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Kirchliche Kunst und religiöse Qraphik

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Dem Koinitee des Katholikentages und seiner| Zusammenarbeit mit klugen Kunsthistorikern sind einige Ausstellungen zu danken, deren jede, in ihrer Weise, einzigartig und -f- die großen Worte werden in diesem Ausstellungsbericht sehr wohl am Platze sein — vollendet ist.

Zunächst ist zu berichten, daß die Geistliche Schatzkammer — sie ist seit

vierzehn Jahren nicht zugänglich gewesen — in einer prächtigen Neuaufstellung dem Besuch wieder offen steht. Die Institution der habsburgischen Schatzkammer reicht bis in den Anfang des 14. Jahrhunderts zurück, ihre Teilung in eine geistliche und weltliche Kammer erfolgte erst unter Joseph II. — aber die Räume der Hofburg sind groß genug, um in absehbarer Zeit eine Revidierung dieser Trennung erhoffen zu lassen: der museale Gedanke | würde solchermaßen nach Jahrhunderten eine politische Entscheidung widerrufen. Aber įas Wort „museal“ ist angesichts dieser meist ;aus dem 18. Jahrhundert stammenden kirchlichen Kleinode nicht eigentlich anwendbar; denn es ist das Erschütternde und, in einem, tieferen Sinne, Rührende an diesen alten 'goldenen Meßgeräten — der älteste Kelch, der die Devise AEIOU trägt, wurde 1438 gearbeitet — und diesen Ornaten, daß sie hėute noch dem kirchlichen Gebrauch dienen, dem sie von allem Anfang an bestimmt gewesen sind — hier wird die Vergangenheit zu lebendiger Gegenwart. Der junge Kunsthistoriker, der mit viel Arbeit, viel Liebe und sehr wenig Geld diese Schau geordnet und wunderschön aufgestellt hat, heißt Dr. F i 11 i t z.

Sein Kollege Dr. Egger hat eine ähnliche Leistung in den Schauräumen der Akademie auf dem Schillerplatz vollbracht. Die Prunkstücke dieser „A r s - s a c r a“ - Ausstellung sind: der Tassilo-Kelch aus Kremsmünster (um 770), jenes ehrwürdigste Denkmal christlicher Kunst in Österreich, dem selbst die höchst! kostbaren Elfenbeinreliquiare aus dem 11. Jahrhundert nicht ohne weiteres verglichen werden können; einige Purpurblätter aus de|r weltberühmter} „Wiener Genesis" (um 500); und der gewaltige Kruzifixus aus Friesach. Aber jedes andere Objekt, das diesen Denkmälern wie ein Attribut zur Seite gestellt |wurde, wäre gleichfalls noch eines eigenen Saales würdig — und vielleicht werden Jahrzehnte vergehen, ehe so viele erlaucht Gegenstände aus den österreichischen Klöstern wieder beisammenstehen werden. Ein wenig möchte man bedauern, daß man — wozu doch die Gelegenheit günstig gewesen wäre J— nicht mit einigen Schrifttafeln für etwas Belehrung, Erklärung und Einführung hatte Jorgen wollen. Auch der kürzeste Hinweis auf diese Ausstellung darf ihre vorzügliche technische Gestaltung (Architekt Kosak) nicht verschweigen; sie versteht es, Würde und Zweckmäßigkeit zu vereinen.

Gleithsam als Ergänzung zu den genannten Ausstellungen zeigt das österreichische Museum am Stubenring aus Kirchen- und Klosterbesitz ausgewählte Meßgewänder und Kirchengeräte aus dem 17. und 18. Jahrhundert: gleichfalls fast ausschließlich Kostbarkeiten, die nur für kurze Zeit Sakristeien ! und Altäre verlassen haben.

