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Hans Staudacher, eine "Institution" der österreichischen Maler-Szene, wird 85. In Klagenfurt ist eine große Retrospektive zu sehen.

Die Retrospektive, die bis 20. Jänner 2008 im Museum moderner Kunst Klagenfurt (MMKK) zu sehen ist, erfüllt nicht nur den Anspruch eines charakteristischen, repräsentativen Überblicks über ein sehr großes, weit verzweigtes Lebenswerk, sondern fungiert auch als angemessene Hommage zum 85. Geburtstag des beliebten Künstlers am 14. Jänner.

Ergänzt wird die Ausstellung durch ein informatives Katalogbuch, herausgegeben von Andrea Madesta, der Direktorin der einstigen Kärntner Landesgalerie, die zusammen mit Sonja Traat auch für die gelungene Werkauswahl von 55 Gemälden und etwa 20 Papierarbeiten verantwortlich ist.

Als glänzend aufeinander abgestimmte Suite sind letztere in einem kleinen Kabinett aufgehoben, das gleich eingangs viel von dem erkennen lässt, was die unnachahmliche Leichtigkeit und Poesie in der Pinselführung des "lebenslangen Autodidakten" (Selbstzitat) ausmacht.

In zeitlicher Hinsicht spannt sich der Bogen des Gezeigten von 1956 bis 2004. Als Vorspann fungiert ein 1951 entstandenes großes Querformat, betitelt "Reiterei", das sich dem Thema in dichter, kubistisch-expressiver Aufeinanderfolge stark abstrahierter Bildelemente nähert, dominiert von einem blauschwarzen Grundton, der nur gelegentlich durch kleine, weiße untermalte Felder aufgehellt wird.

Poesie der Pinselführung

Für Österreich ist Hans Staudacher schon lange das, was man eine Institution nennt. Innerhalb der europäischen Kunstszene kann man ihn vor allem in Hinblick auf sein frühes und mittleres Œuvre als herausragende, unverwechselbare Persönlichkeit des Lyrischen Informel bezeichnen und damit in eine direkte Reihe mit den Franzosen Georges Mathieu und Jean Degottex stellen, deren Werk in Staudachers Pariser Zeit zwischen 1958 und 1962 international viel beachtete Höhepunkte markierte.

Im österreichischen Vergleich steht der Kärntner Staudacher in einer Reihe mit seinem gleichfalls durch Paris mitgeprägten Landsmann Hans Bischoffshausen (1927-1987) und dessen strukturbetonten, pastosen Materialbildern, die im Umfeld der internationalen Zero-Bewegung (Mack, Piene, Uecker, Yves Klein, Manzoni) anzusiedeln sind.

Ausgestattet mit vielen Talenten (auch sie mussten zunächst einmal erkannt, aktiviert und erprobt werden) und einem ungewöhnlichen Durchhaltevermögen, das vor allem zu Beginn seiner rein informellen, abstrakten Malerei von Geringschätzung, Ignoranz und Missverständnissen begleitet war, gelang es Staudacher kontinuierlich, sich durchzusetzen und die Malerei zur alleinigen Existenzgrundlage zu machen.

Die Anfänge in Kärnten

1950 ging der aus Sankt Urban stammende Maler nach Wien. Er war 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und konnte sich in den Jahren des Wiederaufbaus seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten, als Schwimmlehrer in Villach, und mit Verkäufen seiner frühesten Porträts und Landschaften verdienen. In der Buchhandlung Baier in Villach hatte Hans Staudacher 1948 seine erste Einzelausstellung.

1951 folgten das Kärntner Landesmuseum und die Wiener Secession, die ab dieser Zeit zur Heimstätte für das neu aufgenommene Mitglied wurde. Mit seinen außerordentlichen, geheimnisvoll bewegten Zeichnungen in einer gewissen Nähe zu Kubin fand der unruhige, agile Künstler das Interesse des damaligen Albertina-Direktors Otto Benesch, der gleich mehrere dieser raren Arbeiten für die bedeutende Grafiksammlung erwarb.

