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Konflikte zwischen Geist und Form

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„Geist und Form“ heißt eine vortrefflich arrangierte Ausstellung junger Künstler, die von der Katholischen Hochschulgemeinde in ihrem Studentenhaus, Wien I, Ebendorferstraße 8, veranstaltet wird. Sie soll einen Kontakt zwischen den Studierenden, die erfahrungsgemäß für Kunst nicht allzu großes Interesse haben, und den Werken ihrer schöpferischen Altersgenossen herstellen und zugleich in die Problematik moderner Kunst einführen, indem sie ihre Bestrebungen aufzeigt. Zur Beteiligung an der Ausstellung würden Studenten und Absolventen der Kunstschulen bis zum Alter von dreißig Jahren eingeladen. Wir vermissen zwar einige junge Künstler, die sich schon einen Namen gemacht haben — Kurt Absolon, Fritz Hundertwasser und Leo Tichatschek etwa —, doch mag dies auch daran liegen, daß sie nicht alle Absolventen der Akademie sind. Immerhin wird ein interessanter und informativer Querschnitt durch das Schaffen der jungen Künstlergeneration geboten; wenn auch erst eine Folge von mindestens drei, vier Bildern einen ungefähren Eindruck einer bestimmten Persönlichkeit vermitteln kann; bloß ein Bild zu zeigen, ist gerade für einen wenig bekannten Künstler auf jeden Fall zuwenig und nützt niemandem; wer auch mit drei, vier Bildern noch kein Gesicht gewinnt, der wäre am besten gar nicht vertreten.

Der Titel „Geist und Form“ scheint die gezeigten Bilder inhaltlich zu begrenzen: dem ist aber nicht so, da von der Abstraktion — also vom reinsten Fall der Formsuche für einen geistigen Gehalt — bis zum Landschaftsbild, das eine Stimmung wiedergeben soll, die verschiedensten Inhalte und Themen aufscheinen. So sollte die Ausstellung richtiger, wenn auch nicht so prägnant, „Geist, Leben und Form“ heißen; denn die meisten Gegenstände, die dargestellt werden, sind Dinge unseres Lebens, die uns sicher irgendwie in tieferen Schichten berührt haben, deren Ausdruck aber noch lange keine Verwandlung in Geist bedeutet. Vielfach wurde dieser Ausdruck auch noch gar nicht gefunden, weder für das Geistige noch für das Körperliche des Gegenstandes. Der Geist ist willig, doch die Form ist schwach.

Die größte technische Perfektion und zugleich die stärkste Ausprägung künstlerischer Eigenart zeigen die ganz und gar unproblematischen und konfliktlosen Blätter von Wolfgang Hutter und Anton Lem-den. Hutter in seiner Welt zarter Wucherungen seltsamer Gärten und boshafter Insekten; Lehmden in seinen Altdorfer-Landschaften, die er mit Bosch-Figuren und surrealen Gebilden bevölkert. Die abstrakten Konstruktionen von Josef Mikl zeigen auffallend kompakte Strukturen, die einen starken Vordergrund ergeben. Im Gegensatz zu Mikl steht der andere Abstrakte, Johann Fruhmann, dessen Kompositionen, obwohl sie geometrische Formen bevorzugen, durch die Farbgebung den Romantiker verraten, der sich aus der kalten Welt der Abstraktion nach Leben sehnt. Die Blätter von Arnulf Rainer sind auf dem Weg, den Piet Mondrian beschritt, um Logik und Mathematik im Bild auszudrücken, am weitesten fortgeschritten. Indem sie auf alle malerischen Mittel verzichten, sind sie mittellos geworden und geben nur noch Relationen wieder. Bewußt lassen sie unserer Phantasie und unserem Assoziationssinn keinen Spielraum mehr, ja sie dürften eigentlich gar (Fortsetzung auf Seite 12)nicht mehr „Bilder“ genannt werden. Mehr versprechen die Lösungen, die Jakob Laub, Boeckl-Preisträger, in dem Konflikt zwischen Geist und Form versucht. Wolfgang Hollegha tendiert zur einfachen Zeichensetzung, Kurt Moser bietet — im Siebdruck — .gefällige figural-abstrakte Assoziationen, Norbert Drexel zeigt schöne Kohlezeichnungen, Wander Bertoni ist mit zwei Plastiken vertreten. Von den Künstlerinnen verschweigt der Katalog diskret das Alter; obwohl das doch gar nicht nötig wäre, da sie doch alle unter Dreißig sind. Liselotte Beschorners Aktstudien, architektonisch aufgefaßt, sind lebendiger, als die sachliche Bezeichnung Studie vermuten ließe; die Farbstiftzeichnung „Allee“ von Gertrud Fröhlich, Boeckl-Preisträgerin, ist perspektivisch interessant, und Elfriede Skorpils Aquarelle wirken bei dem großen Aufwand neuer Formbestrebungen im Ergebnis überraschend konservativ.

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