In Akademie, Hofburg und Museum sieht man also kirchliche Kunst, historische Kunst. In der Albertina hingegen wird, wieder unter der Patronanz des Katholikentagkomitees, der Versuch gemacht, moderne religiöse Graphik zur Debatte zu stellen. Ein Versuch? Nein — weil sich die Debatte ia-ls ganz und gar überflüssig erweist,

nachdem man die bis zur letzten Vitrine gefüllten Räume durchwandert hat. Es mag sein, daß Diskussionen unausweichlich sind, solange sie sich um die Frage drehen, ob die Begriffe „moderne Kunst“ und kirchliche, das heißt: im kirchlichen Raum anwendbare Kunst zu vereinen seien (obzwar auch in diesen Diskussionen schon des französischen Dominikaners Pater Rėgamey Wirken und die

neuen Kirchen von Audincourt, Assy und Vence allmählich das pessimistische „Ist es überhaupt zulässig“ in ein positiveres „Was aber ist im einzelnen unzulässig?" zu vorwandelt haben scheinen) — aber daß die Moderne unfähig sei, das religiöse Thema zu behandeln, mehr noch, daß sie sich an das religiöse Thema nicht einmal heranwagen w o 11 e — das erweist sich angesichts dieser in der Tat aufwühlenden und erregenden Exposition als — Gerede, Die Franzosen Rouault, Redon und Manessier, die Engländer Moore und Sutherland, die Deutschen Nolde, Corinth und Beckmann, die Österreicher Ku- bin, Boeckl und Moldovan — oh, wie viele Namen wären da noch aufzuzählen! —, sie haben sich an das religiöse, an das christliche

Thema gewagt und ihm in allen Formensprachen der Moderne — abstrahierend, ent- dinghchend, realistisch, expressiv — Ausdruck verliehen. Und man müßte blind und völlig abgestumpft oder von vornherein „dagegen" sein, wenn man die vielleicht manchmal unwillkürliche, aber doch todernste Leidenschaft nicht fühlen wollte, mit der sich da die Kunst unserer Zeit Inhalte zu erobern versucht, für die es seit fast zweihundert Jahren keine allgemein gültigen Formen mehr gegeben hat. Daß es freilich nicht die Themen der Nazarener, sondern die Apokalypse, die Passion und das Miserere nobis sind, die da in schweren Zeichen beschrieben und niedergeschrieben werden — das ist eine andere Sache, aber eigentlich schon nicht mehr die der Künstler. Und schwere Argumente dafür, daß es nicht formale Probleme waren, die sie da zur Niederschrift bewogen haben

Auch dieser Ausstellung hat ein junger Kunsthistoriker — Dr. Werner Hofmann — mit Arbeit und viel Geduld ihr markantes Profil verliehen.

Anläßlich des Österreichischen Katholikentages veranstaltet die Diözesankommission für Kirchenmusik der Erzdiözese Wien eine Ausstellung „Katholische Kirchenmusik in Österreich seit 1945", in der die seit dem zweiten Weltkrieg in den einzelnen österreichischen Diözesen geleistete Arbeit auf dem Gebiet der Musica sacra zum ersten Male in ihrer Gesamtheit einer größeren Öffentlichkeit übersichtlich vorgestellt wird. Die Musikverleger Österreichs, die Glockengießer und Orgelbauer, das Bundesdenkmalamt mit bedeutsamen Renovierungen wertvoller alter Orgeln, der Rundfunk und die mechanische

Tonwiedergabe im Dienste der Kirchenmusik, die Pflege des gregorianischen Chorals und ebenso der nicht unwesentliche Beitrag der blinden Organisten veranschaulichen an eindrucksvollen Objekten ihr Wirken. Eine Auswahl von Autographen führender lebender österreichischer Kirchenkomponisten stellt die schöpferischen Kräfte vor, deren Werke das zeitgenössische Antlitz der österreichischen Kirchenmusik formen. Die Ausstellung findet in den Räumen des Wiener Augustinerkonvents, Wien I, Augustinerstraße 3 (7), 1. Stock, statt.

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