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Kirchen unserer Zeit

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Unter diesem Titel veranstaltet die Galerie Sankt Stephan, Wien I, Grünangergasse l/II, eine Ausstellung kirchlicher Architektur. In Großphotos werden Grundrisse, Gesamtansichten, Detailansichten von zwölf Projekten ebenso vielet Architekten vorgeführt,

Zeitlich und geistig steht Otto Wagner mit der Kirche Am Steinhof, 1906, am Anfang einer großen Bewegung. Nach einem Zeitalter, das als Folge seiner weltanschaulichen Richtungslosigkeit nicht mehr die Ktaft hatte, einen geistigen und architektonischen Stil zu prägen, stellt dieser in die Landschaft eingefügte Bau eine klassische Lösung von solcher Originalität dar, daß er auch heute noch, nach fünfzig Jahren, ein Quellpunkt kirchenbaulichen Denkens ist. . (Die exakt gezeichneten Pläne und Originalansichten stellte das Historische Museum der Stadt Wien zur Verfügung.)

Clemens Holzmeister führt in Oesterreich den Weg weiter. Die Kanzlergedächtniskirche 1936, jetzt sehr glücklich von Roland Rainer in die Gesamtplanung des Stadthallenterritoriums einbezogen, greift das Thema der konsequenten Konzentration der Architektur auf das Geheimnis des Kultes auf. Die Mitarbeit der anderen Künste ist stets in die Grundplanung einbezogen. So schuf Karl Sterrer das Mosaik an der Stirnwand dieser Kirche, Max Feilerer entwarf die Monstranzen.

In Deutschland bauten Egon Eiermann (Betonkirche in Pforzheim), Otto Bartning (Stahlkirche in Essen), Mies van der Rohe, der langjährige Leiter des Bauhauses in Dessau (in dieser Ausstellung durch ein in Amerika durchgeführtes Projekt vertreten), und Dominikus Böhm (man sieht die Kapelle von Norderney). Eisen, Beton, Glas waren somit als Baumaterialien entdeckt. Auguste Perret baut gleichzeitig mit den deutschen Architekten die Beton-Kirche Notre-Dame de Raincy. Die formalen und maßstäblichen Grenzen dieses Materials sind bei dem zuletzt genannten Werk klar empfunden.

Le Corbusiers jüngste, kühnste und aufsehenerregendste Schöpfung, die Wallfahrtskirche Notre-Dame du Haut von Ronchamp, nimmt gleich zwei Tafeln in dieser Ausstellung ein. Die gut gemachten Aufnahmen (Photo: Franz Hubmann) vermitteln einen Eindruck großer Geschlossenheit. Hier triumphiert ein geistiges Konzept in überraschenden sinnbildlichen Formen über den nackten Funktionalismus.

Frank Lloyd Wrights Unitarierkirche läßt durch große Dreiecke aus Glas die Landschaft in den Raum dringen.

Der Meister des deutschen Kirchenbaues Professor Dr. techn. Rudolf Schwarz eröffnete die Ausstellung im Beisein von Erzbischof Dr. Jachym. „Der Kult der Kirche ist eine Handlung“, sagte Rudolf Schwarz in der Eröffnungsrede. „Die Architektur vermag das Gefäß liturgischen Vollzuges zu sein, darf sich aber nie das Ziel setzen, diesen selbst dar-:rellen oder versinnbildlichen zu wollen. Die Auf-raggeber mögen die Künstler und die Künstler sich selbst nicht überfordern.“ — „Der einfachen, klaren Wand kann ein Aeußerstes an spiritueller Form abgewonnen werden.“ — Die ausgestellten Photos der Fronleichnamskirche in Aachen von Prof. Schwarz zeigen uns, daß gerade dieses Maßhalten, zu dem hier geraten wurde, unter den Händen von Professor Schwarz der Ausdruck einer positiven Richtung wird.

So wenig Gemeinsames dem Schaffen der einzelnen Architekten, deren Werke wir hier zusammengetragen finden, anhaftet, so geschlossen wirkt dennoch diese photographische Synopsis, da sie eben in ihrer Vielseitigkeit einen Ueberblick über die Entwicklung des modernen Kirchenbaues gibt und uns so den Punkt aufzeigt, an dem wir jetzt stehen. Die wesentliche Auswahl zu treffen, war gar nicht leicht; jedoch gelang es der Arbeitsgruppe 4 (Architekten Johannes Spalt, Willy Holzbauer, Fritz Kurrent; die Vergrößerungen wurden von Jakob Laub besorgt) außerordentlich gut, aus der Vielzahl der vorhandenen Projekte jene charakteristischen Schöpfungen herauszugreifen, die auch dem Laien ein plastisches Bild des zeitgenössischen kirchenarchitektonischen Schaffens zu vermitteln vermögen.

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