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In memoriam Herbert ßoeckl

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Mit dem Tode Herbert Boeckls, der vorige Woche starb und Dienstag feierlich zur letzten Ruhe gebettet wurde, erlitt die österreichische Kunst und Kultur einen schmerzlichen und unersetzlichen Verlust. Boeckls Leben gehörte in seltener Ausschließlichkeit der Kunst, es war die Verkörperung einer Existenz für die Malerei, deren reine und heilige Flamme sein Wesen bis in die geheimsten Fasem ergriffen hatte. Seine ahnungsvolle Liebe galt den Großen: Velazquez, Rembrandt, Zur- barän, den Venezianern und Cezanne, den Ägyptern, der Antike und der Mittelmeerkultur. Nicht umsonst reiste er noch im Herbst seines Lebens nach Spanien Griechenland und Ägypten, denn es bedeutete ihm immer mehr und mehr, jenen weitreichenden Verbindungen nachzugehen, aus denen einst Europa und auch Österreich wurde, die heute noch zur Bedingung unserer geistigen Existenz gehören, sie formen, bilden und beleben. So betrieb er auf seine Weise Suche nach den Vätern, weil er wußte, daß ein Maler, der der Welt angehören will, sie in der Welt zu suchen hat und nicht nur in der Heimat, die er in einem betonten Bewußtsein ihrer Eigenständigkeit tief liebte; sie hat ihn zwar mit manchen Ehren überhäuft und doch allein gelassen.

Als Mensch war er bei aller kraftvollen Vitalität von einer seltenen Zartheit und. Sensibilität, von tiefer religiöser Gläubigkeit und Kompro- mißlosigkeit. Er hat viel gelitten. In seinem großen Lebenswerk, das er

— der Österreicher geblieben war — uns als größte und kraftvollste Potenz der letzten fünfzig Jahre geschenkt hat, hinterläßt er uns und der Malerei Gültiges und Neues. Am 3. Juni 1894 in Klagenfurt geboren, bildete sich der Architekturstudent als Autodidakt in der Malerei aus und trat bereits 1920 mit Ölbildern und Aquarellen hervor, die etwas Neues und Revolutionäres bedeuteten. In ihnen suchte und fand der junge Künstler den Anschluß an das europäische Kunstgeschehen in einem nüchternen Expressionismus der bereits in die Zukunft und zum Spätwerk wies und in unmittelbarer Nähe des Frühwerkes von Cėzanne stand.

Schon damals unterscheidet ihn die Tektonik und das erstrebte Maß seiner Bilder von anderen, sowohl vom Fauvismus wie vom deutschen Expressionismus. Schicksalhaft war er schon im Bereich jener Tradition, die er suchte, und setzte Meisterwerke, die zum großen Klang europäischer Malerei gehören. In einem neuen Ansatz vertiefte sich sein leidenschaftliches und zärtliches Verhältnis zur Wirklichkeit, dann in die Natur, die ersten sakralen Themen tauchen auf, für die der große Flügelaltar zum Prüfstein wird. Aus ihm wurde dann die neue endgültige Befreiung, die einen erneuten und bewußteren Anschluß an die zeitgenössische Malerei brachte, der in dem großartigen Freskenwerk von Seckaiu gipfelte, das in seinem tiefgründigen Hymnus von Farbe und Form, in seinen bewußten Bezugspunkten wohl das bedeutendste Oeuvre moderner religiöser Malerei darstellt. Wirkte in der ersten Epoche Boeckls noch das Barock in seiner klassischeren Form nach, so nun die Gotik der Heimat, ihr internationaler Stil metaphysischer Leichtigkeit, die Poesie ihrer Gestimmtheit. Aquarelle entstanden, die letztes Destillat malerischer Weisheit darstellen.

Mit seiner Liebe und seiner Suche nach Klassik baute Herbert Boeckl das Europäische wieder in die österreichische Kunst ein und schuf eine Verbindung, die jahrhundertelang zerbrochen war. Seine kraftvollen Synthesen gaben ihr neue Möglichkeiten und Ansatzpunkte, schufen eine Plattform, auf der sich die Jugend bewähren muß. Wir betrauern in ihm nicht nur einen Künstler von klassischem Format, sondern auch den großen Lehrer an der Akademie, den die Schüler liebten und verehrten, das Vorbild und den Wegweiser. Sein Werk, angesichts des Todes in noch größerer Reinheit strahlend, wird dauern und wachsen.

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