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Konfrontierte Museengeschichte

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Wenn im Jänner 1996 die Schausammlung des Jüdischen Museums eröffnet wird, ist ein großer Teil jener Objekte, die zwischen 1896 und 1938 im ehemaligen Jüdischen Museum gesammelt wurden, zum ersten Mal nach achtundfünfzig Jahren wieder zu sehen. Die Ausstellung „Beschlagnahmt - Die Sammlung des Wiener Jüdischen Museums nach 1938” thematisiert die Geschichte dieser Objekte vom Jahr 1938 bis zu ihrer Rückstellung, die bei einzelnen Objekten erst in jüngster Zeit erfolgte. Schauplätze der Ausstellung sind jene Orte, an die die Sammlung des alten Jüdischen Museums nach der Beschlagnahme verbracht wurde: das Naturhistorische Museum, das Museum für Völkerkunde, das Österreichische Museum für Volkskunde, die Österreichische Nationalbibliothek und die Universitätsbibliothek Wien.

Ausstellungskurator Bernhard Purin erläutert: „1869 gegründet, war das Wiener Jüdische Museum weltweit das erste seiner Art. Getragen wurde es von der Gesellschaft für Sammlung und Konservierung von Kunst- und historischen Denkmälern des Judentums. Nach häufigen Standortwechseln bezog man 1913 mehrere Räumlichkeiten in der Talmud-Thora-Schule in der Malzgasse im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Zu diesem Zeitpunkt umfaßte die

Sammlung bereits dreitausendvierhundert Objekte. Unmittelbar nach dem Anschluß im März 1938 wurde das Museum geschlossen.

Das Schicksal der Sammlung in den ersten Monaten nach der Schließung läßt sich nur lückenhaft rekonstruieren: Auf Verlangen fertigte im August 1938 Jakob Bronner, der Kustode des Museums, ein maschinschriftliches Kurzinventar an und Ende August wurden die Museumsbestände dem Volksbildungsamt der

Kultusgemeinde von Amts wegen übereignet. Bronner, dem die Flucht nach Haifa im Herbst 1938 gelang, versuchte möglicherweise auch von Palästina aus, die Sammlung zu retten. Nach einem Brandanschlag am 18. Oktober auf die Talmud-Thora-Schule in der Malzgasse, wurden höchstwahrscheinlich auch die Museumsräumlichkeiten in Mitleidenschaft gezogen.”

Mit ausschlaggebend für die Beschlagnahme der Objekte war unter anderem eine Ausstellung im Naturhistorischen Museum im Jahre 1939: In der Anthropologischen Abteilung des Hauses fand die Schau „Das körperliche und seelische Erscheinungsbild der Juden” statt. Der Anthropologe Josef Wastl schrieb an den „Judenreferenten” im Reichssicherheitshauptamt in Wien, Adolf Eichmann, „den ganzen Museumsbestand dem Völkerkundemuseum Wien zur Aufbewahrung und fachmännischen Sichtung zu überlassen”.

So gelangten beschlagnahmte Objekte auch in das Museum für Völkerkunde, Flugschriften, Grafiken und Fotografien in die damalige Staatsbibliothek Wien - sie wurden erst vor kurzem in der Österreichischen Nationalbibliothek wiederentdeckt - sowie Bücher in die Universitätsbibliothek und eine Mesusa (Kapsel mit Schrifttext am Türpfosten jüdischer Häuser) in das Museum für Volkskunde. Fast alle damals beschlagnahmten Objekte sind nun erstmals an den jeweiligen Orten zu sehen.

Zu sehen ist diese eindrucksvolle Ausstellung bis 26. November im Naturhistorischen Museum täglich außer Dienstag von 9-18 Uhr, im Österreichischen Museum für Volkskunde Di bis Fr von 9-17 Uhr, Sa von 9-12 Uhr sowie So von 9-13 Uhr, in der Österreichischen Nationalbibliothek Mo bis Fr von 9-19 Uhr sowie Sa von 9-13 Uhr und in der Universitätsbibliothek Wien von Mo bis Fr von 9-21.45 Uhr und Sa von 9-12.45 Uhr. Im Museum für Völkerkunde sind die ausgestellten Objekte nur bis 5. November täglich außer Dienstag von 10-16 Uhr zu besichtigen.

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