In der strengen Kindskammer

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Kaiserliche Erziehung: "Habsburgs Kinder" in Schloßhof.

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Kaiserliche Erziehung: "Habsburgs Kinder" in Schloßhof.

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Habsburgs Kinder", eine Ausstellung in Schloß-hof beweist, dass die Erziehungsmethoden der ersten Familie Österreichs das Land bis heute prägen. Habsburgs Kinder wurden nicht verwöhnt. Den Eltern gehorsam, katholisch, diszipliniert, kulturinteressiert und pflichtbewusst bereitete sie ein strenges Regime früh auf zukünftige Pflichten vor.

Stephan v. Lothringen und Maria Theresia beschäftigten sich - im Gegensatz zu anderen Herrschern der Zeit - ernsthaft mit der Zukunft ihrer 16 Kinder und legten für jedes detaillierte, exakte Erziehungsvorschriften fest. Tagwache war für Sohn Erzherzog Joseph um 6 Uhr 45, Ankleiden, Frühstück, Speisen und Konversation, Unterricht, Musik oder Tanz bereiteten den zukünftigen Monarchen auf sein Amt vor, militärische Unterweisung erhielt er außerdem. Bei Begegnungen mit den Eltern musste er "respektvolle Miene zeigen, ihnen entgegengehen, ohne zu laufen, ihnen zärtlich die Hand küssen".

"Ohne ein religiöses Fundament ist der Mensch nichts", fand Maria Theresia. Das zeigte sich besonders bei den Mädchen: sie durften zwar eine dreiviertel Stunde länger schlafen als die Knaben, dafür war das Beten umso wichtiger. Täglich um 10 Uhr heilige Messe, um 17 Uhr Rosenkranz. Die Kaiserin legte hohen Wert auf die Einhaltung religiöser Pflichten, an Fasttagen gab es abends eine Suppe, untertags eine Viertel Semmel. Auch sonst galt für die Kaiserkinder: "Ich verlange, dass sie von Allem essen sollen und keine Ausstellungen oder Aussuchungen im Essen machen von einem besseren Bissen oder Speise."

Für ihre Zukunft als Ehefrauen riet Maria Theresia folgendes: "Fügsamkeit gegenüber dem Gatten, dem zu gefallen oberstes Ziel ist. Keine Vertraulichkeit mit Untergebenen, religiöse Übungen einhalten, sich keinesfalls in die Politik einmischen." Maria Theresia selbst handhabte letzteres anders. "Ich liebe die Kaiserin, aber ich fürchte sie sogar aus der Ferne. Selbst, wenn ich ihr schreibe, fühle ich mich ihr gegenüber nicht ungezwungen", schrieb Marie Antoinette 1773. Wie ihre Schwestern Maria Amalia oder Maria Carolina wurde sie ein Opfer der Heiratspolitik und musste einen ungeliebten Mann ehelichen. Einzig das Lieblingskind, Marie Christine, bekam den Mann ihres Herzens, Herzog Albert von Sachsen-Teschen. Sie gaben einander das Ja-Wort in Schloßhof.

"Kindskammer" hieß das Zimmer, in dem Kaiser Franz Josephs Kinder ihre Zeit verbrachten. Der in den Repräsentationsräumen übliche Prunk der Habsburger herrschte hier nicht. Fast spartanisch wirkt das Zimmer, nur in einer Spielecke des Raumes gab es kleine, samtgrüne Fauteuils, ein Wächterhäuschen und Spielzeugsoldaten. Knaben mussten sich im frühesten Alter an militärischen Drill gewöhnen.

Dramatischstes Beispiel für negative Spätfolgen allzu strenger Erziehungsmethoden war Kronprinz Rudolf. Schon an seinem Geburtstag legte ihm der militärbegeisterte Vater Franz Joseph den Orden des Goldenen Vlieses in die Wiege und ernannte ihn zum Oberst und Regimentsinhaber. Franz Joseph selbst hatte schon mit 18 Monaten, der Sprache noch nicht mächtig, zwischen Soldaten und Offizieren unterschieden: "Dada" hießen erstere, "Azizis" zweitere. Mit 20 Monaten übte er den Gleichschritt, zeitlebens blieb er militärbegeistert.

Der sensible Rudolf hingegen zerbrach am Drill, der ihm zugemutet wurde. Der strenge Erzieher Graf Gondrecourt ließ den sechsjährigen stundenlang bei jedem Wetter exerzieren, und sperrte ihn eine Nacht lang im Lainzer Tiergarten ein. Die ansonsten an der Erziehung ihrer Kinder eher desinteressierte Kaiserin Elisabeth griff ein, als Rudolf an Schlafstörungen, Apathie und Appetitlosigkeit litt. "Beinahe zum Trottel gemacht", befand sie über den Zustand ihres Sohnes und setzte ihrem Mann Kaiser Franz Joseph 1865 ein Ultimatum, was allgemein als Skandal gesehen wurde. Für Kronprinz Rudolf war es die Rettung. Er bekam im Grafen Latour einen liberalen, freundschaftlichen Erzieher, der fast nur Bürgerliche als Lehrer auswählte. Damit fand die Regimentsherrschaft in der Kinderstube der Habsburger langsam ein Ende.

Bis 1. November

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