Kikis künstlicher Kosmos

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Vor rund einem Jahr verstarb Kiki Kogelnik. Die Österreichische Galerie Belevedere würdigt die international bedeutende österreichische Künstlerin mit einer groß angelegten Retrospektive.

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Vor rund einem Jahr verstarb Kiki Kogelnik. Die Österreichische Galerie Belevedere würdigt die international bedeutende österreichische Künstlerin mit einer groß angelegten Retrospektive.

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Im Karner von Stein in Kärnten konnte Kiki Kogelnik eine lange gehegte künstlerische Vision verwirklichen: Mit fröhlich tanzenden Gerippen gestaltete sie das Haus des Todes zu einem Ort der Meditation über das Leben. Diese Keramik-Installation sollte zugleich ihr letztes großes Werk (1996) sein; die Künstlerin verstarb im Februar des vergangenen Jahres.

Die Retrospektive im Oberen Belvedere, an deren Planung Kiki Kogelnik selbst maßgeblich beteiligt war, wurde somit zu einer Gedächtnisausstellung. Es ist der Versuch, das facettenreiche Gesamtwerk der 1935 im Kärntner Bleiburg geborenen Künstlerin darzustellen: Von den abstrakten Anfängen der Wiener Studienzeit über die entscheidenden, von der Pop Art inspirierten New Yorker Jahre bis zu den bekannten Köpfen aus Murano-Glas.

Kogelniks Îuvre ist geprägt von der Suche nach immer neuen Ausdrucksformen und entsprechenden Materialien. Zwischen New York, Wien und Kärnten pendelnd, schuf sie sich ihren eigenen Kosmos: "Meine Sprache ist die Sprache der Bilder, und die spreche ich besser als Deutsch oder Englisch", erklärte sie.

Seit 1961 lebte Kiki Kogelnik vorwiegend in New York, wo Künstler wie Claes Oldenburg, Roy Lichtenstein, Sam Francis oder Karel Appel zu ihrem Freundeskreis zählten. Es entstanden die ersten "Porträts": Die berühmten Freunde legten sich auf eine Packpapier-Unterlage, um ihre Körperkonturen von Kikis späterhin legendärer Schere festhalten zu lassen. Diese "Cut-Outs" dienten gleichzeitig als Schablonen für Leinwandbilder. In weiterer Folge verwendete Kogelnik Vinyl als Werkstoff für ihre Scherenschnitte, die sie nun "Hangings" nannte.

Kogelnik ging mit Lust an die Demontage des menschlichen Körpers. Als Studentin von Albert Paris Gütersloh fühlte sie sich eher "beim Boeckl zu Hause": Herbert "Boeckl malt das Fleisch und die Seele, ich male die Knochen." - Das zeigt sich auch in den Zeichnungen der "Robots", die die Verwandlung von Menschen in Roboter schildern. Kiki Kogelnik faszinierte das Künstliche: Maschinen, die Welt der Medizin und die Raumfahrt. Ihr Credo lautete: "Kunst kommt von künstlich."

In ihrem Atelier hortete sie neben exquisiten Scheren auch Spielzeugroboter aus Plastik, die für ihre grell bunten "Space Art"-Bilder Modell standen. Trotz all der technoiden Elemente wirken die Bilder keineswegs steril oder abweisend. Von der Pop-Ästhetik durchdrungen sind sie vielmehr leicht konsumierbar und bestechen zugleich durch ihre heitere Ironie, die oft in schwarzen Humor umschlägt: Etwa wenn zwei Bombenzylinder - mit Farbspray versehen - zu einem Liebespärchen werden. Oder wenn wie beim "Waschtag in Manhattan" "saubere Politikerhüllen" zum Trocknen auf der Wäscheleine hängen. Nicht einmal dem Sensenmann verlieh Kiki Kogelnik grimmige Züge, stand sie doch mit ihm "auf freundlichem Fuß".

Wie sie einerseits unerschrocken mit starken Symbolen operierte, suchte sie andererseits laut eigener Aussage "das Oberflächlichste, Banalste und Dümmste", und fand es in Modezeitschriften: Obwohl sie sich selbst gerne und nicht ohne Ironie mit schrillen Kleidern in Szene setzte, nahm sie diese exaltierte Welt genauso gern aufs Korn. In den siebziger Jahren entstand eine Reihe großformatiger Leinwandbilder, die an Werbeplakate a la Palmers erinnern; die späteren dieser Bilder sind mit Fröschen und Schlangen verfremdet.

In den achtziger und neunziger Jahren forcierte Kogelnik das Wechselspiel von Abstraktion und Realität. Zum Instrumentarium gehören nun vereinfachte Formen von Werkzeug und die besonders für das Spätwerk charakteristischen Masken. Die Künstlerin setzte sich dabei verstärkt mit dem Dreidimensionalen auseinander. Die Leinwandbilder erfuhren in den letzten Jahren eine Erweiterung durch Keramikteile an der Wand ("Expansions"). Mit der Sprengung des herkömmlichen Bildraumes wird nochmals deutlich, wie wenig Kogelnik an einer Unterscheidung der Kunstgattungen gelegen war. Bis zu ihrem Tod gab es kaum ein Medium oder Material, das sie nicht auf seine künstlerische Aussagekraft getestet hatte.

Ein letzter eindrucksvoller Beweis hierfür sind zweifellos die "Venetian Heads" und "Balloon Heads", in denen sich die traditionelle venezianische Glasbläserkunst mit modernem Design verbindet und Wesen wie aus einer anderen Welt entstehen ließ. Nicht weniger fesseln die hohläugigen Masken aus Keramik und Bronze oder die mit Grünspan überzogenen, in einer Ecke lauernden Riesenkäfer.

Kiki Kogelnik verstand es, das Besondere mit dem Allgemeingültigen und sofort Verständlichen kurzzuschließen. Sie war, wie es Peter Noever formuliert, "eine Suchende, die nie mit dem Ewigkeitsanspruch spekulierte, der jedes Experiment wichtiger war als ein strategisches Sich-Einschreiben in den Kanon der Gegenwartskunst, die aber auch inmitten von Spiel und Persiflage die Hintergründe der ,Komödie der Kunst' nie vergaß."

Bis 3. Mai Schloß Belvedere, 1030 Wien.

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