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Interesse für Israel

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Das diesjährige, eben abgeschlossene zweiunddreißigste Mai-“festival in Florenz hat neben der erstaunlichen Entwicklung intensiven Musikinteresses in der bisher so viel mehr auf dem Gebiet bildender Künste leistenden Stadt auch ein Zeugnis für die in Italien stetig wachsende Judenfreundlichkeit und das Interesse für die Entwicklung des Staates Israel abgelegt.

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Das diesjährige, eben abgeschlossene zweiunddreißigste Mai-“festival in Florenz hat neben der erstaunlichen Entwicklung intensiven Musikinteresses in der bisher so viel mehr auf dem Gebiet bildender Künste leistenden Stadt auch ein Zeugnis für die in Italien stetig wachsende Judenfreundlichkeit und das Interesse für die Entwicklung des Staates Israel abgelegt.

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Nach dem von stürmischem Applaus begrüßten Erscheinen des „Israel Philharmonischen Orchestra“, welches zwei Tage lang auch gesellschaftlich die Stadt beherrschte, wurde das einzige nichtmusikalische Ereignis des Festes geboten: mit sechs Aufführungen von Alexander Fersens Schauspiel „Der Golem“; ein Unternehmen, dem lebhafteste Teilnahme des nicht ausschließlich musikalisch eingestellten Publikums begegnete. Die düster gestimmte dramatische Schöpfung des hochbegabten Autorregisseurs vermochte durch spannendes Geschehen, welches viele zeitgenössische Probleme der heutigen Judenschaft berührte, und mit seinem dramatischen Atem intensiv zu fesseln, ebenso wie durch die spannende Aufführung. Der dargestellte „Golem“, über zwei Meter groß, eine schwer umhertappende Figur, die in wilder Zerstörungswut schließlich einen Teil: der Bühne demoliert, beherrschte in grauenvoller Art die Szene. — Das begeistert aufgenommene Werk machte zum Schluß des Festivals einem besonders wichtigen musikalischen Ereignis, der Darstellung von Schoen-berg's „Moses und Aaron“ Platz und erfolgte im Rahmen des Gastspieles der „Deutschen Oper am Rhein“ aus Düsseldorf, die mit ihrem ganzen künstlerischen und technischen Personal nach Florenz gekommen war. Zwei glänzend besuchte Abende sahen .ein interessiertes Publikum im „Teatro Comunale“; daß es nicht ausverkauft schien, war der Angst der an Verdi und Puccini gewöhnten Italiener vor gar zu viel zeitgenössischer Musik zuzuschreiben. Doch waren alle Ränge mit erwartungsvollen Scharen gefüllt, von Wissens- und namentlich sensationshungrigen Hörern, in Gesellschaft

von vielen ausländischen „Maggio“-Gästen, wie sie um diese Jahreszeit die schöne Arnostadt stets überfluten.

Für viele Anwesende war es nicht die erste Gelegenheit eines der großartigsten musikdramatischen Werke unserer Zeit kennenzulernen; es war bereits in Milano und Rom zu Gehör gebracht worden, abgesehen von der Züricher Uraufführung im Jahre 1957, welcher viele italienische Musikinteressierte beizuwohnen sich nicht hatten nehmen lassen. Diese Florentiner Wiederaufnahme des großen Werkes beeindruckte die Hörer als musikalisch höchst bemerkenswerte Produktion; die unvorstellbar komplizierten und schwierigen Chöre, welche die Handlung zu tragen haben, standen auf höchstem Niveau, wie dies nur unter fachmännischer Leitung und durch langes Studium zu erreichen möglich erscheint. Was aber weniger befriedigte, war die szenische Arbeit in dem so anspruchsvollen Werk: und eben diejenigen Anwesenden, die seinerzeit die Zürcher Regie miterlebt hatten, konnten nur zu berechtigte Einwände gegen die hier geleistete, von jener der Uraufführung so verschiedene Arbeit erheben. Das Szenenbild war monoton, auf eine einzige Dekoration für vier Bilder beschränkt. Wenig war darin von alttestamentarischer Weihestim-mung zu entdecken, alles deutete auf die Schwierigkeit, derart komplizierte Konzeptionen auf Reisen zu führen. Schlimmer empfand man: daß sich verschiedene krasse Widersprüche zwischen den biblischen Angaben und den Versuchen, diese bildhaft zu verwerten, ergaben. Störend war auch, daß das von der Bibel geforderte Goldene Kalb einfach nicht zu sehen war — an seine Stelle war

eine konventionelle Götzenfigur zur Anbetung getreten, und auch das so wichtige von Moses geforderte „Absteigen vom Berg“ blieb unberücksichtigt — der Prophet erschien einfach mit gemessenen Schritten aus dem Hintergrund. Wie auch der tragische Ruf des Patriarchen „Das Wort, das Wort, das mir fehlt.. .'*, seine so einzigartige religiöse Eindringlichkeit, verlor.

• Über das unvorhergesehene „Pech“ des ersten, sehr sorgfältig als brillante Einleitung vorbereiteten Abends wurde bereits in den Tageszeitungen berichtet: Daß nämlich die Eröffnungsvorstellung in letzter Minute, vor dem bereits alle Ränge füllenden festlich gekleideten Publikum abgesagt werden mußte, wegen angeblich fulminant eingetretener Heiserkeit des Radames-Teno-res. Für Ersatz im Notfall war nicht gesorgt worden. Und kaum hatte sich der Ärger über diese Nachlässigkeit besänftigt — l auch Dank dem lebhaften Erfolg der folgenden „Aida“, als sich andere Kreise mit der Einwendung meldeten, es sei falsch und unzulässig, diese Oper, zusammen mit zwei weiteren („Entführung“ und „Fddelio“), samt Verdis „Requiem“, einem und demselben ausländischen Dirigenten anzuvertrauen, anstatt das Pflücken solcher Lorbeeren einem italienischen Maestro zu gönnen. Dem jungen Inder Zubin Mehta war nämlich die Vermittlung des orchestralen Teiles des Festivals restlos anvertraut worden, im Hinblick auf seine außerordentliche und weltweit anerkannte Zugkraft. Auch diese Meinungsverschiedenheiten wurden durch den Eindruck des stets erfolgreichen Verlaufes dieses „Maggios“ bald zum Schweigen gebrächt.

Mit der Interpretation des großen „Requiems“ erreichte die festliche Folge einen echten Höhepunkt, langjährige Stammgäste des Festivals konnten sich nicht erinnern, das schöne, geräumige Theater in allen Rängen so überfüllt gesehen, noch es in gleicher Weise von Applaus geradezu erschüttert erlebt zu haben.

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