7131390-1997_26_18.jpg
Digital In Arbeit

Keine Radio-Aktivität

Werbung
Werbung
Werbung

Schuld an allem war Lieselotte. Sie hätte das erste Rendezvous Axel Melhardts, damals stolze zwölfeinhalb, werden sollen. Doch es kam nicht zustande. Stattdessen sah sich Melhardt im Kino die Renny-Goodman-Story an und seit diesem Zeitpunkt war er wie verwandelt: Der Jazz wurde für ihn zum Lebensinhalt. Mittlerweile ist er Chef des „Jazzland ”, einem international bekannten Lokal im ersten Wiener Gemeindebezirk, das zur Institution in der Jazzszene der Bundeshauptstadt geworden ist und heuer seinen 25. Geburtstag feiert.

In all den Jahren seit dem Februar 1972 traten nicht weniger als 1.000 der besten Jazzmusiker der Welt in dem Kellerlokal unweit der Ruprechtskirche auf. Weltstars wie Mon-ty Alexander oder Rarney Kessel spielten schon in dem alt-ehrwürdigen Kellerlokal. Aber die Medien hatten darüber meist nichts geschrieben und die fantastischen Sessions wurden auch nicht im Rundfunk übertragen. Auf die Frage, wie er denn diese, seine Musikrichtung gegenwärtig sehe: „Was Mozart für das 18. Jährhundert, ist Armstrong für das 20. Jahrhundert.” Ein Ärgernis für den Mr. Jazzland ist der Umstand, daß die Medien überhaupt kein großes Interesse am Jazz haben. Massenveranstaltungen in Sachen Volksmusik haben Vorrang. Axel Melhardt: „Jerry Cotton hat hierzulande eine höhere Auflage als Thomas Bernhard, daher bringt der ORF Moik statt Jazz!”

Wo sind die Zeiten, als der Jazz noch in der Musikszene etabliert war? Wehmütig erinnert man sich an Sendungen wie „Vokal, Instrumental, International” von und mit Walter Richard Langer. Leider gibt es ihn nicht mehr, so wie den Großteil jener Sendungen, die Jazzmusik enthielten.

In den achtziger Jahren gingen die Radio-Aktivitäten des Jazz im ORF zurück, zugunsten stark ausgeprägter Festivaltätigkeit nach amerikanischem Vorbild. Wien, Wiesen, Ffollabrunn und Saalfelden entwickelten sich zu Pilgerstätten der Jazzjünger, wobei Wien und Wiesen es bis heute geblieben sind. Man holte neben den heimischen Musikern auch ausländische Jazzer aller Stilrichtungen zu den Events. Der Swing war genauso vertreten wie der Jazzrock oder der Latin-Jazz und der Soul. Musiker wie Herbie Hancock (beim Jazz Fest Wien '97 zu hören), Chick Corea, George Benson oder Gilberte Gil wurden einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, deren Metier die Popmusik war. Auch Bhythm und Blues, heuer vertreten durch den legendären Ray Charles und Dionne Warwick, begeistern das Publikum.

Schlechte Sendezeiten

Heimische Musiker wie Harry Pirch-ner, Karl Ratzer oder Harry Stojka konnten mit ihren Kompositionen, Arrangements und ihrer musikalischen Finesse in der internationalen Jazzwelt beachtliche Erfolge erringen und viele US-Jazzer legten großen Wert darauf, beispielsweise mit Karl Ratzer, der auch lange Zeit in den Vereinigten Staaten gelebt und gewirkt hatte, zusammenzuspielen. Das „Vienna Art Orchestra”, im Jahre 1977 entstanden, hatte zu Beginn das Image einer Chaoten-Band, entwickelte sich aber zum führenden Klangkörper in der internationalen

Jazzszene. Vom Vienna Art Orchestra ausgehend, entstand auch das Lokal „Porgy und Bess”, das in Wien die zeitgenössischen Jazzformen, die auch Elemente der Pop-Musik und des Funk beinhalten, als Gegenpol zum „Jazzland” mit seinen traditionalistischen Jazzformen, fördert.

Ein Musiker, der ganz klein im Österreich der fünfziger Jahre begann und dann Weltkarriere machte, wobei er in seinen Kompositionen auch Elemente der klassischen Musik, aber auch des Bock und Pop einbaute, war Joe Zawinul, der seine Karriere beim Canonball-Adderly-Quintet begann, später seine fulminante Gruppe „Weather Report” führte und jetzt schließlich das „Zawinul Syndicate”. Sein letztes Werk, „Stories of the Danube”, war monatelang in der Jazzhitparade und er wird auch wieder mit neuer Musik die Fans beim diesjährigen Jazzfest Wien überraschen.

Aber auch im allergegenwärtigsten Pop-Jazz-Bereich gibt es eine Gruppe, die in den USA ebenso wie bei Clubbings der Jeunesse Doree in Wien Aufsehen erregt: „Count Basic”, die erfolgreich eine Brücke zwischen Jazz und Musik der Hitparade bauen und sowohl von den Jazzliebhabern, als auch von den Pophörern gleichermaßen geschätzt werden. Auch der Musiklehrer und Saxophonist Hubert Waldner ein gebürtiger Kärntner -wird mit seinen Werken, einer Symbiose aus Jazz und Funk, immer bekannter. Seine aktuelle CD: „Little Fishermen” ist ein Beispiel dafür. Ein positives Faktum des österreichischen Jazz der Gegenwart ist auch die Dezentralisierung: Die Wienlastigkeit schwindet zugunsten der Bundesländeraktivitäten auf diesem Gebiet. Das „Upper-Austrian-Jazzorchestra”, mit seinen hervorragenden Saxophonisten Christian Maurer und Klaus Dickbauer, teuren mit Erfolg durch die Bundesländer.

Klaus Schulz, Kenner und Förderer des österreichischen Jazz, meinte kürzlich: „Die Festivals sind gut besucht und der Beweis, daß der Jazz in diesem Land lebt, aber die Radiosendungen sind im Vergleich zu den sechziger, siebziger und achtziger Jahren zurückgegangen. Dieser Umstand schmerzt die Jazzfans in Österreich sehr.” Natürlich gibt es gute Jazzsendungen, aber die Programmplätze befinden sich in der Nacht, wo nur mehr wenige Menschen zuhören. Sieben

Stunden Jazz pro Woche sind in der Programmplanung des Hörfunks enthalten. Schulz erzählt, Johannes Kunz, Programmintendant des ORF-Fernsehens, habe einmal laut gedacht: „Wäre ich Hörfunkintendant geworden, hätte sich zwar an den sieben Stunden Jazz pro Woche nichts geändert, aber die Sendezeiten wären bessere geworden!”

Vielleicht ändert sich doch etwas und der Jazz im Radio erhält bessere Sendezeiten. Es täte ihm bestimmt sehr gut.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung