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Kriegs-Reflexe in der Kolonialwirtschaft

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Als die portugiesischen Seefahrer im Anfang des 16 Jahrhunderts auf ihren Fahrten nach Beute und Ehre die Gewässer des indischen Archipels erreichten, trafen sie da auf einen schwungvollen Handel zwischen den derzeit mächtigen Reichen von Maram (Mitte Java), Atjeh (Nord-Sumatra), Ternate (östlicher Archipel), Malakka und Ceylon. Manila and China, hauptsächlich in Gewürz, Tee, Kattun. Seide, Gold, Silber und Porzellan. Es darf deshalb nicht überraschen, wenn wir in den Chroniken dieser Zeit lesen, daß Bantam auf Java ein Hafen von ausgesprochen internationalem Gepräge war, wo sich neben Javanern Araber. Mohren, Türken, Chinesen, Bengalen und Perser tummelten und daß von Malakka als von dem bedeutendsten Hafen der Welt gesprochen wird. Bei der späteren Eroberung dieses Hafens durch den Portugiesen d'Albu-querque (1511) wurden 3000 Geschütze erbeutet, während Jan Huygens van Linschoten. General-Gouverneur der Vereinigten Ost-Indischen Compagnie, berichtet, daß bei dem darauffolgenden Versuch des Sultans von Djohore, Malakka zurüzuerobern, der Fürst von Atjeh an jenen eine Kanone schickte, von Größe und Länge, wie desgleichen im Christenre-.ch wenig gesehen wird und dazu so gut bearbeitet, woraus man ersehen kann“ — so van Linschoten — „daß man derorts alle Metalle hat und Kenntnis wie mit.. metallenen Dingen umzugehen“. Linschoten berichtet „alleenlijk in de Häven van Cantpn sijn meer Schepen en Barcken als in gans Spanghien“ Diese kurze Schilderung zeigt uns ein Bild reger wirtschaftlicher Beziehungen der Reiche des Archipels untereinander, unter gleichzeitiger Beteiligung der angrenzenden Küstenländer, also das Vorhandensein eines den damaligen Begriffen nach hervorragenden, bis zu einem gewissen Grade in sich abgeschlossenen Wirt-schaftsraumes Diese Einschränkung ist nötig, denn schon damals fanden Gewürze und andere Produkte der Inselwelt ihren Weg über Ceylon, Aden und den berühmten Karawanenwegen Arabiens, über Ostafrika und den Nil abwärts oder über den Persischen Golf und Bagdad in die Levante.

Heute, vier Jahrhunderte später, nachdem westliche Abenteuerlust, Gewinnsucht, wirtschaftliche Ausbeutung, geordnete Kolonialwirtschaft, weise gelenkte und erzieherische Kolonialführung im wirkungsvollen Nacheinander auf das Gebiet eingewirkt haben, kristallisiert sich das alte Bild wieder heraus, und es hat allen Anschein, daß die ostindische Inselwelt sich von dem dominierenden Einfluß des Westens loslöst und sich mit den Gebieten Ostasiens zu einem Wirtschaftsraum zusammenschließt, der durch seine naturgemäße Lage und den daraus “ich ergebenden Voraussetzungen gebildet wird.

Die Hauptfaktoren, die hier hineinspielen, sind teils politischer teils weltwirtschaftlicher Art. Erstere werden beherrscht durch das Erwachen der Bevölkerung aus der sklavischen Untertänigkeit zum politischen Bewußtsein, während der wirtschaftliche Faktor stark beeinflußt wird durch die Entwicklung der Technik, in welche die früheren Naturvölker hineinwachsen und die durch das stellenweise ;norme Wachstum der Bevölkerung begünstigt wird. Von Bedeutung ist das allgemeine Bestreben, sich durch die Syn-thetik von Naturprodukten unabhängig *u machen und die autarkische Richtung vieler Länder, ihre eigenen wirtschaftlichen Einflußsphären vor der Konkurrenz zu schützen.

Wie haben sich nun hier diese Faktoren geltend gemacht? Für Niederländtsc h-Indien beherrschen landwirtschaftliche Produkte in erster Linie. Minerale in zweiter die Ausfuhr. Industrieprodukte der ganzen Welt die Einfuhr Im Gegensatz zur Monokultur anderer Tropenländer führt das Ge-Tiet eine große Anzahl Erzeugnisse von erheblicher Weltmarktbedeutung. Zu den wichtigsten gehören Kautschuk, Zucker, Kaffee, Tee, Tabak, Palmöl, Fasern und Chinarinde. Die Kautschukproduktion nahm seit 1913 einen enormen Aufschwung. Von 5000 Tonnen stieg sie auf 260.000 Tonnen im Jahre 1929 (30 Prozent der Welterzeugung). Nach einem schlagartigen Preissturz erholten sich die Kautschukkulturen durch eine gründliche Rationalisierung ihrer Pflanzungs- und Fabriksbetriebe und erreichten eine Produktionskapazität von 700.000 Tonnen, wovon jedoch nur die Hälfte, im Werte von 140 Millionen Dollar, exportiert wurde. Diese Exportdrosselung war die Folge eines internationalen Ausfuhrabkommens zur Preiserhaltung. Inzwischen ist der Kostenpreis für synthetischen Kautschuk, der vor einigen Jahren noch so hoch war. daß man die Rentabilität dieser Industrie in Frage stellte, bis unter den Kostenpreis des Naturproduktes gesunken (Dollar 0.18:0.23 pro '/i Kilogramm). Noch ungünstiger ist. die Lage für Rohrzucker, wofür Java der Hauptproduzent ist. Die Produktion fiel seit i929 von 300 auf 140 Millionen Tonnen zurück, der Preis von Dollar 7 SC auf 1.60 pro 100 Kilogramm im Jahre 1934. Auch hier erfolgte eine planmäßige Produktionseinschränkung auf Grund des sogenannten Chadbourne-Abkommens von 1930. Von den 1929 auf Java in Betrieb befindlichen 179 Fabriken blieben 1934 nur. noch 4 6 in Produktion. Für diesen Rückgang war vornehmlich der Verlust des früheren Absatzgebietes in Britisch-Indien verantwortlich, das sich mit einem Zoll von 200 Prozent ad valorem schützte und Japan durch seine autarkisch forcierten Anpflanzungen. Hohe Schutzzölle in Frankreich trafen die Produkte Kaffee und Kautschuk, die Ottawapräferenzen legten einen Zoll von 10 Prozent ad valorem auf alle Einfuhrgüter mit Ausnahme von Erzeugnissen der britischen Kolonien und Dominions, wodurch in der Hauptsache Zinn, Palmöl, Kopra und Sisal (Faser) in Mitleidenschaft gezogen wurden, während in den Vereinigten Staaten Zoll und Kontingentierung gegen die Einfuhr von Sumatra-Tabak und gegen öle und Fette aus Niederländisch-Indien gerichtet waren.

Der dargestellte Entwicklungsgang zeigt das Vorhandensein von politischen und wirtschaftlichen Kräften die einen stark hemmenden Einfluß auf den Export ausüben. Gleichgültig, ob diese Kräfte nur vorübergehende Konjunkturreaktionen darstellen oder von langfristiger Dauer sein werden — sie schneiden in beiden Fällen so tief in das Wirtschaftsleben des Landes ein. daß sie auf seine Entwicklung maßgeblichen Einfluß haben werden. . ,

Die Konjunkturempfindlichkeit des sehr einseitigen Ausfuhrhandels, der sich zum größten Teil auf landwirtschaftliche Produkte stützt, forderte eine wirtschaftliche Umstellung. Man hat seit langem schon nach Mittel und Wegen gesucht, das Wirtschaftsleben von Niederländisch-Indien von den oft katastrophalen Schwankungen der Exportkonjunktur unabhängig zu machen. (1933 sank der Taglohn auf Java im Durchschnitt auf 10 bis 12 holländische Cent.) Bei den zu treffenden Maßnahmen mußte man immer auf die Verschiedenartigkeit der Bevölkerung Indonesiens stoßen. So gelten für Java Voraussetzungen, die in entscheidenden Punkten stark von den für die Außengebiete * gültigen, abweichen. Abgesehen von den ethnischen, geschichtlichen und kulturellen Unterschieden, stellt die hohe Bevölkerungsdichte von über 300 per Quadratkilometer auf Java, entgegen der dünnen Besiedlung der anderen Inseln die

* Unter „Außengpbiete“ holländisch .Bültenbezittingen“; versteht man alle Gebiete Nieder ländisch-Indiens, die außerhalb Java gelegen sind.Regierung vor schwere Probleme. Der Landreichtum der letzteren schafft vorzügliche Eignung zur Plantagen Wirtschaft, der zunehmende Landmangel auf Java steht einer Erweiterung derselben entgegen.

Unter dem Eindruck der Lage wandte sich die niederländische Kolonialregierung der Industrialisierung zu. Man begann mit dem Ausbau der bestehenden Batik- und Textilindustrie, die heute schon 600.000 bis 800.000 Eingeborene beschäftigt. Billige Arbeitskräfte schufen eine günstige Grundlage für industrielle Investierungen und so entstanden, von niederländischem und ausländischem Kapital gefördert, Spezialindustrien für Holzbearbeitung. Zement, Papier, Porzellan. Seife. Öl, Autobereifung, Zigarren und Zigaretten und Bierbrauereien Ferner liegt das Projekt zum Bau eines Hochofens und Stahlwerkes auf der kleinen Insel Poeloe Laoet vor, der mit Kohle aus dem benachbarten Borneo beschickt werden soll Das reiche Mineralvorkommen bildet einen weiteren Faktor für die industrielle Entwicklung des Landes Die Petroleumgewinnung auf Sumatra und Borneo ist Garant für die ungehemmte Entwicklung des Verkehrs innerhalb des Archipels und schafft Voraussetzungen für eine innige wirtschaftliche Verknüpfung mit den benachbarten Küstenländern. Schließlich darf man mit Sicherheit annehmen, daß durch die gezwungene Isolierung des Landes während der letzten Kriegsjahre, das Bestreben der Bevölkerung selbst nach wirtschaftlicher Emanzipation weitere Fortschritte gemacht hat Ej sei jedoch am Rande bemerkt, daß die deutlich fortschreitende Industrialisierung nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß Niederländisch-Indien, besonders durch seine Außengebiete. Agrarland ist und der Wohlstand des Landes auf weite Sicht von dem Ertrag seiner landwirtschaftlichen Produkte abhängen wird.

Was d~n Import von Niederländisch-Indien betrifft, so haben die Konjunkturfluktuationen erhebliche Schwankungen in der Kaufkraft der Bevölkerung zur Folge gehabt, weldie die Einfuhrkurve Stärkstens beeinflußten In die letzte große Wirtschaftskrise, die in Niederländisch-Indien von 1930 bis 1936 anhielt, fiel die wirtschaftliche Expansion Japans Nachdem diese in China auf die japanische Boykottbewegung uni in Britisdi-Indien auf die zunehmende EijrenVersorgung (Textil) stieß, warf sich Jaoan auf den niederländisch-indischen Absatzmarkt. Billigste Arbeitskräfte und die Yen-Entwertung, die Marktnähe (billige Frachten) und Regierungssubventionen, ermöglichten es dem japanischen Export, derart billig anzubieten, daß Japans Anteil an der Einfuhr in manchen ihrer Sparten von nihil auf 50 Prozent anstieg. Die Regierung wehrte sich gegen da.- Überhandnehmen des japanischen Einflusses mit Kriseneinfuhrverordnungen. Wenn man auch diesen wirtschaf liehen Vorstoß Japans der politischen Triebkraft zuschreiben muß. so ist doch nicht abzuleugnen, daß bei dem Erfolg, den Japan buchte, viele natürliche Faktoren eine Rolle spielten, die auch künftighin ihre Geltung beibehalten werden. (Wir müssen bei unseren Betrachtungen die gegenwärtige wirtschaftliche Impotenz Japans außer Rechnung stellen.) In den letzten Jahren vor dem Krieg war auch eine Zunahme des Wirtschaftsverkehrs mit Australien wahrzunehmen, dessen- Interesse für den Archipel durch die geographische Lage im Wachsen begriffen ist. Einen günstigen Ausblick bietet die Lage in China. Wenn eine intensive Eingliederung Chinas in den weltwirtschaftlicher Güterverkehr bevorsteht, so ist von dieser Entwicklung eine äußerst belebende Wirkung auf den gegenseitigen Wirtschaftsverkehr zu erwarten.

Fassen wir alle wirtschaftlichen Kräfte die sich auf dem niederländisch-indischen Markt geltend gemacht haben, im Zusammenspiel mit der politischen Entwicklung der Länder des ostasiatischen Raumes zusammen: die Unabhängigkeitsbewegung in Britisch-Indien, die Selbständigkeit der Philippinen, die Expansionsbedürftigkeit Japans, das Emporsteigen Chinas zu einem politischen Machtfaktor und die zunehmende Bedeutung Australiens — so ergibt sich für Niederländisch-Indien eine deutliche Verlagerung des Interessenschwerpunktes von dem Westen nach dem Osten. Bei dem Fortschreiten in dieser Entwicklung wird Niederländischindien vor sehr schwierige wirtschaftliche Probleme gestellt werden, deren Lösung nur von einer ganz zielbewußten und in wirtschaftlichen Dingen erfahrenen Führung erwartet werden kann. Daß eine Regierung Sukarno. die Java politisch aus dem Verband des Inselreiches herausheben würde, einer solchen Aufgabe gewachsen sein würde, darf Stärkstens bezweifelt werden.

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