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Kostbares altes Schrifttum

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Mittelalterliche Handschriften bergen Texte alten Schrifttums und sind durch Miniaturen und sonstigen Budischmuck auch Zeugen einstiger Kunst und Quellen für die Kulturgeschichte des Landes. Es ist Aufgabe der Bibliothekare, solches Kulturgut zu betreuen, es der Forsdiung zu erschließen und bei besonderen Anlässen die Wunderwelt mittelalterlicher Buchmalerei der Öffentlichkeit zu zeigen, damit der Kunstfreund daran seine Freude haben kann. So hat denn die G r a z e r Universitätsbibliothek zur Feier des 950jährigen Namens Österreich zum ersten Male einem größeren Publikum eine Ausstellung ihres Bestandes an mittelalterlichen Handschriften, Inkunabeln und Zimelien der maximilianischen Zeit in den Räumen des Joanneums dargeboten.

Das Mittelalter war eine harte Zeit; große Verwirrungen, Zerrüttungen, Heimsuchungen und Elend aller Art vor allem infolge kriegerischer Ereignisse und leidenschaftlicher Kämpfe, waren häufiger als Jahre friedlichen Lebens. Zugleich aber wurden damals Kunstwerke geschaffen, die uns in Erstaunen versetzen. Während Bauten, Plastiken und Gemälde allgemein bekannt sind, ist die Buchmalerei, deren Farben unverändert heute noch leuchten, wie wenn sie erst vollendet worden wären, nur wenigen zugänglich. Gerade in schweren Tagen mögen diese Denkmäler, die von verinnerlichtem Lebensgefühl, stark ausgeprägtem Lebensmut und hingebendem Glauben an das Göttliche und Geistige im Menschen erfüllt sind, uns ansprechen.

Den Grundstock der Handschriftsammlung der Grazer Universitätsbibliothek bilden rund 50 Bände, die schon vor der Gründung der Universität in den Jahren 1577 und 1585 auf Veranlassung Erzherzog Karls von Innerösterreich aus Millstatt in Kärnten ins Jesuitenkolleg nach Graz gebracht wurden. Millstatt, als Benediktinerabtei um 1088 .vom Pfalzgrafen Aribo gegründet, seit 1469 Sitz des Hochmeisters des von Kaiser Friedrich III. zur Bekämpfung der Türken errichteten St-Georgs-R itterordens, wurde bei der Gründung der Grazer Universität den Jesuiten zur Dotation der neuen Hochschule übergeben. So kam audi noch der Rest der Mill-stätter Bücher nach Graz; darunter Handschriften und Inkunabeln. Der erste Großmeister Johann Siebenhirter war überaus kunstliebend; ein Glanzstück unter seinen Büchern ist ein Antiphonar mit reidiem Bilderschmuck und dem gotischen Praditeinband eines hervorragenden Wiener Buchbindermeisters vom Jahre 1481. Der Name des österreichischen Miniators des Antiphonars, von dem auch drei Millstätter Inkunabeln illuminiert sind, konnte trotz vieler Bemühungen bisher nidit festgestellt werden. Das wegen seiner vielen ganzseitigen Miniaturen noch wertvollere Brevier Siebenhirters liegt heute in Stockholm.

Auf Veranlassung des Landesfürsten mußten auch die alten steirischen Stifte aus ihren Bibliotheken den Jesuiten für die Universität Handschriften überlassen. Geschenke des Landesfürsten aus der Grazer Hofbibliothek und vor. Privaten vermehrten weiterhin den Bestand an Handschriften. Unter den Geschenken des Hofes ist das bedeutendste Stück die von Erasmus Stratter geschriebene und von Ulrich Schreier, dem hervorragendsten Salzburger Miniator der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, illustrierte Bibel in bayrisch-österreichischer Mundart vom Jahre 1469, ein Hochzeitsgeschenk des Erzbischofs Bernhard Rohr für seine Schwester.

Den größten Zuwachs an Handschriften erfuhr die Universitätsbibliothek durch die josephinisdien Klosteraufhebungen. Damals fielen rund 40 Büchersammlungen innerösterreichischer Klöster der Universitätsbibliothek zu. Darunter befinden sich die Bibliotheken des Benediktinerstiftes St. Lambrecht, einer Gründung des Grafen Marquard von Eppen-stein vom Jahre 1076, des Chorherrenstiftes Seckau, errichtet von Adalram von Waldcck 1140, der ältesten deutschen Kartause Seitz, die Markgraf Ottokar V. 1165 gegründet hatte, und der im Jahre 1327 von Herzog Otto dem Fröhlichen gestifteten Zisterzienser-abtei Neuberg.

