Komposthaufen im Garten Eden

Werbung
Werbung
Werbung

Venedig steht ganz im Zeichen der 53. Biennale. Unter dem Motto „Weltenmachen“ präsentieren mehr als 90 Künstler aus 77 Ländern ihre Arbeiten. Dieses Jahr im Mittelpunkt: der Prozess des Kunstmachens und die persönliche Auseinandersetzung der Künstler mit der Welt.

Selbst wenn nun wieder die Millionenyachten eines Roman Abramovic und Bill Gates vor den venezianischen Giardini ankern: In der 53. Auflage der Biennale geht es nicht um Party, um Kunst als spektakulär inszenierten Event, sondern um Kunst als Katalysator einer zutiefst verunsicherten Menschheit.

Unter dem Motto „Weltenmachen“ präsentieren mehr als 90 Künstler und Künstlerinnen aus 77 Ländern in den Giardini, den fabelhaften Hallen des Arsenale, bzw. in diversen Palazzi, Kirchen oder auf Plätzen Venedigs ihre Arbeiten.

Biennaleleiter Daniel Birnbaum versteht unter „Weltenmachen / Fare mondi / Making worlds“ mehr als nur Kunst aus aller Welt. Es gehe um den Prozess des Kunstmachens, um die ganz persönliche Auseinandersetzung des Künstlers mit seiner Welt. Das macht die heurige Biennale vielfältiger denn je und reduziert das Ablesen von Trends zum Kaffeesudlesen.

Eines ist allerdings unübersehbar: Die Zeiten, in denen Biennalen nationalistisch gefärbte Leistungsschauen waren, sind vorbei, auch wenn die USA mit Bruce Nauman einen ihrer ganz Großen ins Rennen schickten und dafür postwendend mit einem Goldenen Löwen belohnt wurden. Die Ehre des „besten Künstlers“ wurde hingegen Tobias Rehberger zuteil, verliehen für seine Rauminstallation „Was du liebst, bringt dich auch zum Weinen“. Der 42-jährige Deutsche schuf Kunst zum realen Benützen, indem er die Cafeteria in den Giardini in ein schrill designtes Gesamtkunstwerk verwandelte.

Den Silbernen Löwen als beste Nachwuchskünstlerin kann Nathalie Djurberg mit nach Berlin nehmen. Sie liefert auch den irritierende Eyecatcher im zentralen Pavillon, dessen Fassade John Baldessari mit einem kitschigen Meerespanorama bemalt hat. Die 31-jährige Schwedin verführt in ihrer monumentalen Installation mit grotesken Bildern, mit einem aus Plastilin geformten, üppig wuchernden Garten Eden und virtuellen Bildern, in denen Erotik und Gewalt dominieren.

Heterogene Kunstwelten

Auf der Flucht vor diesen ebenso verstörenden wie anziehenden Bildern verfängt sich der Biennale-Besucher zunächst in Tomas Saracenos spinnennetzartiger Skulptur, um dann – wieder in der realen Welt – in die heterogenen Kunstwelten der Länderpavillons einzutauchen. Etwa in den mit stillen Bildern von Silvia Bächli bespielten der Schweiz oder in den mit poetischen bis grottenbahnähnlichen Beiträgen vollgestopften der Russen. Anstehen heißt es beim englischen Pavillon, in dem Steve McQueen seinen neuen Film „Giardini“ vorführt. Mit viel Pathos kommt heuer Frankreich daher, wo Claude Lévêque die Besucher in Käfige lockt, an deren Enden schwarze Fahnen wehen.

Auf den ersten Blick schlicht geben sich die Deutschen, deren Pavillon der Brite Liam Gillick mit einer hölzernen Einbauküche samt geheimnisvoll orakelnder Küchenkatze möbliert hat. Nichts wie weiter zum dänischen Pavillon, der laut Maklerschild „For sale“ ist bzw. zum skandinavischen, in dessen Pool ein toter Mann treibt. Offensichtlich der ehemalige Bewohner des schick möblierten Pavillons, in dem gut gebaute nackte Jünglinge herumlungern.

Gar nicht schlecht schlägt sich in diesem Kontext der österreichische Pavillon, den der nicht Biennalekundige allerdings nicht so ohne Weiteres findet, hat Elke Krystufek – eine der von VALIE EXPORT und Sylvia Eiblmayr ausgesuchten Künstlerinnen – doch den Schriftzug Austria auf Tabu verkürzt. Eine Verheißung, die das im Pavillon Präsentierte allerdings nicht einlöst, dürften Bilder nackter junger Männer doch kaum mehr jemanden erschüttern. Den Pavillon an sich thematisiert Dorit Margreiter in spröden schwarzweißen Filmbildern, während sich Franziska & Lois Weinberger auch in Venedig als „Kunstgärtner“ betätigen, indem sie – neben einer kleinen Werkschau – in einem Schuppen einen Komposthaufen angelegt haben. Mit ungewissem Ausgang!

Mit raumfüllenden Installationen ist das Arsenale bestückt. Angefangen mit der poetischen Raumverspannung von Lygia Pape über die verstörend-schöne Spiegelinstallation Michelangelo Pistolettos bis hin zur monumentalen Autobahnskulptur von Thomas Bayrle.

Die Biennale Venedig läuft bis 22. November.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung