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In den Stiften und Klöstern ist die österreichische Seele daheim

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Österreichs Stiften widmet der ORF eine Radioserie. Haben die Orden, die das Land entscheidend geprägt haben, Zukunft?

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Österreichs Stiften widmet der ORF eine Radioserie. Haben die Orden, die das Land entscheidend geprägt haben, Zukunft?

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Der Name der Rose”, ein aufregender Klosterkrimi von Umberto Eco war vor wenigen Jahren ein Bestseller. Hunderttausende lasen begeistert den Roman. Millionen sahen den Sex-and-Crime-Thril-ler. Grauenhafte Morde, verachtenswerte Selbstgeißelungen, unkeusche Liebesbeziehungen fesselten das Kinopublikum. Obwohl der Film mit der Realität wenig zu tun hatte, mag das klösterliche Leben für den Außenstehenden oft faszinierend sein, scheint es doch wie ein Stück aus einer anderen Welt. Wer heute in einen Orden eintritt, muß mit vielen skeptischen Fragen rechnen: Flucht vor der Welt? Verzicht auf Ehe? Dabei ist das Verlangen nach monastischem Leben und die Sehnsucht nach Geborgenheit in einer religiösen Gemeinschaft ein Phänomen, das sich in vielen Religionen findet. Die Formen der Verwirklichung sind so vielfältig wie das Leben selbst. In der katholischen Kirche sind die Orden nicht wegzudenken. Sie entstehen als Antwort Gottes auf die Nöte der jeweiligen Zeit.

Klösterreich wird unser Land gerne genannt, weil seine Geschichte eng mit den hier ansässigen Klöstern verbunden ist. Die vielen Stifte sind wertvolle Wegbegleiter und prägen unverkennbar das Gesicht dieses Landes. Mit ihren Kreuzgängen, die zur Meditation einladen, mit ihren großen Stiftskirchen, die zu Stein gewordene Gebete darstellen, mit ihren prunkvollen Bibliotheken, Höfen und Sälen gelten sie als Orte, wo der Himmel die Erde berührt. „Ohne Übertreibung darf man sagen: ein wenig ist in den Stiften die Seele unseres Landes daheim”, schrieb der Propst von Herzogenburg, Maximilian Fürn-sinn, in einem Beitrag zum Millennium. Bis heute stellen die Benediktiner den größten Männerorden Österreichs (siehe Tabelle). Dem Gedanken des „Ora et labora!” (Bete und arbeite!) verpflichtet, ließen sie sich im 7. Jahrhundert im Westen unseres Landes nieder und leisteten einen Hauptanteil an der Kultivierung und Christianisierung. Ihre eigentliche Blütezeit erlebten die Orden im Hochbarock, als Künstler und Wissenschaftler zur höheren Ehre Gottes viele Klöster zu prachtvollen Palästen umgestalteten. Die geradezu imperial wirkenden Anlagen lassen die Beichtümer der Stifte erahnen. Im Gegensatz zu damals erfahren sie heute die historisch gewachsenen Verflechtungen mit wirtschaftlichen und pfarrlichen Aufgaben bei der Verwirklichung des monastischen Ideals oft als behindernde Last.

Anläßlich der diesjährigen Feiern zum tausendsten Namenstag Österreichs stellt der OBF im Sommer einige bekannte Stifte vor. In einer achtteiligen Badioserie (Sendetermin: Freitag oder Samstag abends) soll den Hörern ein akustischer Einblick in das tägliche Leben, die vielfältigen Aufgaben und derzeitigen Probleme der jeweiligen Gemeinschaft vermittelt werden. Gestartet wird am kommenden Samstag, 13. Juli, mit St. Florian bei Linz. Wie andere Klöster versuchte das Augustiner-Chorherrenstift in den vergangenen Jahrzehnten, sich von unnötigem Ballast zu lösen und auf die Seelsorge zu konzentrieren. Das vom Stift geführte Altenheim wurde der Lebenshilfe übergeben, die umliegenden Gebäude an Firmen vermietet, Schloß Hohenbrunn an einen Jagdverband verkauft. Derzeit beschäftigt der Orden, einst eine wirtschaftliche Kapazität und wichtiger Arbeitsplatzgeber, nur mehr 50 weltliche Mitarbeiter, die sich unter anderem um die verbliebenen 270 Hektar landwirtschaftlichen Grund und 500 Hektar Wald kümmern. Hauptaufgabe der Chorherren ist die Betreuung der 33 Pfarreien, die meisten, die in ein Stift hierzulande inkorporiert sind.

Der Generalsekretär der Superioren-konferenz der männlichen Ördensge-meinschaften Österreichs, der Kamili-anerpater Leonhard Gregotsch, bestätigt den Trend, daß immer mehr Bischöfe die Ordenspriester in die pfarrliche Seelsorge einbeziehen. Die Folge sei, daß für die ursprünglichen Aufgaben immer weniger Kräfte in den Klöstern zur Verfügung stehen, was zu einer Entfremdung des monastischen Lebens beiträgt. Viele Abteien mußten umdenken. Manche führten einen wöchentlichen „Familientag” ein, damit auch die in den Pfarren tätigen Mitglieder ein wenig am Gemeinschaftsleben teilnehmen können, so Pater Gregotsch. Daneben öffnen sich viele Orden nach außen und laden Gäste zu besinnlichen Urlaubstagen mit einem umfangreichen Kurs- und Seminarprogramm ein. So wird der Neutrakt des Stiftes Geras als Hotel benutzt, wo zahlreiche Kurse - von Seidenmalen bis Fastenwochen - stattfinden. Das Bildungshaus des Stiftes Zwettl begrüßt jährlich bis zu 10.000 Gäste. Grundsätzlich ist es in den meisten Orden möglich, eine Zeitlang in der Gemeinschaft mitzuleben, um Energie für die Seele zu tanken.

Obwohl sich das Angebot „Kloster auf Zeit” großer Beliebtheit erfreut, fühlen sich nur wenige zu einem dauerhaften Leben in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam berufen. Gab es 1985 österreichweit 3.334 Ordensmänner, so ist ihre Anzahl inzwischen auf 2.683 (davon 1.963 Priester) gesunken. Dramatischer ist der Bück-gang bei den Ordensfrauen. Verzeichnete man 1985 noch 9.300 Nonnen, wraren es am 1. Jänner 1996 nur mehr 7.000. Diese Entwicklung schlägt sich im Altersprofil nieder. Eine Statistik darüber liegt nur von den Ordensmännern vor (siehe Grafik).

Hat das Ordensleben noch Zukunft? Abseits vom allgemeinen Trend gibt es auch hoffnungsvolle Aufbrüche. So gründete 1995 die „Gemeinschaft des Heiligen Johannes” in Marchegg ihre erste Niederlassung im deutschsprachigen Baum. Die 1975 in Frankreich entstandene Kommunität zählte vor einem Jahr 346 Brüder, davon 142 Priester. Unter ihnen sind viele Österreicher. Im Herbst werden die 1973 gegründeten „Kleinen Schwestern vom Lamm” nach Wien kommen. Charakteristisch für die Nonnen ist, daß sie die Existenz der Ärmsten teilen. Erzbischof Christoph Schönborn erwartet sich von den neuen Kommunitäten, daß sie zur Erneuerung der Kirche und des Ordenslebens beitragen.

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