung gezogen wird, wenn die Zuweisungen erfolgen. Da für die Bibliothekare der Wiener Städtischen Büchereien eine Prüfungsordnung besteht (Erlaß M. D. 2846/47), zielt der qualifizierte Stoß auf die vereinsmäßig-privaten Büchereien und die auswärtigen Gemeindebibliotheken. Dieses Stoßspiel wird aber kaum den Einsatz von 3,5 Millionen wert sein, wenn man sich nicht endlich besinnt, den gesetzgebenden Körperschaften das überfällige Volksbildungsgesetz vorzulegen.

BERÜHMTE Maler aus Niederösterreich sind in der Sonderausstellung des Niederösterreichischen Landesmuseums in Wien I, Herrengasse 9, zu sehen. Die Schau zeigt Oelbilder, Aquarelle und Zeichnungen von Martin Altomontc, Kremser Schmidt, Schindler, Gauermann, Huber, Romako, Schiele, Kokoschka, Fahringer u. a. Das Erfreulichste an ihr ist die Dauer; sie ist schon einige Zeit geöffnet und wird noch bis Oktober offen sein. Ein nachahmenswertes Beispiel, daß eine eingehende Bekanntschaft mit allen Bildern ermöglicht.

IN letzter Zeit wurde der Besucher der Wiener Kunstausstellungen mehrfach durch schön gestaltete Kataloge überrascht; kluge Einleitungen, gute Reproduktionen, angenehme graphische Gestaltung zeichneten insbesondere die Kataloge zur Kubin-Ausstellung in der Galerie St. Stephan (Vorwort: Werner Hofmann), zur Klee-Ausstellung. in der Sezession (Einleitung von Max Huggler und Werner Hofmann) und zur Schau „Oesterreichische Landschaftsmalerei von Schindler bis Klimt“ in der Akademie der bildenden Künste (Katalog von Ludwig Münz) aus. Ad mukös sequentes!

NEIN, so geht es nicht: da wird in Genua eine „Mostra degli Artisti Viennesi“, eine Ausstellung der Wiener Künstler veranstaltet und da wer den an die 200 Werke von 112 Künstlern gezeigt; und da fehlen im Katalog die Namen (alphabetisch): Herbert Boeckl, Gustav Kurt Beck, Albert Paris Gütersloh, Oskar Kokoschka, Alfred Kubin, Heinz Leinfellner, Slavi Soucek, Fritz Wotruba, da fehlen Hoflehner, Hundertwasser, Hutter, Kolbitsch, Lehmden, Moldovan von den Jungen, aber da sind vertreten: ......., ... Nein, wir wollen hier keine

Namen nennen; denn was kann der eine oder andere schwächere Künstler dafür, daß er von der Jury ausgewählt wurde und mit dabei ist; seine Schuld ist es nicht. Wir wollen niemand kränken. Aber wir wollen sagen: so geht es nicht. Man kann nicht eine für Wien — und damit im weiteren Sinne auch für Oesterreich — repräsentative Ausstellung' veranstalten, und auf die Werke der bedeutendsten Künstler verzichten. Gewiß, das ist nicht allein die Schuld der Veranstalter — die „Föderation moderner bildender Künstler“ und die „Gesellschaft bildender Künstler Wiens (Künstlerhaus)“zeichnen gemeinsam verantwortlich —, sondern eher die der Künstler; die Prominenz wurde mehrfach eingeladen. Allein der berühmte Künstler läßt sich gerne bitten; und dann zieht er eine Kollektivschau seiner Werke einer Sammelausstellung vor; und dann liebt ertes nicht, zusammen mit einer Schar von Künstlerkollegen, deren Schaffen er innerlich ablehnt, auszustellen, und nicht auch äußerlich vor den. anderen hervorgehoben zu werden; und dann will er auch nicht ausstellen, weil der andere berühmte ja auch nicht. .. : und dann, weil er vielleicht mit der Sache Mühe haben könnte und er sich nichts davon verspricht (die offizielle Entschuldigung ist meist, daß er gerade kein Werk zur Verfügung habe, natürlich). Hier müßten eben Wege gefunden werden, die eine Teilnahme aller bedeutenden Künstler ermöglichen. Mit einer bloßen Einladung wird es oft nicht getan sein: persönliche Aussprachen werden eine Schau, die Wien oder Oesterreich im Ausland würdig repräsentieren soll, vorbereiten müssen. Denn so, mit einer proporzmäßigen Aufteilung der Ausstellungsmöglichkeiten an die einzelnen Vereinigungen (nach Mitgliederzahl und nicht nach Qualität) geht es nicht; außer man faßt die ganze Angelegenheit als unverbindliche Privatsache auf, die niemanden etwas angeht.

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