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Zwei Ausstellungen zum 75. Geburtstag von Wolfgang Hollegha.

Farbflecke, wild durcheinander, verschmiert und zerronnen; wie riesige Malfetzen, in die der Maler seine schlecht ausgewaschenen Pinsel abgetupft hat; meterhohe Formate, die jegliche räumliche Möglichkeit auch des größten Wohnzimmers sprengen und somit nicht als Sofa-Bilder dienen können; kein Verweis auf einen Gegenstand, kein Aufflackern der Spur eines ordnenden Geistes. Zufallsprodukte - da hat es sich einer wieder einmal besonders einfach gemacht.

Keine Sofa-Bilder

All dies bestätigt ein schneller Blick auf die Bilder von Wolfgang Hollegha, die man aus Anlass seines 75. Geburtstages derzeit in der Sammlung Essl in Klosterneuburg und in der Galerie Ulysses in Wien betrachten kann. Die Versuchung liegt nahe, die Buntheit und Heiterkeit der Arbeiten kurz zu genießen und sich dann wieder auf den Weg zu machen, wohin auch immer. Doch dann fällt der Blick auf die Titelkärtchen: Vögel, Holzknolle, Schiff, Zwei Puppen in einem Korb, Zottelhaube, Spanischer Korb, Spielzeug und ähnliches steht da als nähere Beschreibung der scheinbar wirren Farbflecken zu lesen. Soll man sich nun entgültig gefrotzelt vorkommen? Oder bestätigt sich wieder einmal, dass der schnelle Blick oftmals zu kurzsichtig ist?

Ein genaueres Hinsehen lässt dann die ganze Ernsthaftigkeit zu Tage treten, mit der sich Hollegha seine Bildlösungen erarbeitet. Plötzlich sind dann die Farbflecken nicht mehr zusammenhanglos hingegatscht, die Rinn- und Schmierspuren eröffnen einen äußerst kalkulierten Umgang mit dem Zufall und der Kontrollblick auf die Zeichnungen von Hollegha machen deutlich, dass die Titel keine Frotzelei meinen, sondern bloß jene Gegenstände angeben, die als Ausgangspunkt für die malerische Entwicklung der einzelnen Arbeiten gedient haben. Holleghas Farbräusche sind Wahrnehmungsübungen, sie übertragen die jeweiligen Gegenstände von der 1:1-Aufnahme ins Großformat, tauchen damit mit großer Geste in die kleine Welt ein und schenken den unscheinbaren Dingen des Alltags, dem beiläufig Gefundenen, eine lyrische Aufmerksamkeit voller bunt-heiterer Pigmente.

Hollegha und Otto Mauer

Der früh verwaiste Hollegha wuchs bei der Tante in der Steiermark auf, kam zum Studium an die Akademie der bildenden Künste nach Wien und schaffte den Durchbruch zu öffentlichem Interesse unter den Fittichen von Monsignore Otto Mauer in der Galerie nächst St. Stephan. Dort zählte er gemeinsam mit Josef Mikl, Arnulf Rainer und Markus Prachensky zur künstlerischen Kerngruppe. Mauer schätzte an Holleghas Arbeiten die starke Konzentration durch Weglassen, die Leichtigkeit der Andeutungen, die wie von ungefähr den Weg auf die Leinwände finden. Die blühenden Farben, die trotz aller Bewegtheit dominierende durchsichtige innere Stille und die Hinwendung zum Organischen verleiht den Bildern von Hollegha nach Mauer einen paradiesischen Charakter. Hollegha erfüllt für ihn damit die grundsätzliche Revolte der Kunst, ihre Utopie, christlich gesprochen ihre Hoffnung, wenn er schreibt: "Kunst ist Erinnerung, revolutionärer Rückgriff auf die erste ungekränkte Welt; darin liegt ihr protestierendes, mit dem Faktischen in Konflikt befindliches Moment; sie nimmt die Welt nicht zur Kenntnis, wie sie ist, sondern wie sie sein soll, sie erweckt den Wunsch nach dem nie Gesehenen, sie vollendet, weil sie mit dem Anfang verbündet ist." Dieser grundsätzlich affirmative Zug im Schaffen von Hollegha soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, welcher tiefe Ernst in all der Heiterkeit verborgen ist und mit wie viel Schmerz diese erkauft wurde.

Steiermark statt Amerika

Nach dem Rückzug von Otto Mauer aus der Galerie nächst St. Stephan entdeckte kein Geringerer als der einflussreiche amerikanische Kunsttheoretiker Clement Greenberg die Arbeit von Hollegha und verschaffte ihm einige wichtige Ausstellungsauftritte in den USA, die unter anderem dem damals 29-Jährigen auch den Guggenheim-Preis für Österreich einbrachte. Dennoch verzichtete Hollegha auf eine mögliche Karriere in Übersee und baute sich statt dessen sein Refugium auf dem Rechberg in der Steiermark aus, ein 14 Meter hohes, kirchenschiffähnliches Atelier. Neben der Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien entstand dort über die Jahre seine großformatige malerische Hochschätzung der kleinen Dinge. Mit dem gesamten Körper malt Hollegha, von Bach mit Musik unterstützt, zerlegt und analysiert er zuerst in vielen Arbeitsschritten, um dann zu den wohlkomponierten, farbstrotzenden Kleinwelt-Großsichtwahrnehmungen zu kommen. In guter Manier des deutschen Expressionismus könnte er bei jedem Bild ausrufen: Die Farbe hat mich. Und als Antwort des Rezipienten wäre adäquat: Mich auch.

Hollegha

Sammlung Essl, An der Donau-Au 1, 3400 Klosterneuburg

Bis 18. April Di-So 10-19 Uhr,

Mi 10-21 Uhr (ab 19 Uhr freier Eintritt).

Katalog mit Texten von Susanna Bichler, Karlheinz Essl u. Arnulf Rohmann, 40 Seiten.

Wolfgang Hollegha

Galerie Ulysses,

Opernring 21, 1010 Wien

Bis 18. April Di-Fr 12-18,

Sa 10-13 Uhr.

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