Frühe Erfolge im Ausland

Im nachfolgenden Prozess entscheidender künstlerischer Selbstfindung und überregionaler Akzeptanz spielte dabei der bereits erwähnte Paris-Bezug die wichtigste Rolle. Ohne diesen Aufbruch ins Ausland und Informationen aus den wichtigsten Zentren der Avantgarde wäre Staudachers Karriere zweifellos anders verlaufen oder erst gar nicht zustande gekommen. Der Satz vom Propheten, der im eigenen Land nichts gilt, bestätigte sich beim heutigen Jubilar einmal mehr, der 1955 in Darmstadt bei einer wichtigen Ausstellung dabei war, 1956 in Amsterdam und Eindhoven Österreich vertrat, 1957 in die Kunsthallen von Düsseldorf und Bern eingeladen wurde und 1958 den Premio Marzotto erhielt, der gleich mehrere Ausstellungsbeteiligungen in Italien zur Folge hatte.

Es war auch das Ausland und nicht Österreich, das geistige Mitgehbereitschaft für ein damals als schwierig und spröde empfundenes Werk signalisierte.

Beginnend mit einer kräftigen tachistischen Pinselführung, die später zunehmend die Methode der "Drippings" eines Jackson Pollock aufgreift, erreicht Staudachers informeller Stil schon am Ende der 1950er Jahre viele markante Höhepunkte auf elanvoll bemalten, groben Juteleinwänden. Dies zeigt jetzt in Klagenfurt, neben anderen größeren Formaten, eine noch nie ausgestellte Abfolge von vier Hochformaten aus 1958, jeweils unterteilt durch ein weißes Kreuz im Untergrund, das über die geometrische Artikulation hinaus auch einen ikonografisch bedingten Sinnbezug mitschwingen lässt.

Konzentrierte Spontaneität

Staudachers Informel bekommt in dieser Zeit mehr und mehr lyrische Bezüge, bedient sich innovativ verschiedenartiger Satz-, Zahlen- und Buchstabenfragmente und wird durch die unbändige Improvisationslust seines Urhebers zu einem unverwechselbaren Reservoir individueller Gestaltfindungen. Der typische Klang der unter hoher Konzentration spontan gefertigten Arbeiten beruht auf dem gekonnt ausbalancierten Zusammenspiel zeichnerischer und malerischer Vorgänge und ihren daraus hervorgehenden Bildelementen und Eigenschaften, denen man allen neben der Schnelligkeit des Malakts auch Risikobereitschaft und die Energetik einer durchtrainierten Handschrift anmerkt.

Staudachers Bilder und Blätter, seine großen Formate wie seine miniaturartigen Studien, sind trotz ihrer Spontaneität und ihrer oft mit bloßer Willkür verwechselten Freizügigkeit immer Produkte eines durch hellwachen Verstand und Gefühl bestimmten, bewussten bildnerischen Vollzugs, der auf einem die Balance von Intellekt und Intuition beherrschenden, andauernden Sichrechenschaftgeben beruht.

Malerei als Lebensbestimmung und der Dialog mit Menschen und Lebensraum kennzeichnen inzwischen für mehr als sechzig Jahre ein imponierendes, in vielen Sammlungen vertretenes Lebenswerk. In seiner bejahenden, expansiven Kraft, in seiner Sensibilität und dem Charme ruppiger Stakkatos steht es ohne Vergleich da. Am erfrischenden Aktionsradius des Künstlers, Entertainers und Menschenbauers soll sich auch in den kommenden - möglichst vielen - Jahren nichts ändern.

Der Autor war 1974-2004 Direktor der Neuen Galerie der Stadt Linz bzw. des Lentos Kunstmuseums und ist Mitautor des Katalogs.

Hans Staudacher

Eine Retrospektive

Museum Moderner Kunst Kärnten

Burggasse 8, 9020 Klagenfurt

www.mmkk.at

Bis 20. 1. Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr

Katalog Hrsg. von Andrea Madesta. Böhlau Verlag, Wien 2007, 168 Seiten mit 180 Farbabb., geb., € 30,80

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