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Kokoschka -Zwischen Flegel-und Wanderjahren

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Bei der Riennale von Venedig im Jahre 1922 präsentierte Oskar Kokoschka seine Gemälde an schwarzen Wänden. Er, der „Oberwildling aus Wien", war die eigentliche Hauptattraktion im deutschen Pavillon. Seine Teilnahme neben namhaften deutschen Künstlern hatte er dem Kommissär Hans Posse zu verdanken. Posse zählte als damaliger Direktor der Dresdner Gemäldegalerie zu den ersten Sammlern - aber auch Freunden und Gönnern - Ko-, koschkas.

„Kokoschka und Dresden" ist eine Gemeinschaftsausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Österreichischen Galerie Bel-vedere. Sie widmet sich jener Schaffensperiode des Künstlers, die - bislang als Übergangsphase unterschätzt - von großer Bedeutung für seine persönliche und künstlerische Entwicklung ist.

Kokoschka (1886-1980) galt in jungen Jahren in Wien als Enfant terrible und kehrte der Stadt alsbald den Bücken. Als seine Beziehung mrf Alma Mahler zu Bruch ging, meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst. 1916 schließlich strandete er in Dresden, um sich im Sanatorium des Dr. Teuscher auf dem „Weißen Hirsch" von seinen Kriegsverletzungen und seelischen Wunden zu erholen. Außerdem hoffte er, sich hier mit einer Professur an der Akademie Etablieren zu können. Während die so hartnäckig angestrebte Lehrbeauftragung erst 1919 erfolgte, gelang ihm der gesellschaftliche Durchbruch -dank der hier gewonnenen Freunde -umso schneller. Davon zeugen die vielen Porträts und Bildniszeichnungen, die in den Dresdner Jahren (1916-1923) entstanden. Schuf er zuvor in Wien psychologisierende Einzelbildnisse, waren es nun Gruppenporträts mit übergeordnetem Sinn („Die Auswanderer", „Die Freunde" (siehe Abbildung) oder „Die Heiden").

Ein weiteres Thema, das Kokoschka während dieser Zeit unaufhörlich beschäftigte, war „Die Puppe". Da er von seiner Leidenschaft zu Alma Mahler nicht loskam, hatte er nach ihrem Vorbild eine „lebensechte" Puppe anfertigen lassen. Von der Ausführung zwar enttäuscht, diente sie ihm dennoch als Modell für zahlreiche Bilder.

In Dresden veränderte sich Kokoschkas Malweise: Flächen in leuchtenden Farben lösen allmählich die dunklen Töne und die nervöse Pinselschrift des Frühwerks ab. Bot wird zu seiner Lieblingsfarbe.

In seinem Atelier - in prominenter Lage auf der Brühischen Terrasse -setzte er sich erstmals intensiv mit der Landschaftsdarstellung auseinander: Den Blick auf die Elbe und die Dresdner Neustadt hält er in mehreren Variationen fest. Solche Städteporträts, die er am liebsten von „ganz oben" (einmal sogar von einem Kran aus) malte, entstanden dann vor allem während der folgenden Wanderjahre.

Durch die Professorenstelle fühlte sich Kokoschka zunehmend eingeengt, so daß er 1923 die Sicherheit zugunsten der Befriedigung seines Fernwehs opferte Dresden war also Schnittstelle von Abschied und Neuorientierung und führte ihn von der Selbst-zur Weltbeschreibung.

Die bereits in Dresden erfolgreiche Schau wurde hierzulande um einige Wiener Frühwerke ergänzt und veranschaulicht besonders den malerischen Wandel. Die druckgraphischen Arbeiten, Zeichnungen und Aquarelle, die zahlenmäßig stärker vertreten sind, werden nach der Hälfte der Ausstellungsdauer zum Teil gegen andere Exponate ihrer Art ausgetauscht. Darüberhinaus präsentiert die Ausstellung die wichtigsten Schüler Ko koschkas sowie Werke, die seine Rezeption in der Kunst der ehemaligen 1 )1 )R widerspiegeln.

Die Ausstellung soll auch die Situation der Biennale von 1922 reflektieren. Darüber gibt - abgesehen von der Hängung der Bilder vor schwarzem Hintergrund - der zusätzlich zum Hauptkatalog erschienene Band „Kokoschka und Wien" Aufschluß: Nämlich über das zwiespältige Verhältnis, des Künstlers zu seiner Heimat (zum Belvedere im besonderen). Und die Tatsache, daß er über Jahrzehnte vor allem im Kontext deutscher Kunst gesehen wurde.

Während Museumsleute in Deutschland seine Kunst sehr früh richtig einzuschätzen wußten, setzten in Österreich öffentliche Sammeltätigkeit und museale Ehrung verhältnismäßig spät und zäh ein. All die Episoden und Fakten, die diesbezüglich aus dem Archiv des Belvedere zu Tage befördert wurden, dokumentieren nicht nur die Sammlungsgeschichte eines Genies, sondern sind auch - hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Umstände - ein Stück österreichischer Zeitgeschichte.

Bis 2. März 1997

Osterreichische Galerie, Oberes Belvedere, Prinz-Eugen-Str. 27, 1030 Wien

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