Die ältesten einheimischen Schriftdenkmäler der Grazer Universitätsbibliothek stamrnen aus der Schreibschule Erzbichof Arnos um 809 and seiner Nachfolger. Die früheste Handschrift mit Miniaturen (Ms. 805) ist das Werfe einer Salzburger Malerschule um 1070, und zwar eines Schülers des Kustos Berchold, von dem ein Perikopenbuch in St. Peter-Salzburg und ein Admonter Evangeliar bekannt sind. Nach 1100 beginnt in Inneröster-id selbst eine eifrige Schreibtätigkeit. Die Zeit von 1150 bis 1220 und das 15. Jahrhundert od Blütezeiten der steirischen Buchmalerei. Bei aller Beeinflussung durch die benachbarten Kunstzentren in Salzburg, Regensburg, im Donautal, in Böhmen und Oberitalien bewies die Steiermark künstleri-sdie Eigenart und Selbständigkeit und brachte es z anerkannten Spitzenleistungen. Besondere Beachtung verdienen die Handschriften des Stiftes Seckau, zu dem auch ein Frauenstift gehörte, und die Handschriften der Abtei St. Lambrecht. An beiden Orten kann man die allmähliche Entwicklung von Generation 2 Generation verfolgen. Das künstlerische Schaffen in den Handschriften der Universitätsbibliothek Graz hat trotz der Dankbarkeit der Aufgabe noch keinen Bearbeiter gefunden.

Für che Auswahl der ausgestellten Handschriften war vor allem die ästhetische Wirkung von Schrift und Bild maßgebend, und nur in Einzelfällen das kulturhistorische Interesse, so bei der Büchersammiking des Otto Tardus, der um 1250 Pfarrer in Prolep bei Leoben war und seine Bücher, rund 40 stattliche Bände, dem Stifte Seckau überließ. In einem Bande sind die Titel der Bücher verzeichnet; auch haben che geschenkten Bände eh.. entsprechende Eintragung. Von diesem vor 700 Jahren gemachten Vermächtnis werden acht Bände in einr, eigenen Vitrine gezeigt. Otto Tardus, der audi in Urkunden seiner.Zeit genannt wird, dürfte die Bände zum guten Teil selbst gesdirieben haben. Auch andere Sammlungen steirisdher Bibliophilen aus dem Mittelalter, wie die des steirischen Juristen Heinrich von Lobenstein (gestorben zirka 1435), des Klemens Heweraus aus Übelbach, Priors von St. Lambrecht, des Ulrich von Albeck, eines Kanzlers König Ruprechts von der Pfalz und Verfassers zweier umfangreicher juridischer' Werke, und des Matthias Scheidt — die beiden letzten waren Bischöfe von SecSau — sreci in 21er ünrversitätshrbfiothek erhalten.

Gezeigt werden in der Grazer Ausstellung auch einige Einblattdrucke steirischer Herkunft aus der Frühzeit des Holzschnittes (1420 bis 1450). Ferner eine kleine Auswahl von 1500 gedruckten Büchern, darunter einige Drucke von Peter Schöffer, Nikolaus Jenson, Anton Koberger und von anderen berühmten Druckern, durchwegs erlesene Stücke mit Miniaturen oder Holzschnitten.

Aus der maximilianischen Zeit ist neben dem ersten Druck des Theuerdänk und Weiß-kunig der Triumphzug Kaiser Maximilians ausgestellt. Die feierlich-festliche Holzschnittfolge des Triumphzuges, eines handkolorierten Exemplars des ersten von Ferdinand I. veranlaßten Abdruckes von- 1526, entlang den Wänden von zwei Sälen stammt aus der Schatzkammer der Grazer Burg. Die Holzstöcke zum Weißkunig und 95 von den 135 Holzstöcken des Triumphes befanden sich in der Burg, später in der Universitätsbibliothek in Graz und wurden 1775 und 1779 nach Wien abgegeben.

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