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Jawlensky, Bonnard, Chagall in München

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Als die Münchner Städtische Galerie im ehemaligen Lenbach-Palais vor einigen Jahren den gesamten malerischen Besitz der Kandinsky-Freundin Gabriele Münter als Stiftung erhielt, wurde sie mit einem Schlag zum bedeutendsten Sammelpunkt der Gemälde Kandinskys, des ersten abstrakten Künstlers, und zugleich zum Hort jener Kunstrichtungen, die unter den Namen „Blauer Reiter“ und „Neue Künstlervereinigung" in die Geschichte eingegangen sind. In solcher Mission sah die Galerie es als ihre Ehrenpflicht an, Alexander Jawlensky und Marianne Werefkina — die bedeutendsten russischen Freunde Kandinskys — mit ihren wichtigsten Werken in München vorzustellen. Bei der Werefkina zeitigte diese Gedächtnisausstellung in der Tat einen historischen Aspekt: man lernte Malerei aus zweiter Hand kennen, ein Talent, das den Neuerungen der großen Malerfreunde beflissen folgte, ohne sie in eine eigene Leistung umsetzen zu können. Dabei war sie — darin manchen Dichtergefährtinnen ähnlich — der ruhende Pol, an dem der Münchner Expressionistenkreis seine stilistischen Errungenschaften gedanklich klären konnte.

Immer noch den Lebensnerv des Bilderschauens trifft dagegen Jawlensky mit seinen großartigen Gemälden. Da gibt es Frauenantlitze und Männerköpfe (ein „Renaissancekopf“ von 1913 etwa), deren brennende Augensterne einen nicht mehr loslassen. Später dann wandelt sich Jawlenskys Monumentalpsychologie zu Abstraktionen und Konstruktionen. Die einzejnen Stationen dieses Wegs, in denen sich das Bildgestalten immer mehr auf das Herausheben des geometrischen Gerüsts reduziert und das Ausdeuten immer mehr ein Verwesentlichen wird, sind in der Münchner Ausstellung in geradezu erregender Prägnanz zu verfolgen, t Am Ende stehen Jawlenskys berühmte „Meditationen“, kleinformatige Gestaltungen der abstrakten Urform des menschlichen Kopfes. Nase und Augen bilden ein Kreuz, die Waagrechte des Mundes trägt das Ge bilde, das Dreieck der Stirn krönt es. Farbe füllt diese Räume aus, macht sie transparent für das Hintergründige und zugleich voll unendlicher Tiefe. Eine dritte Komponente in Jawlenskys Schaffen ist die Lyrik. Seine Blumenstücke aus der Spätzeit („Rosa-gelbe Dahlien“ von 1937) sind von einen duftigen Schwerelosigkeit der Oeltechnik, die sie zu den schönsten Bildern dieser Epoche macht.

„Drei Erleuchtete“ nennt sich eine Sammelaus stellung von Bildern der Nachimpressionisten B o n- nard, Vuillard und Roussel, die die Pariser Modern Art Galerie im Münchner Kunstverein zeigt. Unglücklich wie dieser Titel ist die ganze Schau. Sie demonstriert in erschreckender Deutlichkeit, wie rasch sich jeder schöpferische Impuls verliert, wenn aus einer Kunstrichtung eine „Institution“ wird. Daß die drei Maler auch persönlich befreundet waren, mag zu der recht „familiären“ Belanglosigkeit der Exponate sicherlich beigetragen haben. Roussels Allegorien lavieren am Rande des Kitsch, Vuillards Damenporträts wirken wie historische Monsterschin- ken, nur die fünf Bonnard-Gemälde (keineswegs seine besten)- bleiben länger im Gedächtnis. Der uncharakteristischen Bilderwahl entspricht die lieblose Hängung im Münchner Kunstverein und die stilistisch und inhaltlich beschämende Gestaltung des Katalogs. Hier nun zeigt sich Münchens Kunstpublikum von seiner guten Seite: es füllt das Gästebuch der Ausstellung mit Protesten.

Gleichzeitig mit Jawlensky konnten die Münchener nach den Hamburgern die. grandiose Marc- Chagall-Schau bewundern, die größte, die Deutschland je sehen durfte. Die „Ftu-che“ hat sich schon mehrfach ausführlich mit dem Werk dieses großen mystischen Träumers beschäftigt — zuletzt ausführlich im August 1957 aus Anlaß der Chagall-Ausstellung bei Welz in Salzburg — so daß wir uns mit. diesem Hinweis begnügen dürfen.

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